Donnerstag, 29. Oktober 2020

Beherbergungsverbot


Allen Huren und unzüchtigen Frauenzimmern ist untersagt, die Bäder zu betreten und ihnen näher als 500 Schritt zu kom­men, auf Gefahr, an allen vier Ecken der Bäder gestäupt zu werden. Gegen Wirte, die sie aufnehmen oder verbergen, er­geht die Strafe der Verhaftung und beliebiger Geldbuße. Unter derselben Strafe ist jedermann verboten, gegen adlige Frauen, Edelfräulein und andere Frauenzimmer, die in den Bä­dern Aufenthalt genommen haben, unkeusche Reden zu führen oder sie auf eine unehrenhafte Weise zu berühren; desgleichen ist untersagt, beim Betreten oder Verlassen des Bades den öffentlichen Anstand zu verletzen. Sie merken schon, das ist kein Text aus dem Oktober 2020. Huren und unzüchtige Frauenzimmer gibt es wohl noch, aber das Stäupen ist vollkommen aus der Mode gekommen. Mit dem öffentlichen Anstand haben wir auch Probleme.

Die Textstelle stammt aus dem Jahre 1580, sie findet sich in dem Tagebuch einer Badereise des Herrn Michel de Montaigne. Das Manuskript war nach seinem Tod verlorengegangen, es fand sich erst zweihundert Jahre später in einer alten Truhe in Montaignes Schloss, der Text (in dem einige Seiten fehlen) wurde zuerst 1774 gedruckt. Es gibt die Badereise seit 2013 in einer neuen Übersetzung von Hans Stilett, der auch die Essais neu übersetzt hat (und in dem Post Montaigne schon gewürdigt wird). Dies hier ist aber die alte Übersetzung von Otto Flake aus dem  Jahre 1908, die von Irma Bühler 1963 durchgesehen wurde, weil es inzwischen eine Montaigne Gesamtausgabe gab, die Flake 1908 noch nicht kannte. Ich zitiere Otto Flake aus dem Grund, weil ich genau diese Ausgabe aus dem S. Fischer Verlag besitze. Und weil der Schriftsteller heute vor einhundertvierzig Jahren geboren wurde. Es gibt in diesem Blog schon einen Post Otto Flake, und in dem Post Montaigne en allemand wird auch das Reisetagebuch erwähnt.

Zu Flakes 125. Geburtstag hat der Fischer Verlag die Autobiographie neu aufgelegt, das Buch ist immer noch lieferbar. Das Tagebuch einer Badereise kann man bei booklooker schon für einen Euro bekommen. Es lohnt sich immer, Otto Flake zu lesen. Er ist Ein Mann von Welt, wie der zweite Teil des gewaltigen Fortunat Romans heißt, ein halber Franzose, weitgereist. Der Übersetzer, Essayist und Romanautor Otto Flake, ist ein wenig in Vergessenheit geraten, aber er ist einer der interessantesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

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