Was wäre aus dieser Malerin geworden, wenn die Nazis nicht gekommen wären? Elisabeth Steinecke hatte ihren ersten Malunterricht nach dem Abitur bei Gustav Adolf Schreiber gehabt, der ein Schüler von Gotthardt Kuehl gewesen war. 1935 gab sie ihr Malstudium in Berlin ohne Abschluss auf und kehrte in ihre Heimatstadt Bremen zurück. Die Nazis hatten ihren Lehrer Curt Lahs von der Berliner Hochschule für Kunsterziehung verjagt. Dass Hitler eine Gefahr war, das wusste die junge Frau schon länger. Als Schülerin am Kippenberg Lyceum hatte sie ihre Lehrerin gefragt, ob sie es für möglich halte, dass Gott Hitler gewollt hätte. Ihre Lehrerin hatte ihr geantwortet: Hitler kann auch das absolut Böse sein. Die Lehrerin hieß Magdalene Thimme, sie war wahrscheinlich Bremens bedeutendste Pazifistin. Elisabeth Steinecke blieb ihrer Lehrerin ihr Leben lang verbunden und stand ihr auch im Alter bei.
Elisabeth Steinecke wird heiraten und Kinder haben, die künstlerische Betätigung bleibt jetzt liegen. Da geht es ihr nicht viel anders als der Impressionistin Mathilde Vollmoeller nach ihrer Heirat. Aber nach dem Weltkrieg, aus dem ihr Mann nicht zurückkehrt, da hat sie eine zweite künstlerische Karriere. Und dafür brauchen wir mal eben den Heiligen Martin. Hier gemalt von El Greco. In hunderten von Darstellungen sehen Bettler und Ritter immer anders aus, die Farbe des zerteilten Mantels variiert. Die Teilung des Mantels geschieht in der Stadt Amiens, das hat mir 1959 in der Kathedrale ein Geistlicher erzählt. Und Notre Dame d'Amiens, wo Martin getauft wurde, hat hier schon einen Post. Ich brauche den Heiligen Martin wegen der Bremer St Martini Kirche. Diese Kirche an der Weser ist es natürlich wert, dass man hineinschaut, allein wegen der Orgel von Bockelmann. Sie ist vielleicht die schönste Bremer Kirche, wenn Sie diesen Post anklicken, kommen sie zu einem ganz, ganz langen kulturhistorischen Post über Kirchen. Es ist um die Martini Kirche immer still, sie liegt abseits vom Touristenstrom. Die Touris schaffen es doch bestenfalls noch bis zum Ende der Böttcherstraße. Hier ist Joachim Neander Pastor gewesen, der Neander, der Lobet den Herren geschrieben hat. Der Neander, nach dem man in Düsseldorf, wo er vorher war, ein kleines Tal benannt hat. Wo man eines Tages den Neandertaler findet. Das wusste früher in Bremen jedes Kind. Heute vielleicht nicht mehr, es steht schlecht um die Bildung in Bremen.
Von der Martinikirche war nach dem 137. Luftangriff vom 6. Oktober 1944 nicht viel übriggeblieben. Es ist nicht das letzte Bombardement Bremens, noch 35 Luftangriffe werden bis zum Mai 1945 folgen. Aber man hat die Kirche wieder aufgebaut. Die Orgel war nicht mehr zu retten, doch der kostbare Orgelprospekt ist erhalten, da man ihn vorher ausgelagert hatte. Man baut 1948 zuerst das Pastorenhaus neben der Kirche, das sogenannte Neanderhaus, wieder auf. Ab 1951 beginnt man unter dem Architekten Walter Siber mit dem Neubau der Kirche, die Arbeiten werden bis 1960 dauern. Man brauchte natürlich neue Glasfenster, Fenster gehen bei einem Bombenangriff als erstes zu Bruch.
Und das ist die Stunde von Elisabeth Steinecke, die 1955 mit der Glasmalerei begonnen hatte. Sie wird das sogenannte Hohe Fenster (Neanderfenster) in der Südwand (Bild), das Martinsfenster im Nordschiff und die acht Fenster im Chor schaffen. Handbemaltes Glas, im modernen Stil. 1959 hatte sie den Auftrag erhalten, da hatte sie schon für mehrere Kirchen die Glasfenster gestaltet. Die Prunkstücke sind natürlich das Neanderfenster und das Martinsfenster. Aber auch die kleinen Fenster haben ihren Reiz: Die Fenster im Chor erhielten eine kleinfigürliche Buntverglasung von herrlich satten Farben - nach Entwürfen von Elisabeth Steineke. Wenn die Morgensonne hindurchscheint, sieht es aus, als ob funkelnde Wandteppiche den Chorraum umgeben. Auf der Homepage der St. Martini Gemeinde wird zwar das Neanderfenster abgebildet, aber Elisabeth Steinecke wird mit keinem Wort erwähnt. Irgendwie ist das ein bisschen armselig.
Doch das wundert vielleicht nicht, denn die Gemeinde ist heute etwas seltsam. Dass hier 1904 zum erstenmal in Deutschland eine Frau auf der Kanzel stand, das würde sich heute unter Pastor Olaf Latzel nicht wiederholen. Der ist ein wenig rechtsradikal und stand schon wegen Volksverhetzung vor Gericht. Das ist jetzt weit weg von Emil Felden, der gegen den Antisemitismus kämpfte und von den Nazis entlassen wurde. Die bremische Landeskirche lässt den einzelnen Gemeinden alle Freiheiten, und das führt manchmal zu seltsamen Dingen. Ich zitiere mal eben aus dem Post Bremer Klausel: Das mit den theologischen Spinnern in Bremen hat übrigens mit der Reformation nicht aufgehört. Der Bischof von Hitlers Gnaden Heinz Weidemann, der damals den Dom so hübsch mit Naziemblemen dekorieren ließ und eine Bremer Kirche in Horst Wessel Kirche umtaufen wollte, war zweifellos ein Fall für die Psychiatrie. Und auch der Pastor Georg Huntemann, der sich nach dem Gottesdienst an der Kirchentür den Ring an der Hand küssen ließ, war nicht so ganz schussecht. Und der ehemalige Domprediger Günter Abramzik, der in der kleinen Bremer Revolution so vernünftig war, hat nach dem Aufkommen der Beweise für seine sexuellen Verfehlungen auch jede Autorität verloren.
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