Adieu foulards, adieu madras,
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Donnerstag, 31. August 2023
Vaterlandsverräter?
Adieu foulards, adieu madras,
Dienstag, 29. August 2023
Liberalismus, Menschenrechte, common sense und all das
Aus englischem Enlightenment
Diese unsterblichen Verse stammen aus dem Buch Die Philosophenwelt In Versen vorgestellt von Lutz Geldsetzer. Der gehört nicht der Neuen Frankfurter Schule an, wie man vermuten könnte, er ist ein richtiger Professor für Philosophie. So etwas gibt einem Hoffnung für das Fach. Ich kann mich heute auch sehr kurz fassen. Ich könnte natürlich sehr lang über Locke reden, weil der mal vor Jahrzehnten das Thema meiner mündlichen Doktorprüfung war, aber ich lasse das. Sagen wir einfach, dass Locke mit Hobbes zusammen auf dem Gebiet des Staatsrechts der wichtigste englische Philosoph des 17. Jahrhunderts ist. Und (ohne Hobbes) auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie nach Descartes überhaupt der wichtigste Philosoph ist. Gegen den common sense und die klare Sprache von Locke wirkt unser guter Immanuel Kant wie ein bedauerlicher Rückschritt der Philosophie.
Ich habe in dem Post über Augustinus den Philosophen Kurt Flasch herausgestellt, der uns, wie der hodegetos, der die blinden Pilger zum Gnadenbild der Madonna führt, zur mittelalterlichen Philosophie führen kann. Auch heute habe ich einige Wegführer für den Weg zu John Locke. Der amüsanteste ist Paul Strathern mit seinem Locke in 90 Minutes. Das ist ein Band aus der vorzüglichen Philosophers in 90 Minutes Series. Ist etwas anspruchsvoller, weil 87 Minuten länger, als dieses dreiminütige Video bei YouTube. Aber dennoch, man muss die Leistung von Paul Strathern in diesen light-hearted and idiosyncratic books (so der Verlagstext) bewundern.
Es ist auch kein Mangel an deutschsprachigen Einführungen in das Werk des Philosophen. In der Reihe der von Kurt Kusenberg begründeten rororo bildmonographien gibt es einen sehr guten Band von Udo Thiel, der (wie es das Wesen der Reihe ist) auch über den zurückhaltenden Menschen John Locke und seine Zeit sehr anschaulich informiert. Ist zwar leider vergriffen, aber man kann das Buch noch antiquarisch finden. Nicht vergriffen ist das Buch von Walter Euchner, das es in dieser exzellenten Zur Einführung Reihe des Hamburger Junius Verlags gibt. Das die NZZ bei seinem Erscheinen mit Es ist erfreulich, dass der Junius Verlag Walter Euchner als Autor für diese lesenswerte Locke-Monographie gewonnen hat kommentierte. Euchner hatte 1966 bei Iring Fetscher über John Locke promoviert, und Fetscher hatte auch dafür gesorgt, dass diese Dissertation in Buchform (bei der Europäischen Verlagsanstalt) einen größeren Leserkreis erreichte. 1996 erschien der Locke Band beim Junius Verlag, 2004 gab es eine überarbeitete Auflage. Und im Todesjahr von Euchner 2011 erschien die dritte Auflage. Daraus kann man sicher ablesen, dass John Locke doch noch Konjunktur hat.
John Locke bekommt von Zeit zu Zeit strange bedfellows, in den USA hat man ihn als Gewährsmann dafür zitiert, dass man keine wohlfahrtsstaatlichen Elemente in das amerikanische Sozialsystem integrieren dürfe. Aber wenn man sich das intellektuelle Niveau der politischen Diskussion in den USA heute betrachtet, dann mag man nicht an die Anfänge der Vereinigten Staaten zurückdenken. Als sie jemanden wie Thomas Jefferson hatten, der seinen John Locke sehr genau gelesen hatte und dessen Ideen von den bürgerlichen Freiheitsrechten in die Unabhängigkeitserklärung hinein geschrieben hatte. Thomas Jefferson wird Lockes Formel von Life, Liberty and Property durch Life, Liberty and the Pursuit of Happiness ersetzen.
Anders als David Hume, den my love of literarey fame, my ruling passion interessierte, hat John Locke von sich selbst nicht viel Wesens gemacht. Wir haben nicht so furchtbar viele Bilder von ihm, außer dem immer wieder reproduzierten, das Gottfried Kniller aus Lübeck gemalt hat. Der heißt jetzt Sir Godfrey Kneller und ist englischer Hofmaler, aber er ist kein wirklich guter Maler. Aber wenn man Knellers Bild aus dem Jahre 1697 (?), mit den zeitgenössischen Portraits von - in der Reihenfolge von oben nach unten: John Greenhill (1672 ?), Herman Verelst (1689) und Michael Dahl (1696) - vergleicht, können wir uns diesen John Locke ganz gut vorstellen. Zumindest äußerlich. Knellers Bild, das John Locke ohne Perücke und förmliche Kleidung zeigt (dafür kommt damals das Wort Negligé auf), hängt nicht in der National Gallery und nicht in der National Portrait Gallery. Der Enkel von Horace Walpole hatte das von seinem Großvater geerbte Portrait in Geldnöten an die russische Zarin verkauft. Katharina wusste, was sie da kaufte, sie hatte ihren John Locke gelesen.
Lockes Grabstein, von dem er annahm, dass der bald so vergangen und vergessen sei wie er selbst (Memorat haec tabula brevi et ipse interitura), zieren lateinische Sätze. Von denen einer lautet: Hoc ex scriptis illius disce, quae quod de eo reliquum est majori fide tibe exhibebunt, quam epitaphii suspecta elogia. Wir würden mehr über ihn aus seinen Schriften erfahren, die ihn genauer zeigten als eine zweifelhafte Lobrede. Und in seinen Schriften ist er erstaunlich lebendig, das auch noch nach 390 Jahren. Nehmen wir einmal den Anfang von An Essay Concerning Human Understanding:
Sonntag, 27. August 2023
mal ganz persönlich
Der Ledersessel, in dem ich hier sitze, den kennen Sie. Er hat schon einen Post: Der Sessel vor dem Schrank. Jetzt können Sie den dort erwähnten Schrank auch noch sehen. Voll mit der besten Kriminalliteratur der Welt und der gesamten Sekundärliteratur zu dem Thema. Unten an den Schrank gelehnt sind zwei Schreibbretter der Firma Leitz. Griffbereit, hier schreibe ich, wenn ich mit der Hand schreibe. Auf dem Schrank liegt der ganz große Webster, Arno Schmidts Abend mit Goldrand, die Guinness Encyclopedia, einige Photobände und ein Katalog von meinem Onkel Karl. Rechts daneben ist ein Plastikkasten mit dicken fetten Uhren. Also zum Beispiel der Doxa, die Dirk Pitt trägt, der gefälschten Rolex, die mir mein Uhrmacher geschenkt hat, der schönen Uhr mit dem AS 5008, der Aquastar Geneve, die Sie in den Post Blazer sehen können, und solchen Sachen.
Die Uhr, die ich am Handgelenk trage, ist die IWC GST, die ich vor Jahrzehnten bei einem literarischen Preisrätsel der IWC gewonnen habe. Die Uhr am Arm wechselt täglich. Es hätte auch eine Junghans sein können. Oder diese potthässlich schöne Zentra Safari aus den siebziger Jahren, die im Augenblick meine Lieblingsuhr ist. Hat mich 39 Euro gekostet. Wollte ich mir die IWC neu kaufen, wäre das hundert mal so teuer. Auf dem Fensterbrett stehen einige kleine Scrimshaw Figuren. Eine davon hat mir Kapitän Biet geschenkt, die hat er in Kanada in der Gefangenschaft geschnitzt, nachdem die Engländer sein Schiff versenkt hatten. Rechts neben den Scrimshaw Figuren steht die schöne blaue Björn Wiinblad Vase, die schon in dem Post Geburtstagsfeier zu sehen ist.
Links am Bildrand ist ein Teil eines Stuhls zu sehen, der sehr alt ist. Ein pensionierter Kapitän hat mir den Empirestuhl vom Flogmarkt repariert. Ich habe ihn mit demselben roten Stoff beziehen lassen, mit dem mein Biedermeiersofa im Zimmer nebenan bezogen ist. Die Teppiche, die Sie sehen, sind echt. Darf man heute noch Perserteppiche sagen? Unter den Teppichen ist ein schöner Holzboden. In der rechten Bildhälfte sehen Sie angehäufte Bücherberge. Das sieht durch die Perspektive des Mobiltelephons schlimmer aus, als es ist. Aber es ist schon wahr, der ganze Designertisch, den ich mal billig gekauft habe, ist voll mit Büchern. Die sind überall. Hinter dem Vorhang hängt ein Bild von Fritz Overbeck, ich habe es geerbt, aber ich mag das Bild nicht. Es ist hinter dem Vorhang gut aufgehoben. Es sind ja Bilder genug an den Wänden. Die beiden fünf Meter Wände voller Bücher sind nicht auf dem Handyphoto zu sehen, das ein Freund von mir am frühen Morgen gemacht hat. Dass viel Licht ins Zimmer kommt, kann auf dem Photo sehen, Wohnzimmer und Arbeitszimmer liegen nach Süden. Wenn ich auf der anderen Seite des Platzes wohnen würde, hätte ich einen besseren Fernsehempfang, hat mir der TV Techniker gesagt. Aber die Sonne in der Wohnung ist mir wichtiger als das Fernsehen.
Ich trage unter meinem blauen Sweatshirt ein italienisches Luxushemd, das ist meine ständige Bekleidung. Die Sweatshirts, Hemden und Hosen wechseln. Hier auf dem Bild ist es eine Hose von Dietmar Kirsch in Hamburg, der Porschefahrer hat seinen Laden direkt neben dem Hotel Vier Jahreszeiten. Mehr geht nicht. Im Nebenzimmer steht mein Schreibtisch, Eiche massiv um 1900. Der war schon in der Wohnung, als ich einzog, er ist eigentlich sehr häßlich, ist aber sehr praktisch. Auf dem Schreibtisch steht der neue Samsung Bildschirm, der jetzt unter sich diese wahnsinnige Mackie Soundbar hat.
Mein Mac Mini steht auch auf dem Schreibtisch, der nimmt soviel Platz ein wie der Harvard Guide to American History. Der Computer ist jetzt sieben Jahre alt, ich solle mich mit dem Gedanken vertraut machen, dass ich bald einen neuen brauche, hat Herr Kraus letztens gesagt. Der Vorgänger des Computers hat auch sieben Jahre gehalten, aber noch funktioniert Mac Mini Nummer 2 recht gut. In dem Zimmer mit dem Schreibtisch und dem Biedermeiersofa steht auch mein Klavier. Es wird weniger benutzt als der Computer. Ich glaube, dass das ein Fehler ist. Es gefällt mir nicht, wie abhängig ich von dem Computer geworden bin. Andererseits liebe ich es zu schreiben, auch wenn ich mich ständig vertippe. Und Sie wären unglücklich, wenn es hier nichts zu lesen gäbe.
Freitag, 25. August 2023
Mods MOD modding
Es ist immer sehr komisch, wenn Luxusgüterfirmen behaupten, dass sie etwas Einmaliges produzieren. Und den Kunstcharakter ihrer Produkte vor Gericht reklamieren. Rolex hat vor Jahren einmal behauptet, dass ihre Uhren Kunstwerke seien, die nicht verändert werden dürften. Das ist eine neue Variante von Walter Benjamins Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Da hatten sich Rolex Besitzer bei einem Juwelier eine Diamantlünette auf ihre Rolex basteln lassen. Also das, was in Zuhälterkreisen Scherbenkranz heißt. So etwas hat Rolex auch im Angebot, ist aber woanders billiger. Bei ebay Kleinanzeigen werden diese Teile als Rolex Aftermarket angeboten. Rolex hatte diese Uhren einbehalten, als die zum Kundendienst kamen. Weil es ja Kunstwerke sind, die man nicht verändern darf. Das oberste Gericht urteilte mit gesundem Menschenverstand, dass jeder Käufer mit seiner Rolex machen kann, was er will. Er kann sie grün anmalen, wenn ihm das gefällt. Ist eine echte Alternative.
Montag, 21. August 2023
Lilliehorn
Das ist der schwedische König Gustav III, er stammt aus dem Hause Schleswig-Holstein-Gottorf. Schon sein Vater war schwedischer König, der erste aus dem Hause Schleswig-Holstein-Gottorf. Gustavs Mutter war die Schwester von Friedrich II. Als sein Vater 1771 starb, war der junge Mann gerade in Paris. Der schwedische Reichsrat legte ihm eine Verpflichtung auf die bestehende Verfassung zur Unterschrift vor. Er unterschreibt, aber er wird das nicht einhalten. Am 21. August 1772 wird der schwedische Reichsrat durch Androhung von Waffengewalt von ihm gezwungen, eine neue Verfassung zu billigen, die die Macht des Adels einschränkt. Staatsstreiche kommen meistens von unten, dies ist ein Staatsstreich von oben. Gustav wird zwanzig Jahre auf dem schwedischen Thron sitzen, wird Kunst und Kultur fördern. Gustaviansk nennen die Schweden diese Zeit der Reformen und der kulturellen Blüte. Dann werden sich einige schwedische Grafen verschwören, und einen Mordplan vorbereiten. Sie erscheiden durch Los, wer von ihnen den König töten soll. Ein Maskenball in der Königlichen Oper von Stockholm, die Gustav gegründet hatte, scheint ihnen die beste Gelegenheit für ihre frevlerische Tat.
Einer der Verschwörer ist Carl Pontus Lilliehorn, ein Offizier der Leibgarde. Sein Vater war auch Offizier, sein älterer Bruder wird General werden. Über Carl Pontus Lilliehorn können wir 1811 in einem Lexikon lesen: Lilienhorn, Staabsoffizier in der schwedischen Garde. Unterrichtet von dem Anschlage gegen das Leben des Königs Gustav III., ließ er an dem Tage der Vollziehung dem Fürsten ein Billet zustellen, in welchem er ihn vor der Gefahr, der er im Ballsaale entgegen ginge, warnte, mit dem Zusatze, daß wenn er auch nicht unter seine Freunde gehörte, er doch nicht einer seiner Mörder seyn wollte. Man arretirte ihn den 22. März in Folge dieses Ereignisses, und er wurde den 1. Juny zum Verlust seines Lebens, seiner Ehre und seiner Güter verurtheilt, weil er bey dieser Gelegenheit nicht vollkommen seiner Pflicht zur Rettung seines Souverains nachgekommen sey; allein nach dem ausdrücklichen Wunsche des Königs wandelte der Regent die Strafe in eine lebenslängliche Landesverweisung um, und ließ ihn den 15. August über die Gränze bringen.