Dienstag, 6. Oktober 2020

Pfeifen: quer durch Europa


Der Händler hatte diese Pfeife für 19 Euro ins Netz gestellt, ließ aber einen Preisvorschlag zu. Ich bot ihm 15 Euro, nach einem Tag  des Nachdenkens stimmte er diesem Preis zu. Die schöne Pfeife war beschrieben als Huber Old Briar Swiss made. Das Old Briar vergessen wir mal, das bedeutet gar nichts. Dänische Firmen wie Stanwell und Bari haben das gerne auf ihre Pfeifen geschrieben. Sie suggerieren damit, dass ihr Bruyereholz noch älter als das vierzig bis fünfzig Jahre alte Holz der Konkurrenz ist. Überprüfen kann man das nicht. Der Name Huber steht für Georg Huber in München, ein renommiertes Geschäft, ungefähr das, was Tabac Trennt für Kiel ist. Das Mundstück ist auch mit einem GH für Georg Huber signiert. Die Pfeife wurde als aufgearbeitet bezeichnet, aber man konnte auf den sehr guten Photos sehen, dass sie nie benutzt worden war.

Das Interessante war dieses Swiss Made in der Beschreibung, im Gegensatz zu England, Frankreich, Dänemark oder Italien sind die Alpenländer nicht unbedingt für ihre Tabakpfeifen berühmt (in Tirol ist allerdings ein Mann namens Ludwig Lorenz eine Berühmtheit). Außer dem Swiss Made war da diese kleine Nummer unten auf der Pfeife, wo man auch eine sehr schöne Birdseye Maserung erkennen kann, die einen Aufschluß darüber gibt, wer diese Pfeife gemacht hat.

Der Mann heißt Hans Jonny Nielsen, und die Pfeifenwelt kennt ihn unter seinem Spitznamen Former, unter dem er jetzt Pfeifen macht und verkauft. Er ist heute wieder in seinem Heimatland Dänemark, aber 1986 war er in die Schweiz gezogen, weil er da die Chance hatte, eine kleine Fabrik namens Bru-Bu in Kleinlützel zu leiten. Die Idee dazu kam von dem ehemaligen Reemtsma Chef Dr Horst Wiethüchter, der sich im Ruhestand langweilte. Die Fabrik hatte dem Amerikaner Herman G. Lane gehört, der sich in den sechziger Jahren mit dem Kauf von Marken wie Charatan und Ben Wade einen großen Teil vom englischen Kuchen gekauft hatte. Heute gehört die Herman G. Lane Ltd der Scandinavian Tobacco Group in Kopenhagen, der größten Tabakgruppe der Welt.

Nielsen nannte seine Produkte Bentley (Rolls-Royce wäre wohl ein bisschen zu viel des Guten gewesen), man erkennt sie leicht an dem weißen B auf dem Mundstück. Er belieferte auch Händler oder andere Firmen (wie zum Beispiel Charles Fairmorn) mit seinen Pfeifen, die dann meistens nicht Bentley signiert waren, sondern den Namen des Händlers trugen. Und das waren große Namen wie Schneiderwind  in Aachen, Pfeifen Tesch in Hamburg und eben Georg Huber. Es fiel mir nicht schwer, die Georg Huber Pfeife als ein Bentley Produkt zu identifizieren, denn ich habe eine alte Bentley Pfeife. Das weiße B auf dem Mundstück ist da ein wenig abgerieben, aber den Rest kann man noch lesen. Den Silberring, der die Pfeife ziert, muss man von Zeit zu Zeit putzen.

Nielsen hat nach zehn Jahren die Schweiz wieder verlassen, war einige Jahre in Lauenburg bei der Firma Dan Pipe, und ist jetzt wieder in Dänemark. Pfeifen, die heute Bentley heißen, haben mit Former Nielsen nichts mehr zu tun. Sie werden in Holland von der Firma Gubbels hergestellt. Kosten ab 300 Euro aufwärts, haben dafür aber ein Logo der Automarke auf der Pfeife. Sehen irgendwie scheußlich aus. Die häßlichen Bentley Pfeifen (und die ebenso scheußlichen Porsche Design Pfeifen) waren die große Hoffnung der Firma gewesen, die 2012 schon einmal vor der Pleite stand, ins ganz große Luxusgeschäft zu kommen. Sie hatten auch den deutschen Pfeifenmacher Rainer Barbi für das Design einer Pfeifenlinie verpflichtet. Über die schrottige Qualität der Hilson Designed by Rainer Barbi Pfeifen war Barbi todunglücklich.

Dass die Holländer überhaupt eine Pfeifenindustrie haben, verdanken sie den Engländern. Dem König James gefiel die neue Mode des Pfeiferauchens (oder Tabaktrinkens, wie man damals sagte) überhaupt nicht. Er verfasste 1604 ein Pamphlet, das den schönen Titel A Counterblast to Tobacco hat. Wo er schreibt: Have you not reason then to bee ashamed, and to forbeare this filthie noveltie, so basely grounded, so foolishly received and so grossely mistaken in the right use thereof? In your abuse thereof sinning against God, harming your selves both in persons and goods, and raking also thereby the markes and notes of vanitie upon you: by the custome thereof making your selves to be wondered at by all forraine civil Nations, and by all strangers that come among you, to be scorned and contemned. A custome lothsome to the eye, hatefull to the Nose, harmefull to the braine, dangerous to the Lungs, and in the blacke stinking fume thereof, neerest resembling the horrible Stigian smoke of the pit that is bottomelesse.

Das Resultat des königlichen Tabakhasses ist, dass viele englische Pfeifenmacher (es sind noch Tonpfeifen, von denen hier die Rede ist, das Bruyereholz ist noch nicht für die Pfeife entdeckt) nach Holland ziehen. Ein Jahrzehnt nach dem königlichen Pamphlet ist Gouda das Zentrum der Tonpfeifenindustrie. Die Schriftstellerin Therese Huber (die mit Georg Forster verheiratet war) schreibt 1811 darüber: In Gouda sah ich die Pfeifenfabriken, die mir Freude machten, von denen ich euch aber nichts sage, weil ihr Beschreibungen davon lesen könnt in allen technischen Büchern; leset sie aber auch, denn die mechanischen Kunstgriffe bei dieser Arbeit sind sehr hübsch. Mit so einer irdenen, langen, wohlverzierten Pfeife zu rauchen, scheint mir die wahre Ode des Rauchens zu seyn, die persische Pfeife ist die Epopee

Tonpfeifen waren damals das große Geschäft. Bevor Johann Friedrich Böttger das Porzellan erfand, produzierte er in Meißen erst einmal Tonpfeifen, um den Holländern Konkurrenz zu machen. Die Tonpfeifen verschwanden im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Bruyerpfeifen langsam vom Markt. In der Wiener Gesellschaft hielt sich allerdings immer noch die sogenannte Wiener Kaffehauspfeife. Aber es gibt auch heute noch Gelegenheiten, wo Tonpfeifen zum Einsatz kommen. Zum Beispiel bei der Bremer Schaffermahlzeit (hier Wilhelm Kaisen und Theodor Heuss beim Rauchen), da liegen sie für jeden Gast auf dem Tisch. 

Als der der Pfeifenraucher Gerard Dou 1655 sein Selbstportrait malt, gab es die Schaffermahlzeit schon, doch die Tonpfeifen kamen noch nicht wie heute aus Hilgert im Westerwald. Die Kolonialmacht Holland war zu Gerard Dous Zeiten auch eine Tabakmacht, dafür sorgte der Tabak aus Nieuw Nederland in Amerika, aus Sumatra und Java. Die Firma Gubbels, die die Bentley Pfeifen herstellte, kann nicht auf eine jahrhundertalte Tradition blicken (so alt wie Oldenkott ist sie nicht). Sie produziert erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs Pfeifen. Wenn die Firma mit dem Entstehungsjahr 1873 wirbt, dann muss man sagen, dass Johannes Henricus Gubbels damals gerade einen Gemischtwarenladen gegründet hatte.

Die Firma Gubbels hatte mit ihren Marken Amphora, Big Ben, Hilson (ehemals eine eigenständige belgische Firma), Porsche Design und Royal Dutch eine Spitzenposition im europäischen Markt, musste allerdings vor wenigen Monaten Insolvenz anmelden. Da half es auch nicht, dass sie sich dank des holländischen Königs De Koninklijke Fabriek van Tabakspijpen nennen durft. Jetzt werden die Pfeifen wohl zu Sammlerstücken. Der Niedergang der holländischen Pfeifenindustrie hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass sich die Holländer in den Coffee Shops andere Dinge als Tabak reinpfeifen. Das war vor sechzig Jahren anders, da verbrauchte man in Holland (damals 11,5 Millionen Einwohner) die gleiche Menge Rauchtabak wie in Westdeutschland (53,7 Millionen Einwohner).

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Mein Fundstück bei ebay hat nichts mit den neuen holländischen Bentley Pfeifen gemein; diese tiefrote alte Pfeife von Former Nielsen ist beinahe ein klassisches Modell, hat aber diesen Touch von dänischem Design, das die dänische Pfeifenindustrie groß gemacht hat. Angefangen haben beinahe alle dänischen Pfeifenmacher (und damit meine ich Namen wie Emil Chonowitsch, Björn Bengtsson, Tom Eltang und Anne Julie) bei Poul Rasmussen

Hans Jonny Nielsen hat da auch das Handwerk gelernt, bevor er zu W.Ø. Larsen ging. Die dänischen Pfeifenmacher sind alle groß im Geschäft, auch wenn sie nicht aus der Rasmussen Schule kommen wie Erik Nørding, der mal mit seinem Partner die gesuchten SON (Skovbo og Nording) Pfeifen herstellte. Die Dänen profitieren natürlich auch vom Untergang der englischen Pfeifenindustrie. Der Schriftzug Made in Denmark oder Handmade in Denmark ist inzwischen bei Pfeifenrauchern attraktiver als das Made in England, das einmal für Qualitätspfeifen stand. Die Engländer verlieren peu à peu alles, wofür sie mal berühmt waren. Die Automarke Bentley gehört ja auch schon zu VW.

Ein Däne macht aus Bruyereholz aus Korsika Pfeifen mit einem englischen Namen in einer kleinen Fabrik in der Schweiz (die zuvor Tiroler Pfeifen und Spazierstöcke hergestellt hat), die einem Amerikaner von einem Deutschen abgekauft wurde. Das Pfeifengeschäft ist international geworden, ist aber noch in europäischer Hand. 

Aber es ist viel Bewegung auf dem Pfeifenmarkt. Die englische Marke Ben Wade kam plötzlich aus Dänemark, die dänischen Stanwell kommen seit 2008 aus Italien (Italiener wie Savinelli verkaufen ihre Pfeifen inzwischen bei Amazon). Eine englische Comoy's (lesen Sie hier mehr zu der Firma) die Comoy's Leonardo styled by Lorenzo gestempelt war, habe ich auch schon gesehen. Charatan Pfeifen wurden nach der Übernahme der Fima durch Dunhill bei Butz Choquin in St Claude hergestellt, und immer wieder gibt es das Gerücht, dass Dunhill Pfeifen auch in Frankreich hergestellt werden. Bei Butz Choquin nicht mehr, denn der berühmteste französische Pfeifenhersteller hat im September des letzten Jahre Insolvenz angemeldet. Vielleicht sind die dänischen Pfeifenmacher, die nur eine kleine Werkstatt und wenige Angestellte haben, das Modell der Zukunft.

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