Sonntag, 7. August 2011

Nathanael Greene


Nathanael Greene hat heute Geburtstag. Er ist schon über zweihundert Jahre tot, aber in Amerika weiß man noch, wer er ist. Unzählige Schulen tragen seinen Namen, Orte sind nach ihm benannt. Er war ein General im Revolutionskrieg und einer der besten Freunde von George Washington. Er gilt als einer der fähigsten amerikanischen Generäle im Unabhängigkeitskrieg. Er hat keine einzige Schlacht gewonnen. Aber worin liegt seine Größe? Normalerweise beurteilt man Feldherren nach ihren gewonnenen Schlachten, damit kann der Quäker aus Rhode Island nicht aufwarten.

Als George Washington ihm einmal für wenige Tage die Armee überlässt, tut er das mit den folgenden Worten: In my absence the command of the army devolves upon you. I have such entire confidence in your prudence and abilities that I leave conduct of it to your discretion, with only one observation: that with our present prospects it is not our business to seek action, nor to accept one, except upon advantageous terms. Den letzten Satz hat er verinnerlicht, als er das Kommando über die amerikanische Armee in den südlichen Kolonien erhält: it is not our business to seek action, nor to accept one, except upon advantageous terms.

Der General Horatio Gates, ein miles gloriosus, der auch schon gegen Washington intrigiert hatte, war bei Camden vernichtend geschlagen worden. Hatte sich dann auf sein Pferd gesetzt und war am Abend schon 60 Meilen weit weg in Charlotte (North Carolina). Er hat nie wieder ein Kommando in der Revolutionsarmee bekommen. Nathanael Greene soll jetzt die geschlagene Armee wieder aufrichten und den Siegeszug von Lord Cornwallis aufhalten. Nachdem die Engländer die Amerikaner im Norden nicht haben schlagen können, hat Cornwallis den Krieg auf Befehl des glücklosen englischen Oberbefehlhabers Henry Clinton (der Lord Cornwallis nicht ausstehen kann) in den Süden getragen. In diese Staaten, die alle nach englischen Herrschern heißen: Georgia (nach George II), Carolina (nach Charles I), Virginia (nach der virgin queen Elizabeth I). Eigentlich war es Henry Clinton, der gerade Savannah eingenommen hat. Aber als die englischen Truppen die Stadt erobern, ist Clinton schon wieder in New York. Er ist am liebsten in New York, da war sein Pappi schon Gouverneur, da fühlt er sich sicher. Die Sache mit Savannah hat er auch nur unternommen, um die Scharte mit Sullivan's Island auszuwetzen, wo sich die Engländer so unsterblich blamiert haben. Und eine Kanonenkugel eines eigenen Geschützes Admiral Parker den Hosenboden weggeschossen hat. Einige Jahrzehnte später war der junge Edgar Allan Poe dort stationiert, seine Erzählung The Gold-Bug spielt auf Sullivan's Island.

Nathanael Greene hat den Krieg als gemeiner Soldat begonnen. Die Infanteriekompanie, in die er eingetreten war, wollte ihn nicht zu ihrem Captain wählen, weil er ein lahmes Bein hatte. Aber wenig später ist er schon Brigadegeneral der Miliz. Er ist vom Anfang des Krieges an immer an Washingtons Seite gewesen, später hat ihn Washington zum Generalquartiermeister der Armee gemacht. Das hat Greene nicht geschmeckt (No one ever heard of a quartermaster in history), aber er hat in dieser Zeit viel gelernt, er holt da sozusagen eine Generalstabsausbildung nach. Wie man Truppenteile bewegt, wie man Nachschub an Munition und Verpflegung organisiert. Vieles bezahlt er jetzt auch (wie Washington) aus eigener Tasche. In seiner Jugend hat er jedes Buch über die Kriegskunst gelesen, das er in die Finger kriegen konnte - was die Quäkergemeinde nicht gerne sah - jetzt kann er die Theorie in die Praxis umsetzen. Und er weiß, dass er Niederlagen einstecken wird, Scharmützel, Gefechte und Schlachten verlieren wird. We fight, get beat, rise, and fight again, schreibt er an den französischen Gesandten in Amerika, den Chevalier de la Luzerne (nach dem Luzerne County in Pennsylvania benannt ist). Der gleiche Satz findet sich auch in einem Brief an Washington vom 1. Mai 1781. General Greene hat den Unterschied zwischen Strategie und Taktik begriffen, er will keine Schlacht gewinnen, er will den Krieg gewinnen.

Und so sieht er zu, dass er immer einen Fluss zwischen sich und dem Gegner hält. Und die Engländer (und ihre deutschen Hilfstruppen) schleppen sich hinter ihm her. Von Georgia durch die Carolinas bis nach Virginia. Und immer wieder werden sie aus dem Hinterhalt attackiert. Von Leuten wie Francis Marion, den man den swamp fox nennt (und der eine der Vorlagen für den australischen Schlagetot Schauspieler Mel Gibson in Roland Emmerichs grauenhafter Geschichtsklitterung The Patriot ist). Aber auch ihre eigenen loyalistischen Miliztruppen (deren Stärke lange nicht so groß ist wie man General Cornwallis vorgemacht hat) verlieren gegen die amerikanischen Milizen in der Schlacht von Kings Mountain. Und Banastre Tarleton, der bestgehasste englische Offizier in Amerika, erleidet bei Cowpens eine schmähliche Niederlage. Und mit jedem Gefecht wird Cornwallis' Armee kleiner. Die Amerikaner schiessen auch gemeinerweise zuerst auf die Offiziere. Einfache Soldaten kann Cornwallis aus den loyalistischen Milizen rekrutieren, Offiziere, die ihren Beruf erlernt haben, bekommt er nicht nach. Die Truppen, die ihm Clinton versprochen hat, kommen auch nie an.

Vor einem Jahr, als ich über Banastre Tarleton schrieb, versprach ich, demnächst einmal über die denkwürdige Schlacht von Cowpens zu schreiben. Ich habe es immer noch nicht getan, weil hier in diesem Blog kein System drin ist, und ich mich von augenblicklichen Einfällen leiten lasse. Das hat natürlich einen gewissen Charme, ist aber auch ein geniales Kuddelmuddel. Aber ich habe keine Lust, nur zu einem Thema zu schreiben. Dann hätte ich kein Blogger zu werden brauchen, dann hätte ich ein Buch geschrieben. Was viel langweiliger ist, als einen Blog zu füllen. Ich weiß das. Und ich verspreche jetzt auch, demnächst über die Schlacht von Cowpens zu schreiben.

Die Schlacht von Cowpens hat sich Nathanael Greene zum Vorbild genommen, als er sich endlich Lord Cornwallis in einer Schlacht stellt. Er wird die Schlacht von Guilford Court House verlieren, weil der Gegner am Ende der Schlacht das Feld behauptet, nachdem sich Greene geordnet zurückgezogen hat. Aber das ist wieder einmal das, was man so schön als Pyrrhussieg bezeichnet. The enemy got the ground the other Day. They had the splendour but we the advantage. Cornwallis kann Greene nicht verfolgen, er schafft es nicht einmal, sich um seine Toten und Verwundeten zu kümmern, die beinahe zwei Tage im strömenden Regen auf dem Schlachtfeld liegen. Allein die Garderegimenter verlieren elf ihrer neunzehn Offiziere durch Tod oder Verwundung (und beinahe die Hälfte der Mannschaften). Als die Verlustlisten London erreichen, wird der Oppositionsführer im Parlament Charles James Fox ausrufen Another such victory would ruin the British army! Als der Bericht von General Greene den Kongress in Philadelphia erreicht, hat eine Zeitung die schöne Schlagzeile Good News from the South.

Your private letter of the 18th ultimo came safe to hand. Although the honors of the field did not fall to your lot, I am convinced you deserved them. The chances of war are various and the best concerted measures, and the most flattering prospects, may and often do deceive us; especially while we are in the power of the militia. The motives which induced you to seek an action with Lord Cornwallis are supported upon the best military principles; and the consequences, if you can prevent the dissipation of your troops, will no doubt be fortunate. Every support, that it is in my power to give you from this army, shall cheerfully be afforded; but if I part with any more troops, I must accompany them or have none to command, as there is not at this moment more than a garrison for West Point, nor can I tell when there will be.

Das ist der Brief, den Nathanael Greene von George Washington erhält, seinem großen Lehrmeister im Zögern und Abwarten. Washington wird ein wenig Verstärkung durch die Truppen des Comte de Rochambeau erhalten. Obwohl sein Französisch kaum existent ist (dafür ist sein Latein gut), verstehen sich Rochambeau und Washington gut. Und planen gemeinsam mit dem französischen Admiral de Grasse den Angriff auf Yorktown. Lord Cornwallis bleibt nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Nach Saratoga verlieren die Engländer jetzt ihre zweite Armee in Amerika. Und in den Carolinas räumt Nathanael Greene jetzt planmäßig auf, ein kleines Gefecht nach dem anderen, bis sich die Briten nach Charleston zurückziehen.

We fight, get beat, rise, and fight again. Man braucht viel Selbstvertrauen, um über lange Monate einen überlegenen Gegner zu zermürben. There are few Generals that have run oftener, or more lustily than I have done... But I have taken care not to run too far and commonly have run as fast forward as backward, to convince our enemy that we were like a crab, that could run either way.

Nach dem gewonnenen Krieg zieht es den Mann aus Rhode Island in den Süden, wo er in Georgia Plantagenbesitzer wird. Auch darin eifert er seinem Vorbild George Washington, der immer das Leben eines englischen Landedelmannes einer kriegerischen Tätigkeit vorzog. The garden is delightful. The fruit trees and flowering shrubs form a pleasant variety. We have green peas almost fit to eat and as fine lettuce as you ever saw. The mocking birds surround us evening and morning. The weather is mild and the vegetable world progressing to perfection. We have in the same orchard apples, pears, peaches, apricots, nectarines, plums of various kinds, figs, pomegranate and oranges. And we have strawberries which measure three inches around, schreibt Greene im April 1786. Er kann aber das ländliche Idyll nicht lange genießen, wenige Monate nach diesem Brief stirbt er an einem Hitzschlag.

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