Mittwoch, 17. Juni 2020

150 Jahre Tabac Trennt


Auf der Homepage der Kieler Firma Tabac Trennt kann man lesen: 150 Jahre Tabac Trennt – Jubiläum. Am Mittwoch, dem 17. Juni 2020, wird unser Geschäft 150 Jahre alt. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation dürfen leider keine Feierlichkeiten stattfinden. Wir bitten um Verständnis. Das ist natürlich schade, dass es keine große Feier gibt, aber irgendwie muss das doch gefeiert werden. Ich werde mir in eine alte Parker Pfeife, die ich bei Trennt gekauft habe, heute mal zur Feier des Tages den Tabak TK 93 hineinstopfen, der das Tabakangebot im Jahre 1963 bereicherte. Den mag ich eigentlich nicht, aber ich habe immer eine Packung davon im Haus.

1970, zum hundertjährigen Bestehen, gab es bei Trennt eine Jubiläums Mixture und 1975 die Mischung Smök Mi. Das ist plattdeutsch wie der Wahlspruch der Firma, der Jeder Smöker hett sin Höker, De watt kennt swört op Trennt lautet. Seit 1928, als die erste eigene Mixtur Abu Riha auf den Markt kam, arbeitet Trennt mit der Tabakfabrik Walter Wehde in Hamburg Altona zusammen, deren Nachfolger seit 1987 die Firma Kohlhase & Kopp ist. In die Packungen kommt nur naturreiner Tabak, nicht dieses gesoßte Zeug, das die Holländer anbieten.

150 Jahre sind eine lange Zeit, das Deutsche Reich war noch nicht gegründet, den Nord Ostsee Kanal gab es noch nicht (der wurde vor 125 Jahren eingeweiht), aber Tabac Trennt war schon da. Berühmte Läden, die ungefähr zur gleichen Zeit gegründet wurden, sind verschwunden. Damit meine ich Astley's in der Jermyn Street in London und W.Ø. Larsen in der Strøget in Kopenhagen. Sind alle weg, aber Trennt ist noch da. Nur Pfeifen Huber in München ist sieben Jahre älter als das Kieler Geschäft.

Meine erste Pfeife war eine französische Butz-Choquin, die ich in meinem Heimatort bei Herrn Jakelski in der Gerhard Rohlfs Strasse kaufte. Er hatte einen kleinen Laden (rechts neben der Drogerie Tüscher), in dem es Zeitungen, Zigarren und Ziggis gab. Und Toto und Lotto. Und ein paar Pfeifen hatte er auch immer im Angebot. Sie können an diesem Photo sehen, dass das schon lange her ist. Gegen französische Pfeifen ist nichts zu sagen, die Butz-Choquin habe ich immer noch, und bei Trennt kann man Chacom Pfeifen kaufen.

Konnte man schon vor einem halben Jahrhundert. Der Firmenname Chacom wurde aus den Namen zweier miteinander verwandten Familien gebildet: Chapuis und Comoy. Ungefähr zu der Zeit, als Tabac Trennt gegründet wurde, ist Henri Comoy nach London gegangen und hat die englische Firma Comoy's gegründet. Ich habe drei Pfeifen von Chacom (davon eine schöne sandblast mit Silberring), und ich kann über die Marke nur Gutes sagen.

Ich ging in den siebziger Jahren von den Franzosen zu den Engländern über, weil ich diese leichte Anglomanie hatte, die allen Bremern und Hamburgern eigen zu sein scheint. Ich kaufte mir auf Helgoland, wo alles Englische billiger war, eine Parker. Als ich nach Kiel kam, landete ich bei Tabac Trennt; und alles, was ich an Pfeifen von Parker, Ben Wade und Savinelli besitze, kommt aus diesem Laden. Die Ascot, die wahrscheinlich von Dunhill hergestellt wurde, auch. Mit Pfeifen ist es wie mit Oberhemden, man hat eigentlich genug davon, kauft aber immer noch mal was Neues. Tabac Trennt ist in diesem Blog schon mehrfach erwähnt worden, zuerst vor zehn Jahren. Vielleicht haben Sie mich damals noch nicht gelesen, deshalb stelle ich heute noch einmal etwas ein, was ich zum einhundertundvierzigsten Geburtstag der Firma geschrieben habe:

Im Jahre 1962 trat ein junger stand-up comedian in Amerika mit der Nummer Introducing tobacco to civilisation auf, eine Nummer die schnell zu einem Klassiker wurde. Sie ist nach beinahe einem halben Jahrhundert immer noch Kult. Man kann sie hier nachlesen, oder sie sich auf ✺YouTube anschauen. Bob Newharts Fans der ersten Stunde haben das natürlich noch auf einer alten Warner Bros. Langspielplattte. Ich kenne diese Nummer mit der Entstehungsgeschichte des Tabaks seit 1965. In dem Jahr habe ich in Kiel auch Karl-Heinrich Trennt kennengelernt, keinen stand-up comedian, sondern Besitzer eines Tabakwarengeschäftes. Aber in seinem Laden, der schon damals ein kleiner Mythos war (eine Zeitung nannte ihn einmal den Kieler Hüter der Tabakkultur), haben sich Szenen von solch aberwitziger Komik abgespielt, dass man 'King' Trennt durchaus mit Bob Newharts Geschichte des Tabaks in einem Atemzug nennen kann.

Der Text des comedian Bob Newhart ist ein imaginiertes Telephongespräch zwischen dem Direktor der West Indies Company in London und Sir Walter Raleigh in Virginia. Das ja nach der virgin queen Virginia heißt, wo der Virginia Tabak herkommt. Den hatten sie damals schon, auch wenn sie vielleicht damals noch keine Telephone hatten. Damals war der Tabak noch etwas, was man mit dem Wort Genuss bezeichnete, und häufig wurde dieser Genuss geradezu zelebriert. Viktorianische Gentlemen zogen sich nach dem Essen in ein spezielles Zimmer zurück, manchmal zog man dafür ein spezielles smoking jacket an (nicht zu verwechseln mit unserem deutschen Smoking). Man wußte auch, wo und wann man rauchen durfte. Kein Gentleman wäre jemals auf die Idee gekommen, im Speisesaal eines Hotels zu rauchen. Heute muss das, was früher eine Selbstverständlichkeit war, durch Gesetze geregelt werden.

In einem der vielen Romane, die Anthony Powells großes Gesellschaftspanorama A Dance to the Music of Time bilden, bietet ein Offizier einem anderen eine Zigarette an. Aus der Schachtel. Er wird fürchterlich zurechtgewiesen. Mit dieser kleinen Geschichte illustriert der Autor, dass in England zu Beginn des Krieges ganze andere Leute Offizier werden als vorher. Vorher waren die Offiziere Gentlemen und wussten, dass man die Ziggis natürlich nur aus einem silbernen Zigarettenetui anbieten kann. In diese Welt hier passen keine Zigarettenschachteln.

Die Sitten bezüglich des Umgangs mit dem Tabak verfallen. König Friedrich I konnte noch in Meinung, dass der Gebrauch des Tabaks gegen alle böse Luft gut sei genüsslich im Tabakscollegium smöken, aber die Zeiten des kultivierten gesellschaftlichen Rauchens scheinen dahin (obgleich es in Bremen noch heute ein Tabakskollegium gibt und bei der Bremer Schaffermahlzeit selbstverständlich auch am Ende der Mahlzeit eine weiße Tonpfeife auf dem Tisch liegt). Überall Rauchverbot. In Luxushotels gibt es jetzt cigar lounges, aber da hocken meist nur reiche Schnösel, die an teuren Cohibas nuckeln und so tun, als ob sie etwas davon verstünden.

In diesen Zeiten, in denen Raucher zu einer verfemten, gejagten Spezies geworden sind, gibt es aber doch noch kleine Reservate, wohin sie sich zum Trost zurückziehen können. Also, mal davon abgesehen, dass sie von ihren Gastgebern auf den Balkon geschickt werden. Eins davon ist die Firma Th. Trennt in Kiel, die in diesen Tagen 140 Jahre alt wird. Und immer noch im Familienbesitz, das kriegen in unserer schnelllebigen Zeit nicht so viele Firmen hin.

Als die Firma 1870 begründet wird, beliefert sie vor allem Marineoffiziere mit Zigarren und macht sich wegen ihrer hervorragenden Qualitäten rasch einen Namen. Und den hat sie noch heute. Die Trennt Tabake wie TK 93Abu Riba und Smök mi versendet die Firma an Kunden in aller Welt. Wer in Kiel studierte, kaufte Tabak bei Trennt. Und wenn man nach dem Studium fortzog, dann bestellte man den Tabak eben per Post. Zigaretten kauften nur Ortsfremde bei Trennt, denn Karl-Heinrich Trennt hasste die billigen Zigarettentabake. Zerbröselte schon mal vor den Augen des Kunden die Zigaretten und fragte Und sowas wollen Sie rauchen? 

Wollte man in dem kleinen Laden in der Brunswik eine Pfeife kaufen, so bekam man nicht das, was man gerne haben wollte. Man bekam das, was Trennt fand, dass es richtig für einen sei. In den meisten Fällen eine rote englische Masta. Ich habe mich trickreich dagegen gewehrt und ihm erzählt, ich sei gar kein Pfeifenraucher, ich würde die Pfeife für einen Freund kaufen, und der hätte sich so etwas wie das da hinten gewünscht. Ich bekam, was ich wollte, aber der alte Trennt ist mir natürlich auf die Schliche gekommen. Er war ein Original, über das in Kiel tausend Geschichten kursierten, die wahrscheinlich alle wahr sind. Am besten wird er vielleicht durch einen Beschwerdebrief eines amerikanischen Professors aus Evanston (Illinois) an die Firma Trennt charakterisiert:

Ich hatte unlängst die Intention, mich in Ihrem Fachgeschäft bei einem Tabakeinkauf beraten zu lassen wurde jedoch durch die außergewöhnlich rüpelhafte Verhaltensweise eines Ihrer Angestellten - um einen solchen handelt es sich vermutlich - gewissermaßen 'abgeschreckt'. Ich zitiere: 'So einen Mist, den Sie rauchen, verkaufe ich nicht, das ist synthetisch, das ist Gift etc.etc.' Ich muß gestehen, daß mir bis jetzt noch auf keiner meiner jährlichen Europa-Reisen ein derartig flegelhaftes Benehmen entgegengebracht wurde und möchte somit insistieren, daß Sie Ihrerseits diesen Rüpel in dem für Handlungsgehilfen gebührenden Verhalten unterweisen!

Es ist dem geneigten Leser längst klar, dass der rüpelhafte Handlungsgehilfe niemand anderes als der Firmenchef Karl-Heinrich Trennt war (er ist der untere in der Portraitsammlung, der so nett lacht). Denn so war er, so haben wir Pfeifenraucher in Kiel ihn damals alle gekannt. Als er 1982 starb, trauerten in Kiel auch viele, die früher unter seiner rüpelhaften Verhaltensweise gelitten hatten. Das Geschäft in der Möllingstraße, das heute von seinem Sohn Jochen Gunnar Trennt geleitet wird, ist etwas luxuriöser als der kleine Laden in der Brunswick, in dem ich vor 45 Jahren die Kieler Legende Trennt kennenlernte.

Aber der Laden ist irgendwie völlig normal geblieben. Ist wahrscheinlich das beste Tabakgeschäft zwischen Hamburg und Kopenhagen, aber hat nix von Schickimicki an sich. Nichts von dieser Yuppie Klientele, die man in Hamburg oder München beobachten kann. Zigaretten werden dem Kunden jetzt auch nicht mehr aus dem Mund gerissen und auf dem Ladentisch zerbröselt. Zigaretten kann man bei Trennt auch kaufen, aber die sind Bückware, wie es vorgestern in den Kieler Nachrichten hieß.

Am 17. Juni 1870 hat Theodor Heinrich Trennt in der Brunswiker Straße in Kiel seine Cigarrenhandlung mit Fabrikation aufgemacht, am 17. Juni 2010 begrüsst Jochen Gunnar Trennt seine Kunden mit einem Glas Sekt in der Möllingstraße. Ich habe mir für das Schreiben dieses Textes eine alte Pfeife gestopft, die Gunnar Trennt mir mal vor dreißig Jahren verkauft hat. Und die mal dort ein neues Mundstück bekommen hat, denn einen Reparaturdienst für Pfeifen, den gibt es auch immer noch. Allerdings kommt in meine Pfeife keiner der Trennt Tabake, die mag ich nämlich nicht, de gustibus non est disputandum. Und als letztes sollen hier noch zwei Sätze stehen, die jeder Trennt Kunde kennt: Tabak trennt, aber Pfeiferauchen verbindet. Und für die Liebhaber des Plattdeutschen: Jeder Smöker hett sin Höker, De watt kennt swört op Trennt.

Meine herzlichen Glückwünsche zum Jubiläum gehen heute an Jochen Gunnar Trennt, der ein oder andere Kunde wird sich bestimmt in der Möllingstraße zum Gratulieren einfinden.

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