By “American Studies” I shall mean “the study of American Culture, past and present as whole", hat Henry Nash Smith (dessen Buch Virgin Land ein Klassiker geworden ist) gesagt. Eine etwas globale Definition der American Studies. Hat den Vorteil, dass sie beinahe immer passt. Heute kann man auch in Deutschland Amerikanistik studieren, das war nicht immer so. Vor hundert Jahren wäre niemand an einer deutschen Universität auf die Idee gekommen, dass es so etwas wie eine amerikanische Kultur gab. Erst in den zwanziger Jahren hat sich der Anglistikprofessor Walther Fischer dafür stark gemacht. An amerikanischen Universitäten war das im übrigen auch nicht anders.
Aber das ändert sich jetzt. Denn gleichzeitig mit Fischers Die englische Literatur der Vereinigten Staaten von Nordamerika erscheint in den Vereinigten Staaten ein Buch, das heute als ein Meilenstein in der Entwicklung der Amerikanistik gesehen wird, Vernon Louis Parringtons Main Currents in American Thought. Es begründet eine neue wissenschaftliche Disziplin und macht den Autor berühmt. Leider erlebt er die Vollendung des dritten Bandes nicht mehr, der von seinen Kollegen aus seinen Manuskripten zusammengestellt wurde. Mein Exemplar des Buches (alle drei Teile mit weit über tausend Seiten) hat mal einer jungen Dame gehört, der es für General Excellence in English von der Julia Richmond High School in New York am 25. Juni 1958 verliehen wurde. Ihr Name steht auch drin, aber den nenne ich mal lieber nicht. Wenn es Lauren Bacall, Patricia Highsmith oder Judy Holliday gehört hätte (die auch alle auf dieser Schule waren), wäre es mir das natürlich lieber. Man kann das Buch heute im ➱Internet lesen, man kann aber die schöne Ausgabe von Harcourt, Brace and Company aus dem Jahre 1930 auch noch antiquarisch kaufen. Sehr, sehr preiswert, alle wirklich guten Bücher werden heutzutage verramscht. Es ist eine Sünde.
I have undertaken to give some account of the genesis and development in American letters of certain germinal ideas that have come to be reckoned traditionally American--how they came into being here, how they were opposed, and what influence they have exerted in determining the form and scope of our characteristic ideals and institutions. In pursuing such a task, I have chosen to follow the broad path of our political, economic, and social development, rather than the narrower belletristic; and the main divisions of the study have been fixed by forces that are anterior to literary schools and movements, creating the body of ideas from which literary culture eventually springs. So fängt der erste Band (von den Puritanern bis Jefferson) der amerikanischen Kulturgeschichte an. Eine Literaturgeschichte, die auch eine Ideengeschichte ist: Ideas are not godlings that spring perfect-winged from the head of Jove; they are not flowers that bloom in a walled garden; they are weapons hammered out on the anvil of human needs. Freedom to think is bought with a price; and to ignore the price is to lose all sense of values. To love ideas is excellent, but to understand how ideas themselves are conditioned by social forces, is better still. Und so lässt er auch die Politik und die sozialen Bedingungen niemals draußen vor. Parrington gehört zu den Historikern, die man progressive nennt. Seine Uni hat ihn als jungen Dozenten rausgeschmissen. Nicht weil er ein aufrührerischer Revolutionär war. Sondern weil er geraucht hat, mal ein Bier trank und am Wochenende zum Tanz ging.
Wir können uns kaum vorstellen, wie rückständig das bibeltreue Amerika damals ist. Wenig später, bei dem Affenprozess in Tennessee, erfährt es dann die ganze Welt. Da schreibt Parrington noch an den Main Currents in American Thought, und das für Amerika peinliche Ereignis des Scopes Prozesses findet keinen Eingang in seine Kulturgeschichte (hätte er sie vollenden können, hätte er es vielleicht hineingeschrieben). Heute würden Amerikanisten gemäß der Definition von Henry Nash Smith solche Dinge nicht von der Betrachtung ausschließen. Heute kann man in Amerika auch über Mickey Mouse und die Coca Cola Flasche promovieren, anything goes. Aber es fehlt die große Vision, die Parrington noch hatte. Der es auch schon in seinem Leben verstanden hatte, popular culture und high culture miteinander zu verbinden: Als ihn die Universität von Oklahoma feuert (die University of Washington nimmt ihn sofort), verliert sie mit ihm auch ihren erfolgreichsten Fußballtrainer. Mit Parrington als Trainer hat die Uni-Mannschaft nur zweimal verloren.
Vernon Louis Parrington, Fußballtrainer, Englischprofessor und Pulitzer Preisträger, wurde heute vor 140 Jahren geboren. Außer bei Fachgelehrten ist er leider heute so gut wie vergessen. Die beste Seite, die ich im Internet fand, ist die lebendige Würdigung von ➱Bruce Brown. Immerhin hat Parrington einen Wikipedia Artikel. Den hat der Professor Robert E. Spiller nicht, der mit einer Vielzahl von Kollegen zwanzig Jahre nach Main Currents in American Thought als chief edititor die Literary History of the United States herausbrachte. Amerika geht mit denjenigen, die der Nation die Fundamente der amerikanischen Kultur gegeben haben, nicht sehr pfleglich um. Die großen Werke der neuen American Studies sind in Zeiten der Krise erschienen: Parringtons Main Currents während der Weltwirtschaftskrise, F.O. Matthiessens American Renaissance während des Zweiten Weltkriegs, Spillers LHUS während des Kalten Krieges und des Beginns der schandhaften Tätigkeit all dieser Kongressausschüsse, die vorgeben, Un-American Activities zu bekämpfen. F.O. Matthiessen wird Selbstmord begehen, als er vom House Committee on Un-American Activities vorgeladen wird.
Vernon L. Parringtons großes Buch ist auch heute noch ein großes Buch. Man kann es immer noch mit Gewinn lesen, der Autor, der ein vorzügliches Englisch schreibt, ist immer wieder verblüffend originell. Allein die ersten Sätze seines ➱Melville Kapitels sind Gold wert: Set down beside the austere Bryant and the plebeian Greeley, Herman Melville seems grotesquely out of company; and yet such proximities may suggest, better perhaps than words, an explanation of the futility of his dreams and the irony of the bitter penance of his days. Lifelong he was lacerated by the coldly moral in his environment, and harassed by the crudely practical; and without forcing the comparison, one may feel that Bryant and Greeley embodied in nobler form the twin forces that seized upon his bold and rich nature, and bound it to the rocks to be fed on by eagles.
Nice that you think of him. His American English is really great, and his erudition outstanding. A singularity. He is something lke a 'meter' for American education and knowledge about the genesis of the USA. Who does not know what he compiled is not competent to speak up about the US, even oder especially if it is a U´S-citizen, not to speak about the rest. Sad to say that he decribes the genesis of a Golem, a Leviathan, the Greatest Monster that ever roamed the surface of the Earth.
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Alain