Donnerstag, 15. Februar 2024

Made in Italy: Etro


Ich fange mal eben mit diesem Hemd an, für so etwas war die italienische Marke Etro früher mal berühmt. Sieht man heute selten. Dies hier habe ich gerade für 9,95 € bei ebay gekauft. Ein guter Preis für ein Etro Hemd, denn die 350 Euro, die die Firma für ihre Hemden verlangt, die sind die Hemden nicht wert. Qualitativ gesehen können sie mit Borrelli, Fray oder Finamore nicht mithalten. Nicht ansatzweise, da braucht man sich nur die Qualität der Knopflöcher anzugucken. Und die bunten Hemden mit Streifen oder Paisleymuster, mit denen Etro berühmt wurde, die sind auch ein wenig aus dem Programm verschwunden. Tauchen aber immer wieder mal auf. Oder man muss sich die Hemden in London bei Duchamp oder Paul Smith kaufen. Die Firma Etro gehört der Familie Etro heute auch nur noch zum Teil; da hat sich über eine Firma namens L Catterton längst die Louis Vuitton Gruppe eingekauft.

Gerolamo (Gimmo) Etro hatte 1968 eine kleine Weberei geerbt und beschlossen, das nachzuweben, was seine Frau Roberta und er bisher gesammelt hatten: Stoffe mit dem Paisley Muster. Zuerst wanderten die Stoffe auf Sofas, Kissen und Handtaschen. Dann gingen die Muster in die Konfektion, die siebziger Jahre schienen nur noch aus Paisley zu bestehen. So etwas trug man im Swinging London, Mick und Bianca Jagger wurden zu einer Art Etro Botschafter. Die Paisley Muster tauchten auch in der Hippie Kultur auf. Vielleicht hat das dirty red bandana, von dem Janis Joplin in Me and Bobby McGee singt, auch ein Paisley Muster.

Die kleine Etro Weberei wurde zu einem internationalen Modeunternehmen, das sich im übrigen mehr als die Hälfte seiner Stoffe heute noch selbst webt. Die Firma wurde nach dem Ausscheiden des Gründers von Gimmos Söhnen geleitet. Ippolito Etro ist für die Finanzen zuständig, und Jacopo kümmert sich um die Lederwaren. Der kreative Kopf des Unternehmens ist Kean Etro, der die Herrenkollektion entwirft. Und für alles Schrille und Bunte in den letzten Jahrzehnten verantwortlich war. Seine Schwester Veronica machte die Damenmode. Wir sehen Kean Etro hier mit den Schauspielerinnen Katja Flint und Ursula Karven bei der Eröffnung der Berliner Etro Filiale. Die Damen tragen selbstverständlich Etro. Der einst so mächtige Kean Etro scheint zu einem Frühstücksdirektor geworden zu sein. Seit zwei Jahren heißt Etros Kreativdirektor Marco De Vincenzo. Der wird vieles ändern, wie wir dem kurzen Dokumentarfilm Radical Etro entnehmen können.

Das Muster, das heute den Namen einer schottischen Stadt trägt, kommt nicht aus Schottland, es kommt aus dem Fernen Osten. Indien oder Persien, da sind sich die Fachleute nicht so ganz einig. Aber die East India Company bringt die Muster der Stoffe nach England. Die indische Herkunft des Musters brachte auch die amerikanichen Hippies, die Hermann Hesses Siddhartha zu einem Bestseller machten, dazu, sich in Paisley Stoffe zu kleiden. Auch die Beatles haben so etwas getragen. In der Industrial Revolution war die kleine schottische Stadt Paisley zu einem Zentrum der Weberei von ganz fein gedrehter Baumwolle geworden, die die Seide ersetzen sollte. Die preiswerte Nachahmung der edlen Cashmere Schals und Tücher wurde ein Welterfolg. Obgleich man in Spitalsfield eine eigene Seidenproduktion hatte, wurde im 18. Jahrhundert mehr und mehr Baumwolle getragen. Lesen Sie mehr dazu in 18th century: Fashion.

Dies ist Margaret Kemble Gage, die Gattin des englischen Generals Thomas Gage. Gemalt um 1771 von John Singleton Copley. Sie trägt solche edlen Tücher, die Jahrzehnte später in Paisley nachgeahmt werden. Das turbanähnliche Gebilde, das sie auf dem Kopf trägt, ist ein hauchdünner Cashmere Schal, das ist damals eine große Mode. Die Schals waren so gewebt, dass man sie angeblich durch einen Ring ziehen konnte. Wir haben jetzt im 18. Jahrhundert etwas, das Historiker als Türkenmode bezeichnen. Mozarts Entführung aus dem Serail und sein Rondo alle turca haben auch etwas damit zu tun. Das Paisley Muster hat man früher auch einmal als türkische Gurke bezeichnet.

Die großen Textilfabriken von Paisley, die William Blake sicherlich als dark satanic mills bezeichnet hätte, stehen heute leer. Die Zeit, in der King Cotton herrschte und man die fein gedrehte Bauwolle spann, dauerte nur ein halbes Jahrhundert. Unter der Führung von Thomas Coats war Paisley zum Weltmarktführer im Garnhandel geworden, aber die Wirtschaftskrise der 1840er Jahre setzte der Stadt schwer zu. Die Cotton Panic von 1861 verschlimmert die Lage noch. Die Coats Viyella Grupppe gibt es heute immer noch, doch Paisley spielt für sie keine Rolle mehr. An die stolze Zeit erinnert heute cin Museum für die Garnindustrie. Der Premierminister Robert Peel setzte sich persönlich energisch für die Stadt ein. Und bat die Königin Victoria, in der Öffentlichkeit doch Paisley Schals zu tragen, was sie auch tat. 1842 kaufte sie siebzehn Paisley Schals. Und zum 400-jährigen Jubiläum der Stadt stattete sie Paisley einen Besuch ab.

Ein solches Etro Hemd habe ich nicht, würde ich auch nicht haben wollen. Ich habe ein paar Etro Hemden und ein paar ganz wilde Etro Schlipse in Pink. Mit ganz großen roten Paisley Mustern. Bunte Hemden sind nicht so mein Ding. Aber mein Freund Peter hat früher bunte Hemden mit floralen Mustern getragen, sozusagen als Berufskleidung. Er war nämlich Professor für Kinderheilkunde, und die Kiddies mochten im Krankenhaus einen Arzt in bunten Hemden lieber als einen im steifen weißen Eppendorf Kittel. Ich habe diesen Post mit meinem Etro Lieblingshemd geschrieben. Das ist nicht ganz weiss, hat eher einen Stich ins Gelbliche. Und hat in unregelmäßigen Abständen violette, dunkelblaue, gelbe und braune Streifen da drauf. Dick und dünn. Ein klein bisschen exzentrisch ist das schon.


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