Dienstag, 16. August 2011
Cowpens
Heute ist der Jahrestag der Schlacht von Camden, wo die Amerikaner unter Führung von General Horatio Gates so fürchterlich verloren haben. Und der feige Gates sicherheitshalber erst einmal getürmt ist. Ich hatte das schon erwähnt, als ich über ➱Nathanael Greene schrieb. Und ich nehme das Datum einmal zum Anlass, das Versprechen einzulösen, über die denkwürdige Schlacht von Cowpens und den General Daniel Morgan zu schreiben.
Die ➱Baronin Riedesel, die ihrem Gatten nach Amerika gefolgt war, hat uns in ihrem Buch Die Berufs-Reise nach America. Briefe der Generalin Riedesel auf dieser Reise und während ihres siebenjährigen Aufenthaltes in America zur Zeit des dortigen Krieges in den Jahren 1777 bis 1783 nach Deutschland geschrieben ein lebendiges Bild von ihrer Zeit in Amerika während des Unabhängigkeitskrieges hinterlassen. Sie mokiert sich darin auch über amerikanische Offiziere, die vor dem Krieg einfache Handwerker waren. Das kann man sich in deutschen Adelskreisen einfach nicht vorstellen. Allerdings hat auch Washington ähnliche Vorstellungen von einem Offizier. Er feuert einen Captain, der vorher Friseur war und jetzt seiner Kompanie die Haare schneidet. Irgendwo sind Grenzen. Ganz bestimmt hat Daniel Morgan der Baronin Riedesel nicht gefallen, denn der grobschlächtige ungebildete Mann begann sein Berufsleben als Fuhrunternehmer, den Spitznamen Old Waggoner hat er sein Leben lang getragen. Er kann immerhin lesen und schreiben, wir sollten aus der Orthographie der wenigen erhaltenen Briefe nicht auf seine Intelligenz schliessen. Amerikaner können keine Rechtschreibung! Das sieht in den Manuskripten von Hemingway und Fitzgerald nicht anders aus als bei dem Old Waggoner. Die Baronin Riedesel hat in Saratoga ja noch mal Glück gehabt, dass sie nach der für die Engländer (und ihren Gatten) schmähliche Kapitulation nicht mit dem Colonel Morgan am Tisch sitzen musste, weil sie der nette General Schuyler in sein Zelt eingeladen hatte.
Wenn wir John Trumbull trauen dürfen, dann hat Daniel Morgan in Saratoga (einer Schlacht, die seine Elitetruppe aus Virginia mitentschieden hat) so ausgesehen, wie auf diesem Bild. Es ist nicht die Uniform, die die amerikanischen Generäle Schuyler, Glover und Whipple neben ihm tragen. Oder Horatio Gates in der Bildmitte. Der mit der Schlacht wenig zu tun hat, sich aber als Sieger feiern lässt. Daniel Morgan trägt wie sein berühmtes 11. Virginia Regiment ein hunting shirt (dies ist allerdings die Gala-Ausführung). Das wird ➱Mode machen. Auch Washington (der so etwas natürlich nie trägt) und der Kongress sind von dem Teil begeistert. Weil es viel preiswerter in der Herstellung (sei es Leinen oder Hirschleder) ist als eine richtige Uniform. Was durch James Fenimore Coopers Lederstrumpf eines Tages berühmt wird, tragen die Scharfschützen von Morgan jetzt schon.
Sie sind bei den Engländern gefürchtet. Morgan hat nur Leute in seinem Regiment aufgenommen, die mit dem ersten Schuss ein Ziel von der Größe eines Kopfes auf 100 Yards trafen. Der Fama noch soll die Zielscheibe ein Abbild von König Georg gewesen sein. So etwas finden die Engländer schlichtweg not fair, man schießt nicht aus der Ferne auf Offiziere. Die Engländer haben auch eine Truppe von Scharfschützen, kommandiert von Major Patrick Ferguson, in Amerika. Der hat auch ein Gewehr erfunden, das seiner Zeit hundert Jahre voraus ist. Kein Vergleich mit der Brown Bess Muskete der Army. Aber man wird dieses Gewehr nicht in großen Zahlen bauen und einsetzen, Patrick Fergusons sharp shooters spielen nur eine marginale Rolle in dem Krieg. Und dabei hätte er George Washington (er wusste nicht, dass es Washington war) erschiessen können, aber er hat es gelassen. Er fand es disgusting: As I was with the distance, at which in the quickest firing, I could have lodged a half dozen balls in or about him before he was out of my reach, I had only to determine, but it was not pleasant to fire at the back of an unoffending individual who was acquitting himself coolly of his duty, and so I let him alone. Morgan hat keine Schwierigkeiten, seinen Leuten zu befehlen, auf die Offiziere und die Sergeanten zuerst zu schießen.
Der Krieg in Amerika hat, vor allem seit er sich in den Süden verlagert hat, andere Formen angenommen als es die Engländer von ihren Kriegen in Europa gewöhnt sind. Da führt man noch (auf jeden Fall bis zu Napoleons levée en masse) das, was Historiker den Kabinettskrieg nennen. Feste Regeln und Reglementierungen. Hatte es schon seit dem Mittelalter gegeben, da gab es schon Schiedsrichter, deren Hauptaufgabe es war, sich auf den Namen der Schlacht (nach dem nächsten Adelssitz) zu einigen. Und zu erklären, wer gewonnen hatte. Es war festgelegt, wer wen gefangen nehmen durfte, wer wen erschlagen durfte. Aber Gesetze sind offensichtlich dafür da, um gebrochen zu werden. Die Frucht vom Baum der Erkenntnis wird unerlaubt gegessen. Der Sündenfall des "zivilisierten" Krieges findet spätestens in der Schlacht von Azincourt statt, als die walisischen Bogenschützen anfangen, die adligen französischen Ritter zu erschlagen.
Die Europäer hatten schon vor dem Revolutionskrieg den Krieg einmal nach Amerika getragen. Was bei uns Siebenjähriger Krieg heißt, heißt in den Kolonien French and Indian War, und da bekommt der Krieg eine neue Dimension der Grausamkeit. James Fenimore Coopers ➱Version von dem massacre of Fort William Henry ist ja noch eine nette Version von dem, was in Amerika in diesen neun Jahren geschieht. Der junge Daniel Morgan ist (wie der junge George Washington) dabei gewesen. Er hat einmal einen englischen Offizier verprügelt, was ihm 499 Peitschenhiebe einbringt. Normalerweise ist der Delinquent dann tot, Morgan wird das überleben. Und die Engländer ewig hassen. Die Narben wird er sein Leben lang zeigen. Auch in der Nacht vor der Schlacht von Cowpens.
Daniel Morgans Gegner ➱Banastre Tarleton heißt bei den Amerikaner nur Bloody Ban, er soll Amerikaner niedergemetzelt haben, die sich längst ergeben hatten. Tarleton's quarter wird daraufhin das Umbringen wehrloser Gegner heißen. Beide Seiten betreiben das, der French and Indian War und viele kleine Indianerkriege (an denen Morgan auch teilgenommen hat) haben eine neue Dimension der Grausamkeit in die Kolonien gebracht. Francis Marion, den man den swamp fox nennt, erfindet den Guerrilakrieg. Der Kabinettskrieg ist eine Sache der Vergangenheit.
In der Nacht vor der Schlacht von Cowpens schläft Daniel Morgan nicht, er schleppt sich mit seinen kaputten Bandscheiben (ein Ergebnis des Kanadafeldzuges, das er als a glimmering glimpse of eternity bezeichnete) von Lagerfeuer zu Lagerfeuer und redet mit jedem. Besonders den jungen Freiwilligen von der Miliz, die keinerlei militärische Erfahrung haben. Er hat einen einfachen Plan, und er will, dass ihn jeder versteht. Kein General in Europa käme in diesem Jahrhundert auf die Idee, einen einfachen Plan zu haben und ihn in der Nacht vor der Schlacht seinen Soldaten zu erklären. Morgan baut seinen Plan darauf auf, dass sein Gegner Tarleton heißt, und der hat einen one track mind. Der beau sabreur der Engländer kann nur angreifen, Nachdenken ist bei ihm nicht.
Tarleton ist mit seinen Truppen unweit der Kuhpferche des Herrn Hannah, nach denen die Schlacht heißt. In der Eiseskälte der Dunkelheit (wir haben Januar) hetzt er sie, manchmal im Laufschritt, zum Schlachtfeld. Er weiß von seinen Spionen, dass der größte Teil von Morgans Truppen aus Milizsoldaten besteht. Für die hat er nur Verachtung übrig, sie waren ja auch bei Camden gleich weggelaufen - aber da hatte auch niemand die ganze Nacht mit ihnen geredet. Sie können auch nicht weglaufen. Auf jeden Fall, nicht sehr weit. Hinter ihnen ist der Broad River, das hat General Morgan so ausgesucht. Die Engländer haben bestenfalls vier Stunden in den letzten vierundzwanzig Stunden geschlafen, sie sind durch den Gewaltmarsch fix und fertig, als ihnen Tarleton bei Sonnenaufgang um 6.45 den Angriff befiehlt. Sie brauchen sich nicht mehr lange zu plagen, eine Stunde später ist alles vorbei, und beinahe die ganze Truppe von Tarleton ist tot oder in Gefangenschaft. The most serious calamity since Saratoga, wird einer der Offiziere aus Lord Cornwallis' Stab sagen. Es ist der Anfang vom Untergang der englischen Armee von Lord Cornwallis. Seldom has a battle, in which greater numbers were not engaged, been so important in its consequences as that of Cowpens, hat John Marshall gesagt.
Der Hergang der Schlacht ist schnell erzählt, jeder Stammtischstratege kann das. Fünftklässler einer amerikanischen High School stellen ihre Cowpens ➱Videos ins Netz (wenn Sie eine visuelle Hilfe brauchen, nehmen Sie ➱dieses Video). Auch der deutsche Wikipedia Artikel ist brauchbar, wenn auch in der Terminologie etwas seltsam (auf einer Heeresoffiziersschule war der Verfasser wohl nicht).
Daniel Morgan ist der archetypische amerikanische Held der frontier Gesellschaft (obwohl Daniel Boone bekannter geworden ist als er). Er scheint aus dem Nichts zu kommen, man weiß nichts über seine Herkunft und seine Familie. Er ist tough, stärker als all die Helden, die John Wayne gespielt hat. Er ist schnell beleidigt, und quittiert irgendwann den Dienst, weil man ihn bei der Beförderung zum General immer wieder übergangen hat. Aber als Horatio Gates die Schlacht von Camden verloren hat und die Continental Army im Süden vor ihrer Auflösung steht, da schleppt er sich mit seinem kaputten Rücken wieder auf das Schlachtfeld. Und schlägt die verhassten Briten in einer Stunde. Danach ➱schreibt er an seinen Vorgesetzten Nathanel Greene: Dear Sir, The Troops I had the Honor to command have been so fortunate as to obtain a compleat Victory over a Detachment from the British Army commanded by Lt Colonel Tarlton. The Action happened on the 17th Instant about Sunrise at the Cowpens. It perhaps would be well to remark, for the Honour of the American Arms, that Altho the Progress of this Corps was marked with Burnings and Devastations & altho’ they have waged the most cruel Warfare, not a man was killed, wounded or even insulted after he surrendered. Had not Britons during this Contest received so many Lessons of Humanity, I should flatter myself that this might teach them a little, but I fear they are incorrigible.
Und er beendet den Brief mit den Sätzen From our Force being composed of such a Variety of Corps, a wrong Judgment may be formed of our Numbers. We fought only 800 men, two thirds of which were Militia. The British with their Baggage Guard, were not less than 1150, & these Veteran Troops. Their own Officers confess, that they fought 1037. Such was the Inferiority of our Numbers that our Success must be attributed to the Justice of our Cause & the Bravery of our Troops. My Wishes would induce me to mention the Name of every private Centinel in the Corps I have the honor to Command. In Justice to their Bravery & good Conduct, I have taken the Liberty to enclose you a List of their officers from a Conviction that you will be pleased to introduce such Characters to the World.
Hätte er Shakespeares Henry V gekannt, hätte er sagen können: We few, we happy few, we band of brothers.
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interessant. gut erklärt und dargelegt.
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