Mittwoch, 16. November 2022

Made in Italy: Finamore


Im Jahre 1925 eröffnete Carolina Finamore in Neapel ein kleines Atelier und nähte Hemden. Simone Finamore hat in einem Interview von dem piccolo atelier seiner Urgroßmutter gesprochen. Bei einem schwedischen Händler kann man lesen, dass sie die Hemden mit der Hand nähte, weil Nähmaschinen nicht vefügbar waren. Keine Nähmaschinen in Neapel im Jahre 1925? Da war die eiserne Mamsell doch schon lange erfunden. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis aus der Nähstube eine Fabrik geworden ist. Die erste Fabrik wird in den sechziger Jahren in San Giorgio a Cremano eröffnet, heute ist der Firmensitz in Carinaro. Alles ein bisschen weg von Neapel, aber auf die Etiketten schreibt man Finamore Napoli. Wenn Sie einen Blick auf die Fabrik werfen wollen, dann klicken Sie dieses Video an. Sie werden überrascht sei, wie chaotisch es in dem Turnhallen-großen Schuppen aussieht. Wie ein Finamore Hemd für eine Werbevideo genäht wird, können Sie hier sehen.

Der Hamburger Herrenausstatter Braun versichert seinen Kunden, Finamore sei ein Luxus-Geheimtipp. Ein Geheimtip? Wirklich? Wenn Sie Finamore Napoli bei Google eingeben, liefert Google eine halbe Million Ergebnisse. Finamore Hemden gibt es ja nicht nur bei Braun in Hamburg oder Michael Jondral in Hannover, um mal die teuren Herrenausstatter zu nennen. Es gibt sie auch bei Breuninger und Lodenfrey. Und es gibt sie auch bei Amazon. Und bei ebay liegen mehr als 900 Finamore Hemden herum; von dort kommt mein Hemd auch, das habe ich schon in dem Post als Blogger bei WordPress gesagt.

Ein Geheimtip sieht anders aus. Aber die Leute, die diese Hemden verkaufen, müssen das mit dem Geheimtip offenbar immer wiederholen. So Michael Jondral, der den Laden von Heinrich Zapke übernommen hat: Mittlerweile ist das Sartoriale Herrenhemd des neapolitanischen Traditionsherstellers zu einem weltweiten Geheimtipp unter den wahrhaften Connaisseuren geworden und gehört ohne Zweifel in eine gut ausgestattete Herrengarderobe. Das einzige Problem, was Sie mit diesem Hemd haben werden, ist die Tatsache, dass Sie nie wieder ein anderes Herrenhemd besitzen werden möchten. Und Jondral setzt da noch etwas drauf: Die vollständig von Hand vernähten & gearbeiteten Hemden sind ein Synonym für sartoriales Handwerk, sowie sartorialen Details gleichermaßen. Kaum ein anderer Hersteller vermag es dem Finamore Napoli Hemd das Wasser zu reichen. Hier seien höchstens das Kiton Hemd, das Cesare Attolini Hemd bzw. das Luigi Borrelli oder Truzzi Hemd der Vollständigkeit halber erwähnt. 

Ich kann diese Lobhudelei so nicht bestätigen. Das Hemd ist gut, aber nicht besser als ein Hemd von Fray, Pegaso, Lillian Fock oder einer anderen italienischen Topmarke. Bleiben wir mal bei den Fakten. Das Hemd hat handgenähte Knopflöcher (die ziemlich rustikal ausfallen) und eine Musteranpassung an der Passe, die mit der Hand in den Rücken genäht ist. Das kann man sehen. Die Seitennähte sind unten mit einem kleinen Dreieck verstärkt, in das ein F gestickt ist. Solch ein Dreieck findet man heute schon beinahe überall. Sogar bei Emanuel Berg und Windsor. Was ich interessant finde, sind die Knöpfe auf der Manschette, die nicht in der Mitte sitzen. Wofür das gut ist, weiß ich nicht. Vielleicht passt die Rolex so besser unter die Manschette. Der Ärmel ist sehr schön in die Manschette eingefädelt, das muss man sagen. Aber all das sind Dinge, die man auch bei den Hemden der italienischen Oberklasse findet, ob sie nun aus Neapel, Mailand oder Rom kommen.

Oder aus Lübeck wie dieses schöne Hemd. Auf dem Etikett steht H. Heissing Tailored, verziert mit einer großen Nähnadel. Ein Symbol dafür, dass es sich hier um Schneiderarbeit handelt. Und das merkt man dem Hemd an. Heinrich Heissing hat vor zwanzig Jahren sein Atelier in der Lübecker Mengstraße eröffnet, heute hat er auch noch eine Kunstgalerie. Solch ein Hemd ist wirklich ein Geheimtip. Ich besitze drei davon, die alle Qualitätsmerkmale haben, die die neapolitanischen Hemden haben. Es ist lediglich die Werbung, die uns erzählt, dass nur eine jahrhundertealte neapolitanische Tradition gute Hemden mit der berühmten neapolitanischen Schulter (der Spalla Camicia) machen kann. Und die erste italienische Hemdenfabrik von 1890 (Truzzi) hatte ihren Sitz gar nicht in Neapel.

Finamore bezieht seine Stoffe von Alumo und Carlo Riva, und Sea Island Baumwolle haben sie auch im Programm. Sie machen auch die Hemden für die Firma Belvest (die hier schon einen Post hat), und wahrscheinlich beliefern sie ohne Label auch Herrenausstatter mit private label Hemden. Werner Scherer oder Rudolf Böll würden sich ja eher die Zunge abbeissen, als zu verraten, wer ihre Hemden näht. Es scheint zwei Qualitätsstufen zu geben: bei dem schwarzen Label (das mein Hemd hat) ist alles cucita a mano. Die Hemden mit dem weißen Label haben keine handgenähten Knopflöcher, da wird nur der Ärmel von Hand eingesetzt. Das Wappen auf dem Label sieht ein wenig wie eine mickrige Version der Fontana dell'Immacolatella, es adelt aber bestimmt das Produkt. Es gibt zwei Basis Passformen, die Milano und Napoli heißen, und es gibt noch ein Exklusivmodell, das komplett von Hand genäht ist. Kostet ein paar hundert Euro mehr.

In gewisser Weise ist Finamore heute das, was Lorenzini in den achtziger Jahren war. Allerdings machten die nur Hemden und hatten keine Pyjamahosen, Boxershorts, und Badehosen im Programm. Dies Bild zeigt, wie Finamore seine Pyjamas auf Facebook bewirbt. So etwas würde ein Gentlemen ja nicht tragen, für die feine Welt gibt es da nur Derek Rose in London. Aus dem piccolo atelier der Signora Carolina ist in vierter Generation ist ein Konfektionsunternehmen geworden, das (ebenso wie Borrelli) auch Hosen und Sakkos im Angebot hat. Weil man das Ziel hat offering collections closer to a total look concept. So etwas mit dem total look ist mir immer unheimlich. Und Finamore begibt sich damit in Konkurrenz zu italienischen Firmen (wie zum Beispiel Caruso), die in der Herstellung dieser Dinge längere Erfahrung haben. Achtzig Prozent der Produktion von Finamore gehen ins Ausland, Italiener kaufen offenbar andere Hemden. Und wahrscheinlich auch keine Finamore Pyjmas.

Dies ist mein erstes Finamore Hemd. Es wird auch das einzige bleiben, da kann Michael Jondral in Internet sagen Das beste Herrenhemd und Kein Vergleich zum Kiton oder Borrelli Hemd so viel er will. Es gibt bessere Hemden. Ich habe welche im Schrank. Dass die Rolex unter die Manschette passt, habe ich übrigens ausprobiert. Mein Uhrmacher hat mir vor Jahren eine Rolex Fälschung geschenkt, ist wahrscheinlich ein russisches Automatikwerk drin, ich habe die früher immer bei der Gartenarbeit getragen. Dafür würde ich das Finamore Hemd dann aber doch nicht tragen. Und diese kleine Reihe Made in Italy wird irgendwann fortgesetzt.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen