Am 16. August 1780 hatte die Armee von Lord Cornwallis bei Camden die amerikanischen Truppen geschlagen, das haben Sie schon in dem Post miles gloriosus gelesen. Es ist für Cornwallis noch nicht die letzte Schlacht, die er im Süden der heutigen USA schlagen muss. Die Schlacht bei Guildford Courthouse hatte ein überwältigender Sieg sein sollen, war aber letztlich ein Pyrrhussieg. We fight, get beat, rise, and fight again, wird der amerikanische General Nathanael Greene schreiben. There are few Generals that have run oftener, or more lustily than I have done... But I have taken care not to run too far and commonly have run as fast forward as backward, to convince our enemy that we were like a crab, that could run either way. Und dann ist da noch die Schlacht von Cowpens (die hier schon einen Post hat), eine militärische Katastrophe für die Engländer. Und es wird noch schlimmer kommen.
Denn wenn diese beiden Herren in Yorktown ihre Befehle zum Angriff geben, geht es für die Engländer zuende. Seit dem Sommer 1780 sind Franzosen in Amerika, das ist die sogenannte Expédition Particulière unter dem Comte de Rochambeau (der hier schon einen Post hat), 450 Offiziere und 5.300 Soldaten. Rochambeau und George Washington verstehen sich vorzüglich, obgleich Washington kein Französisch spricht (dafür ist aber sein Latein gut). Der Comte de Rochambeau kann kein Englisch, aber man hat ihm in Paris zwei Übersetzer mitgegeben.
Wenn die Übersetzer nicht weiterwissen, haben Rochambeau (Bild) und Washington noch Generäle an ihrer Seite, die mehrsprachig sind. Washington vertraut auf den Marquis de Lafayette, Rochambeau auf den Marquis de Chastellux. Der ist nicht nur ein General, der fliessend Englisch spricht, er ist auch noch Schriftsteller und Mitglied der Académie Française. Die Herren Generäle diskutieren den Winter von 1780-81 über Taktik und Strategie. Soll man New York angreifen (was Washington gerne möchte) oder mit dem vereinigten Heer nach Virginia ziehen? Rochambeau ist dafür, Cornwallis in Yorktown anzugreifen, aber er will erst die Meinung von Admiral de Grasse hören, der mit einer Flotte von sechsundzwanzig Linienschiffen vor Saint-Domingue liegt. Der Comte de Grasse plädiert für Yorktown, in der Chesapeake Bay kann eine Flotte besser navigieren als im Hafen von New York. Er verspricht auch, einige tausend Soldaten mitzubringen.
Washington und Rochambeau machen sich im Juni 1781 mit ihren Truppen auf den tausend Kilometer langen Weg von Newport, Rhode Island (wo später das berühmte ✺Jazz Festival sein wird), zur Chesapeake Bay. Das ist heute die sogenannte Washington–Rochambeau Revolutionary Route. In der Mitte des Weges muss sich Washington Geld von Rochambeau leihen, er kann seine Soldaten nicht mehr bezahlen. Der Marsch wird vierzehn Wochen dauern. Am Ende hat Washington die Gelegenheit, zum ersten Mal seit 1775 wieder einmal seinen Landsitz Mount Vernon zu sehen. Der Comte François Joseph Paul de Grasse hält sein Wort und segelt los. Er wählt allerdings nicht die übliche Route, um die Engländer zu irritieren. Der englische Admiral George Rodney glaubt, dass ein Teil der französischen Flotte jetzt nach Europa zurückkehren würde, weil die Saison der gefürchteten Hurrikane naht. Er selbst segelt nach England zurück und lässt den Rear Admiral Sir Samuel Hood mit einer Flotte von nur 11 Linienschiffen zurück.
In Newport liegt noch eine zweite kleine französische Flotte, befehligt von dem Comte de Barras. Der wollte eigentlich eine kleine Expedition gegen Neufundland beginnen, aber Rochambau überredet ihn, stattdessen Soldaten, Verpflegung und Munition in den Süden zu transportieren. Er macht es, aber er macht es ungern, de Grasse ist der Dienstältere, der hat das Sagen und hat eine viel größere Flotte als er. Ende August verlässt Admiral Barras mit acht Linienschiffen, vier Fregatten und 18 kleineren Transportschiffen den Hafen von Newport. Was sich Rochambeau und Washington im Mai 1781 in einer mehrtägigen Konferenz im Haus von Joseph Webb in Wethersfield ausgedacht haben, ist ein genialer, aber etwas irrwitziger strategischer Plan. Eine amerikanisch-französische Armee auf einem Marsch von tausend Kilometern, bei dem Flüsse und Meerengen überwunden werden müssen. Zwei französische Flotten, die ständig der Royal Navy ausweichen müssen - alles kann schiefgehen.
Als erstes geht etwas für die Engländer schief. Der Admiral Hood (hier auf dem 1784 gemalten Portrait von James Northcote) taucht am 25. August 1781 vor der Chesapeake Bay auf. Aber da sind keine Franzosen. Kein einziges Schiff. Er segelt mit seinen elf Schiffen nach New York zurück. Dabei hätte er auf den französischen Admiral de Barras treffen können, aber das Schicksal will das glücklicherweise nicht. Horatio Nelson hat Hood the greatest sea officer I ever knew, great in all situations which an admiral can be placed in genannt. Doch die Historikerin Barbara Tuchman sieht dieses Lob kritisch: Nelson was habitually overkind to his officers, and in this case rated Hood more highly than he deserved; his tribute cannot apply to situations in America in which Hood, on a number of occasions, was not only not great but something less than adequate.
In New York begegnet Hood seinem Kollegen Admiral Thomas Graves (hier von Gainsborough gemalt). Der hat zwar nur fünf Schiffe, ist aber sein Vorgesetzter, weil er gerade zum Kommandeur der North America and West Indies Station eingesetzt worden ist. Er wird diese Stellung nur wenige Monate lang innehaben. Die letzten Wochen hatte Graves erfolglos damit verbracht, irgendwo auf dem Atlantik den Konvoi von Colonel John Laurens zu finden, der Nachschub für die Amerikaner aus Frankreich bringt. Die patriotschen Taten von John Laurens und seinem Vater Henry Laurens werden hier schon erwähnt. Graves kann den frisch geadelten Baron Hood nicht ausstehen. I know no-one whatsoever that I should have wished in preference to my old friend Sir Samuel Hood, schreibt er an die Admiralität. Aber im Kreis seiner Offiziere sagt er: They might as well have sent me an old applewoman.
Die englischen Admiräle Graves und Hood haben nicht lange Zeit, um Konversation zu machen oder ihre Schiffe seetüchtig zu machen, denn am 30. August erreicht Admiral de Grasse die Chesapeake Bay. Die Truppen, die er anlandet und alles, was er mitbringt, hat der französische Edelmann aus der eigenen Tasche bezahlt. Es ist nur gerecht, dass de Grasse zusammen mit Rochambeau und Washington auf dieser amerikanischen Briefmarke als Sieger von Yorktown abgebildet ist. Auch wenn er nie einen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hatte. George Washington wird ihm später einen Dankesbrief schreiben, in dem der Satz steht: You were the arbitrator of the war.
Denn genau das ist der Comte de Grasse. Sein Sieg in der Seeschlacht vom 5. September 1781 entscheidet den Revolutionskrieg. Hätten die Engländer einen Horatio Nelson gehabt, wäre die Sache vielleicht anders ausgegangen, aber sie haben nur Hood (der something less than adequate ist) und Graves. Über den hat der englische Marinehistoriker Michael Lewis gesagt: he had lost no engagement, no ships, none was lost on either side. He had merely lost America. Nach der Seeschlacht vom 5. September, die nur zweieinhalb Stunden dauert, belauern sich die englische und die französische Flotte noch zwei Tage lang, treiben hinunter bis Cap Hatteras. Dann segelt Graves mit seiner Flotte, die zum großen Teil aus schwimmendem Kleinholz besteht, nach New York zurück. Er wird die Schuld auf sich nehmen, obgleich jeder weiß, dass Hood der große Versager war. Der französische Admiral de Barras ist mittlerweile mit seiner Flotte in der Chesapeake Bay gelandet und hat die Kanonen ausgeladen, die Washington und Rochambeau für die Belagerung von Yorktown so dringend brauchen.
Der englische Historiker Thomas Babington Macaulay hatte seinen Kollegen empfohlen, so zu schreiben wie Sir Walter Scott. Damit betonte er das Erzählerische, das ein Historiker besitzen sollte. Neuerdings heißt das Schlagwort dafür narrative history. Wenn irgendjemand das beherrscht, dann ist es die amerikanische Historikerin Barbara Tuchmann gewesen: Tuchman writes narrative history in the great tradition ... A persuasive book, which brings us entertaining pictures, scenes and characters, schrieb die Chicago Tribune in ihrer Rezension zu The First Salute (Der erste Salut). Man ist als Leser zuerst ein wenig all at sea, wie der Engländer sagt. Ein wenig ratlos. Was haben die Schiffe, Flotten und Admiräle mit Amerikas Revolutionskrieg zu tun? Aber dann wird es uns klar: der Unabhängigskeitskrieg wird nicht durch die Überquerung des Delaware, nicht durch den Sieg von Saratoga oder die Schlacht von Cowpens gewonnen. Er wird durch die Seeschlacht vor der Chesaspeake Bay gewonnen. Um nichts anderes geht es. The Battle of Chesapeake Bay was one of the decisive battles of the world. Before it, the creation of the United States of America was possible; after it, it was certain, schreibt Michael Lewis The History of the British Navy.
Cornwallis ist jetzt in Yorktown abgeschnitten, am 19. Oktober muss er sich ergeben. Die amerikanische Militärkapelle spielt ✺The World Turned Upside Down.
Denn genau das ist der Comte de Grasse. Sein Sieg in der Seeschlacht vom 5. September 1781 entscheidet den Revolutionskrieg. Hätten die Engländer einen Horatio Nelson gehabt, wäre die Sache vielleicht anders ausgegangen, aber sie haben nur Hood (der something less than adequate ist) und Graves. Über den hat der englische Marinehistoriker Michael Lewis gesagt: he had lost no engagement, no ships, none was lost on either side. He had merely lost America. Nach der Seeschlacht vom 5. September, die nur zweieinhalb Stunden dauert, belauern sich die englische und die französische Flotte noch zwei Tage lang, treiben hinunter bis Cap Hatteras. Dann segelt Graves mit seiner Flotte, die zum großen Teil aus schwimmendem Kleinholz besteht, nach New York zurück. Er wird die Schuld auf sich nehmen, obgleich jeder weiß, dass Hood der große Versager war. Der französische Admiral de Barras ist mittlerweile mit seiner Flotte in der Chesapeake Bay gelandet und hat die Kanonen ausgeladen, die Washington und Rochambeau für die Belagerung von Yorktown so dringend brauchen.
Der englische Historiker Thomas Babington Macaulay hatte seinen Kollegen empfohlen, so zu schreiben wie Sir Walter Scott. Damit betonte er das Erzählerische, das ein Historiker besitzen sollte. Neuerdings heißt das Schlagwort dafür narrative history. Wenn irgendjemand das beherrscht, dann ist es die amerikanische Historikerin Barbara Tuchmann gewesen: Tuchman writes narrative history in the great tradition ... A persuasive book, which brings us entertaining pictures, scenes and characters, schrieb die Chicago Tribune in ihrer Rezension zu The First Salute (Der erste Salut). Man ist als Leser zuerst ein wenig all at sea, wie der Engländer sagt. Ein wenig ratlos. Was haben die Schiffe, Flotten und Admiräle mit Amerikas Revolutionskrieg zu tun? Aber dann wird es uns klar: der Unabhängigskeitskrieg wird nicht durch die Überquerung des Delaware, nicht durch den Sieg von Saratoga oder die Schlacht von Cowpens gewonnen. Er wird durch die Seeschlacht vor der Chesaspeake Bay gewonnen. Um nichts anderes geht es. The Battle of Chesapeake Bay was one of the decisive battles of the world. Before it, the creation of the United States of America was possible; after it, it was certain, schreibt Michael Lewis The History of the British Navy.
Cornwallis ist jetzt in Yorktown abgeschnitten, am 19. Oktober muss er sich ergeben. Die amerikanische Militärkapelle spielt ✺The World Turned Upside Down.
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