Der Titel mag irritieren, normalerweise haben Generäle nichts mit Gärten zu tun. Es sei denn, sie verwüsten sie im Kriege, so wie man dem Dichter Johann Rist seine Gärten im Torstenssonkrieg verwüstete. Of Generals and Gardens ist die Autobiographie von Peter Coats, die Generäle und die Gärten haben einen Teil seines Lebens ausgemacht. Es ist übrigens nur der erste Teil der Autobiographie, der zweite Teil, der zehn Jahre später bei Weidenfeld & Nicholson erschien, hieß Of Kings and Cabbages. Ich habe Jahrzehnte nach dem Buch Of Generals and Gardens gesucht, die Preise der Antiquariate lagen zwischen 260 und 350 Euro, so wichtig war mir das Buch denn doch nicht. Kurz vor Weihnachten tauchte das Buch für elf Euro bei einem englischen Händler auf, da habe ich es sofort gekauft.
Dieser Peter Coats war, ohne dass ich es wusste, schon einmal in meinem Blog. Nämlich mit diesem Photo von Norman Parkinson. Es heißt The New Mayfair Edwardians (Peter Daniel Coats; Sir William Miles Aykroyd, 3rd Bt; Mark Newman Gilbey) und hängt in der National Portrait Gallery. Und war in den 1950er Jahren in jedem besseren englischen Society Journal zu sehen. Hier ist es in dem Post Teddy Boys abgebildet, über die Dandies des Edwardian Style steht auch einiges in dem Post Wildlederschuhe. Peter Coats, den seine Freunde Petticoats nannten, ist der linke auf diesem Photo. Coats kam aus aus einer schottischen →Familie, die mit der Baumwolle im 19. Jahrhundert sehr reich geworden war, die Coats Group gibt es heute immer noch. Thomas Coats, der Gründer des Imperiums, wird schon in dem Post Made in Italy: Etro erwähnt. Coats, der in einem Schloss aufwuchs, das sein Vater gerade gekauft hatte, ist ein englischer Dandy, der in Eton war und seinen Wohnsitz im →Albany hat. Vornehmer und teurer kann man in London nicht wohnen. Reicht das für eine Autobiographie?
Wo bleiben die Generäle und die Gärten? Die kommen auch noch. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte sich Coats freiwillig bei der Middlesex Yomanry gemeldet und war als Leutnant eingestellt worden. Wenn man in Eton war, wird man gleich Offizier. Der Zufall wollte es, dass er für die nächsten sechs Jahre der Adjutant von General Sir Archibald Percival Wavell wurde. Der hier schon in den Posts Fremde Federn und Kabul-Wunstorf erwähnt wird.
Coats hatte für eine Rede seines Chefs ein Zitat von Montaigne gefunden: I have gathered a posy of other men's flowers and nothing but the thread that binds them is mine own. Wavell wird aus diesem Zitat das Other Men's Flowers als Titel seiner →Gedichtsammlung nehmen. Ein Buch, das im Krieg erscheint und schnell zehn Auflagen haben wird. Natürlich war Coats als Adjutant immer dandyhaft elegant, auch in Indien bei der Gartenpflege. Harold Nicolson beschrieb ihn in seinem Tagbuch als: resplendent in a white and gold uniform, directing with the wave of a trowel, these stupendous creations, stepping gingerly among the cannas and the odds. Never since the days of Zenophone has a soldier, and aide-de-camp to boot, been so precise and efficient a gardener. Vom Militär und der Kriegsführung hat Coats, der noch zum Major befördert werden wird, nicht die geringste Ahnung, aber er ist der perfekte Organisator für den Haushalt und das Hauptquartier von General Wavell. Das Strand Magazine wird 1945 schreiben: Major Peter Coates is Field-Marshal Lord Wavell's secretary, factotum, social buffer; he is tall, cherubic, and of an elegance; he is totally impervious to heat.
Sir Archibald Wavell, der noch Lord, Feldmarschall und Vizekönig von Indien wurde, wusste, dass sein Adjutant Coats homosexuell war und sogar eine Affäre mit einem seiner Offiziere hatte. Aber das beunruhigte ihn nicht weiter, solange das Faktotum dafür sorgte, dass der Laden lief. Doch nach seinem Tod, wurde durch die Veröffentlichung der Tagebücher von Henry ('Chips') Channon 1967 die Homosexualität von Coats öffentlich, wodurch Gerüchte aufkamen, dass Wavell selbst homosexuell gewesen sei. Was seinen Kindern sehr peinlich war.
Wir kommen jetzt ins seichtere Fahrwasser, aber ich muss den Politiker Chips Channon (hier bei seiner Hochzeit mit Lady Honor Guinness) erwähnen, der sich von der Guinness Erbin wegen seiner Affäre mit Peter Coats scheiden ließ. Am besten lesen Sie jetzt einmal den hervorragenden Artikel →Blick in den Abgrund von Karina Urbach, dann wissen Sie alles über diesen reaktionären englischen Politiker, der die Nazis liebte. Er ist eine dieser Figuren, die in dem Roman und dem Film The Remains of the Day vorkommen könnten.
The Diaries 1918–38 von Henry Channon erschienen vor vier Jahren zum ersten Mal in einer nicht zensierten Fassung. Der Guardian betitelte seine Buchbesprechung Gossip, sex and social climbing, und das ist alles, worum es hier geht. Der New Statesman titelte Sex, scandal and high society in Chips Channon’s uncensored diaries. Channon was a snobbish, sexually voracious Tory who revered Hitler – and a new edition of his journals shines a startling light on interwar Britain. Klatsch und Tratsch der versifften englischen Oberklasse. Das Leben des fiktiven Helden des Romans Autobiography of a Cad von A.G. Macdonell ist hier wahr geworden.
In meiner zensierten alten Penguin Ausgabe der Diaries von 1967 findet sich auf Seite 253 für den 10. Juli 1939 die Fußnote: Chips had met Peter Coats earlier that summer at a dinner at Lady Cunard's. They were to remain close friend until his death nineteen years later. Peter Coats edited the original MS of the Diaries. Die nächste Fußnote verrät uns, dass der junge John F. Kennedy an dem Tag auch Gast von Channon ist. Und hier auf dem Photo da oben haben wir sie. Zwei enge Freunde aus der englischen Gesellschaft, die zusammenleben wie die Ladies of Llangollen. Von Homosexualität, die in England noch unter Strafe steht (Lord Edward Douglas-Scott-Montagu wird 1950 verurteilt werden), ist nicht die Rede. Simon Heffer, der die Tagebücher herausgegeben hat, spricht davon, sie seien durch eine conspiracy of silence geschützt gewesen. Es ist kein Zufall, dass die erste Ausgabe der Diaries 1967 erscheint, in dem Jahr hob der
Sexual Offences Act die Strafbarkeit auf. Da hatte sich das Land gerade von der Christine Keeler Affäre (die hier einen langen Post hat) erholt, jetzt haben sie es wieder mir Sex zu tun.
Nach seiner Zeit als Adjutant, Butler und Faktotum von Lord Wavell wird Peter Coats Redakteur von House & Garden. Plant Gartenanlagen, photographiert Gärten. Und schreibt ein halbes Dutzend Bücher über englische Gärten und Rosenzucht. Und seine Memoiren. Wenn man sich den Index von Of Generals and Gardens betrachtet, dann hat er in den dreißiger und vierziger Jahren jeden von Bedeutung gekannt. Von Churchill bis Ian Fleming, von Gandhi bis Lord Mountbatten. Das ganze Buch besteht aus name dropping, viel tiefer geht es nicht. Jeder, der in Eton war, kommt hier vor. Bis auf George Orwell, aber der lebte in einer ganz anderen Welt als Peter Coats.
Wenn man über die dreißiger Jahre in England mehr als diese Oberflächlichkeit haben will, dann sollte man das Buch The Long Week-End von Robert Graves und Alan Hodge lesen. Diese Social History of Great Britain 1918-1939 ist eins der besten Bücher über diese Zeit. Robert Graves hat hier schon einen Post, und zu Alan Hodge sollte man noch sagen, dass er der Ghostwriter für Churchills History of the English Speaking Peoples war. Ohne Hodge hätte Churchill seinen Literaturnobelpreis wohl nicht bekommen. Man könnte natürlich auch noch zur Literatur greifen, also zu Romanen wie Brideshead Revisited oder dem Romanzyklus A Dance to the Music of Time von Anthony Powell. Ich hatte von Of Generals and Gardens mehr erwartet, aber ich habe ja glücklicherweise nur elf Euro dafür bezahlt.
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