Als ich im Kalender sah, dass der Maler Franz von Lenbach am 6. Mai 1904 gestorben ist, wollte ich über ihn schreiben. Über diesen Münchener Malerfürsten, der von seinem Talent her alles hätte werden können, aber dann doch nur jemand geworden ist, der fabrikmäßig Bilder vom Kanzler ➱Bismarck malte. Knapp achtzig solcher Bilder kennt man, 137 will er gemalt haben. Damit würde er ➱Gilbert Stuart geschlagen haben, der nur 130 Kopien seines berühmten Bildes von Washington angefertigt hat.
Heute ist er jemand, dessen Bilder die Direktoren von Kunsthallen am liebsten im Magazin sähen. Als er starb, gab es Nachrufe wie: Man kann fast sagen: ›er hat die Großen der Erde gemalt‹, so wenige fehlen in der Reihe derer, die Lenbach konterfeite. Sein Werk als Maler Bismarcks allein macht ihn unsterblich. Drei bayerische Könige und drei deutsche Kaiser, die großen Schriftsteller und bildenden Künstler, Musiker, Gelehrte, Staatsmänner, Kirchenfürsten, die Größen der Industrie und Finanz, die schönen Frauen aller Länder bis hinüber zu den stolzen Dollarfürstinnen der neuen Welt, Bühnensterne und schillernde Sterne der Halbwelt, alle Meteore exotischer Schönheit, die gelegentlich am deutschen Himmel aufleuchteten, und viele schlichte, ernste Menschen dieser Zeit und seines Kreises hat sein Pinsel verewigt.
Aber hatte ich nicht schon einmal über ihn geschrieben? Dass ich über ➱Moritz von Schwind geschrieben habe, das wusste ich. Das vergesse ich auch nicht. Ich bin da allerdings überrascht, dass der Post über Moritz von Schwind so häufig gelesen wird. Ich gab also sicherheitshalber den Namen Lenbach in das kleine Suchfeld ein, und siehe da, es gab längst einen ➱Lenbach Post. Lenbach, der die Großen der Erde gemalt hat, ist in seiner Zeit nicht der einzige Münchener Malerfürst, neben ihm sind da noch Franz von Stuck und Friedrich August von Kaulbach.
Die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft; die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Szepter über die Stadt hin und lächelt. Eine allseitige, respektvolle Anteilnahme an ihrem Gedeihen, eine allseitige, fleißige und hingebungsvolle Übung und Propaganda in ihrem Dienste, ein treuherziger Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Sinne, der Schönheit obwaltet... München leuchtete. Das Thomas Mann Zitat musste hier mal eben sein. Thomas Mann war von Lenbach sehr beeindruckt. Genauer sollten wir sagen: er war davon beeindruckt, dass die Familie ➱Pringsheim, in die er einheiratete, so viele Lenbachs besaß. Doch trotz der literarischen Überhöhung durch das München leuchtete, München ist in der Kaiserzeit auch eine Hochburg des schlechten Geschmacks. Nur der Österreicher Hans Makart kann das noch übertreffen.
Und da wir bei schlechtem Geschmack und Österreichern sind, hätte ich gleich ein Beispiel. Das Lenbach Bild hier war von der Gruppe Sonderauftrag Linz für Adolf Hitler gekauft worden. Natürlich nicht für ihn privat: Was ich besitze, gehört – soweit es überhaupt von Wert ist – der Partei, sollte diese nicht mehr existieren, dem Staat... Ich habe meine Gemälde in den von mir im Laufe der Jahre angekauften Sammlungen niemals für private Zwecke, sondern stets nur für den Ausbau einer Galerie in meiner Heimatstadt Linz an der Donau gesammelt. Daß dieses Vermächtnis vollzogen wird, wäre mein herzlichster Wunsch. Und so ist die nackte Pasqualine Waldheim heute beim ➱Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen gelandet.
Diese Schlangenkönigin musste offenbar auch gemalt werden. Wahrscheinlich wollte der Lenbach Franz dem Stuck Franz mal zeigen, dass er dessen Salome noch übertreffen kann. Kitsch as Kitsch can. Ich glaube, ich höre mal damit auf, schlechte Lenbachs hier abzubilden. Wenn man Franz von Lenbach bei Google Bilder eingibt, serviert einem Google als Verwandte Suchanfragen den Namen Max Liebermann. Ich weiß nicht so recht, was die beiden gemein haben sollen. Gut, Lenbach hat Liebermann nach München gelockt, beide kann man Malerfürsten nennen, aber da hört es auch schon auf.
Wenn er so weitergemacht hätte wie mit diesem Bild (das heute in der Kunsthalle Hamburg hängt), dann wäre vielleicht etwas aus ihm geworden. Vielleicht so etwas wie Liebermann, der ein großer Maler war. Was nicht alle anerkannten. So schreibt ein gewisser Hans Emil Hansen, der sich nach seinem Geburtsort Nolde nennen wird (und der kein großer Maler war), über Liebermann: Er veranlasst, daß so viel wie möglich über ihn geschrieben und publiziert wird, er macht, malt und stellt aus, so viel er nur kann. Die Folge davon ist, dass die ganze junge Generation, übersatt, schon nicht mehr seine Arbeiten ansehen kann und mag, daß sie erkennt, wie absichtlich dies alles ist, wie schwach und kitschig nicht nur seine gegenwärtigen Arbeiten, sondern auch so manche seiner früheren es sind. Das schreibt der Mann, der sich in einem Brief an Goebbels als fast einzigster deutscher Künstler im offenen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst sieht. Denn die Kunst des Mannes, der seinen nichtjüdischen Konkurrenten Max Pechstein bei Goebbels als Juden denunzierte und der so gern der führende Künstler des Nationalsozialismus geworden wäre, ist deutsch, stark, herb und innig.
Dazu fällt mir nur das Zitat von Wilhelm Busch ein: Wenn einer, der mit Mühe kaum. Geklettert ist auf einen Baum, Schon meint, daß er ein Vogel wär, So irrt sich der. Und mit Wilhelm Busch höre ich auch auf. Dem schreibt Lenbach einmal: Ewig der Deine F. Lenbach Mitarbeiter am Verfall der Kunst. Mitarbeiter am Verfall der Kunst, das ist doch mal ein schönes Schlusswort.
Ein richtiger Bogen über die Maler-Fürsten, den ich voller Genuss gelesen habe. Eine Betrachtung, die es gilt nachzuforschen, die herausfordert ...
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