Montag, 21. Juli 2014

Manfred Sexauer


Manfred Sexauer ist gestern im Alter von 83 Jahren gestorben. Mike Leckebusch hatte dem Saarländer (der beim Saarländischen Rundfunk die Sendung Hallo Twen moderierte, die erste „Beat-Sendung“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) 1972 die Nachfolge als Moderator des legendären Beat Clubs angeboten. Von 1972 bis 1984 hat Sexauer die Sendung Musikladen für Radio Bremen im Ersten Deutschen Fernsehen präsentiert. Er war sozusagen Deutschlands erster DJ. Der aber nicht Peter Alexander, Heino oder die ➱Caprifischer auflegte, sondern all das, was man damals in England und Amerika auch hörte. Wir in Bremen, die wir in der Nachkriegszeit aufwuchsen, fanden das nicht so weit von unserer eigenen Musikkultur entfernt.

Denn wir waren mit der Musik von AFN und BFN aufgewachsen. Aber für konservative Fernsehzuschauer war die Sendung ein ewiges Ärgernis, vor allem, wenn da auch noch nackte ➱Go Go Girls auf dem Bildschirm zu sehen waren. Die Sendung Musikladen war das Tollste, was es damals in Deutschland auf dem Gebiet der Pop Music gab. Internationale Stars drängelten sich vor dem Bremer Funkhaus (ja, auch ➱Johnny Cash war da), um hier auftreten zu dürfen. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Mike Leckebusch ist schon lange tot, aber Uschi Nerke und Gerhard Augustin (den man den Paten des Krautrock nennt), die leben noch. Rechts auf diesem Photo von Uschi Nerke und Manfred Sexauer auf diesem Photo sitzt Alexis Korner. Der ist auch schon lange tot.

Uschi Nerke, die damals in rattenscharfen hot pants oder kurzem Minirock auf dem Bildschirm erschien, ist dem ganzen Showgeschäft entkommen. Sie ist Architektin geworden. ➱Gerhard Augustin hat sich (glücklicherweise) nie aus dem Dunstkreis der Musik lösen können. Rock'n Roll I gave you all the best years of my life. Es waren nicht nur Sänger und Gruppen aus dem Ausland, die nach Bremen kamen. Es gab da auch eine Gruppe aus dem Deutschland, das für uns ein Ausland war: 1977 traten die Puhdys als erste DDR-Band im Musikladen auf. Den Musikladen gibt es nicht mehr, aber die Puhdys gibt es immer noch, doch im nächsten Jahr wollen sie in Rente gehen. Sie können ihren Auftritt von 1977 in Bremen ➱hier sehen.

Der Intendant von Radio Bremen verdient heute 242.000. Wofür? Ich betrachte mein Gehalt als Schmerzensgeld, hatte der Intendant des NDR Friedrich Wilhelm Räuker einmal verlauten lassen. Schmerzensgeld? Sollte das nicht an die Radiohörer gezahlt werden, die diesen musikalischen Einheitsbrei aus Beyoncé, Lady Gaga, Shakira und Helene Fischer ertragen müssen? Die Tage der guten Pop Music scheinen vorbei, es fehlen den Rundfunkanstalten Leute wie Mike Lekkebusch, Gerhard Augustin, Klaus Wellershaus (der ➱hier schon einmal auftauchte) und Manfred Sexauer. An gutverdienenden Intendanten haben wir keinen Mangel. Von dem, was der Intendant von Radio heute verdient, hätte man damals wahrscheinlich ein ganzes Jahr den Beat Club oder den Musikladen finanzieren können. Uschi Nerke erinnert sich: 300 Mark zahlte mir Radio Bremen pro Sendung. Spesen bekam ich keine, Benzingeld gab's nicht. Die Moderatorin (die zuvor als Karina mal Schlager geträllert hatte) nähte sich ihre scharfen Klamotten häufig selbst. Nach den Vorgaben von Mike Leckebusch: Kurz, sexy, kein Flimmermuster, nichts Blaues - und ganz irre muss es sein! Mary Quant (die ➱hier einen Post hat) mag den Minirock erfunden haben, aber in Deutschland wurde er durch Uschi populär, deren Minirock manchmal eher wie ein breiter Gürtel aussah.

Manfred Sexauer (der durch das Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt wurde, weil er Millionen für die SOS Kinderdörfer gesammelt hat) und der Musikladen werden unvergessen bleiben. Und wenn Sie jetzt noch mehr Nostalgie haben wollen, The Story of Beat-Club: 1970-1972 (der Vorläufer des Musikladens) gibt es auf 8 DVDs. Das Beste aus dem Musikladen gibt es natürlich auch auf DVD. Ich dachte, ich stelle heute mal ein Gedicht hierher, das auch mit Pop Music zu tun hat. Es ist von Adrian Henri, einem der Liverpool Poets, der für den Mersey Sound mitverantwortlich ist. Den Penguin Band hier habe ich immer noch, meiner besitzt inzwischen eine Widmung von einem der drei Dichter, die in dem Band vorgestellt wurden. Das habe ich schon in dem Post ➱Kathedralen erwähnt. Das Gedicht von Adrian Henri heißt In the Midnight Hour (wenn Sie wollen, liest es der Dichter Ihnen ➱hier vor):

When we meet
in the midnight hour
country girl
I will bring you night flowers
coloured like your eyes
in the moonlight
in the midnight
hour 


I remember

Your cold hand
held for a moment among strangers
held for a moment among dripping trees
in the midnight hour

I remember

Your eyes coloured like the autumn landscape
walking down muddy lanes
watching sheep eating yellow roses
walking in city squares in winter rain
kissing in darkened hallways
walking in empty suburban streets
saying goodnight in deserted alleyways

in the midnight hour

Andy Williams singing `We'll keep a Welcome in the
Hillsides' for us
When I meet you at the station
The Beatles singing `We Can Work it Out' with James
Ensor at the harmonium
Rita Hayworth in a nightclub singing `Arcade Mia'

I will send you armadas
of love vast argosies of flowers
in the midnight hour
country girl

when we meet
in the moonlight
midnight
hour
country girl

I will bring you

yellow
white
eyes
bright
moon
light
mid
night
flowers
in the midnight hour.


Ich habe über die Bremer Musiksendungen Beat Club und Musikladen schon etwas in dem Post geschrieben, der ➱Elkie Brooks heißt. Ich habe auch schon über ➱Ingeburg Thomsen (die einst mit ➱Sexy Hexy in Manfred Sexauers Sendung war) geschrieben. Und dann kann ich noch den Post ➱Kulturwandel zur Lektüre empfehlen.

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