Donnerstag, 23. Januar 2025

weiße Reiher

Derek Walcott wurde am 23. Januar 1930 in der Karibik geboren. Er hat alle Orden bekommen, die man da bekommen kann: den Order of the Caribbean Community, das Trinity Cross und den Order of St. Lucia. Die letzten beiden Orden hatte Queen Elizabeth, die auch Queen of St Lucia war, in den 1980er Jahren gestiftet, Die Insel ist zwar seit 1979 unabhängig, ist aber im englischen Commonwealth geblieben. Wir sind in einer Gegend der Welt, wo wir mit den Posts Vaterlandsverräter? und Dido schon einmal waren. Die Gegend, aus der die beste Baumwolle der Welt für Oberhemden kommt. Und einer Gegend, aus der viele Nobelpreisträger kommen. Nicht nur Derek Walcott, sondern auch V.S. Naipaul, den die Königin ebenso wie Walcott zum Ritter des Trinity Cross geschlagen hat. Derek Walcott hat in Oxford studiert, und Dichter wie T.S. Eliot und Ezra Pound waren seine Vorbilder. Dass er Dichter werden wollte, das wusste er schon früh: 

Forty years gone, in my island childhood, 
I felt that the gift of poetry had made me one of the chosen,
that all experience was kindling to the fire of the Muse













Sir Derek Walcott (den Sie hier in einem langen Interview kennenlernen können) war erstaunlicherweise noch nie in diesem Blog, deshalb soll es heute an seinem Geburtstag zwei Gedichte von ihm geben. Das erste stammt aus seinem Gedichtband White Egrets, für den er 2010 den T. S. Eliot Prize bekam:

White Egrets VI

I hadn’t seen them for half of the Christmas week,
the egrets, and no one told me why they had gone,
but they are back with the rain now, orange beak,
pink shanks and stabbing head, back on the lawn
where they used to be in the clear, limitless rain
of the Santa Cruz valley, which, when it rains, falls
steadily against the cedars till it mists the plain.
The egrets are the colour of waterfalls,
and of clouds. Some friends, the few I have left,
are dying, but the egrets stalk through the rain
as if nothing mortal can affect them, or they lift
like abrupt angels, sail, then settle again.
Sometimes the hills themselves disappear
like friends, slowly, but I’m happier
that they have come back, like memory, like prayer.

Sie können hier Derek Walcott hören, wie er das Gedicht vorliest (ab 7:44). Und ich habe auf dieser Seite eine Übersetzung des Gedichts von Werner von Koppenfels, der für seine Übersetzung Weiße Reiher verdientermaßen 2011 den Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie bekommen hat. Und wenn Sie die Gedichte im Original lesen wollen, habe ich dafür hier auch eine.Seite. Die Gedichte handeln von der Schönheit der Natur, von Liebe und Kunst. Die weißen Reiher können für alles stehen. Auch für das weiße Papier, auf dem der Dichter schreibt:  

Wir teilen einen Trieb, suchen heißhungrig Futter 
für meinen Feder Schnabel, spießen Insekten zuckend 
wie Hauptwörter und schlingen sie, die Spitze liest 
im Schreiben, schüttelt ärgerlich ab, was der Schnabel verwirft. 
Auswahl ist, was die Reiher lehren 
auf der weit offenen Wiese, kopfnickend, während sie, 
zielstrebig stumm, sprachlose Botschaft lesen.

Walcott ist achtzig Jahre alt, als seine Gedichtsammlung White Egrets erscheint, sein Älterwerden und der Gedanke an den Tod sind immer in den Gedichten:

be grateful that you wrote well in this place
let the torn poems sail from you like a flock
of white egrets in a long last sigh of relief .

Lassen wir die weißen Reiher einmal beiseite, ich habe noch ein Gedicht von Walcott für Sie. Es ist wahrscheinlich sein bekanntestes Gedicht, es findet sich hundertfach im Internet. Es ist ein Gedicht, das vielen Menschen den Mut gegeben hat, sich in einer Lebenskrise wiederzufinden:

Love after Love

The time will come
when, with elation
you will greet yourself arriving
at your own door, in your own mirror
and each will smile at the other’s welcome,
and say, sit here. Eat.

You will love again the stranger who was your self.
Give wine. Give bread. Give back your heart to itself,
to the stranger who has loved you all your life,
whom you ignored for another,
who knows you by heart.

Take down the love letters from the bookshelf,
the photographs, the desperate notes,
peel your own image from the mirror.
Sit. Feast on your life.


Ich weiß nicht, von wem diese deutsche Übersetzung ist, sie steht anonym im Internet, aber es ist besser als gar nichts:

Die Zeit wird kommen,
da du voller Freude dich selbst 
an deiner eigenen Tür begrüßen wirst, 
in deinem eigenen Spiegel,
und lächelnd sagst,
setz dich hier hin. Iss.

Du wirst den Fremden wieder lieben, der du einmal warst.
Gib Wein. Gib Brot. Gib dein Herz zurück, 
dem Fremden, der dich dein Leben lang geliebt hat,
den du wegen eines anderen ignoriert hast, 
der dich in- und auswendig kennt.

Nimm sie herunter vom Bücherregal,
die Liebesbriefe, die Fotos, die verzweifelten Notizen.
Erkenne Dich selbst wieder in deinem Spiegelbild.
Lass Dich nieder. Feiere Dein Leben.

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