Mittwoch, 31. August 2011
Caspar von Saldern
In Neumünster hat man am Wochenende den dreihundertsten Geburtstag von Caspar von Saldern gefeiert. Das Geburtstagskind war auch anwesend. Na ja, er wurde von einem Schauspieler gespielt. Saß in einer Kutsche mit Katharina der Großen (der Lieblingspolitikerin von Angela Merkel), auf deren Kleid man sehr viel mehr Aufmerksamkeit verwandt hatte als auf Caspar von Salderns Kostüm. Er ist in der Stadt, in der er einmal Kanzleirat war, noch sehr lebendig. Man findet ihn unter den Honoratioren des Schützenvereins wie beim Förderverein des Caspar von Saldern Hauses. Die sind in Neumünster ein wenig spät dran gewesen mit der Geburtstagsfeier, denn der Politiker und Diplomat hatte eigentlich schon am 11. Juli Geburtstag. Aber vielleicht hat man damals ja auf besseres Wetter gewartet, was allerdings in diesem Sommer ein vergebliches Unterfangen war. Sechs Monate Winter und sechs Monate kein Sommer - und das nennen die Deutschen Vaterland, soll Napoleon gesagt haben. Der wusste, wovon er redete.
In Neumünster gibt es ein Caspar von Saldern Haus, das für ihn gebaut worden ist. Weil er keine passende Wohnung als Amtsverwalter fand. Klagt er in einem Brief an den Durchlauchtigsten Cronprintz. Der ist zwar in Kiel geboren und ist Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf, aber er ist weit weg, weil er der russische Thronfolger ist. v. Saldern möchte eine mittelmäßige Wohnung mit Zubehör haben. Darunter stellt man sich in Adelskreisen damals etwas anderes vor als heute. v. Saldern muss sich aber mit 500 Reichsthalern an dem Bau beteiligen, lässt sich aber vertraglich zusichern, dass er bei einem Auszug die Öfen, Tapeten, Möbel und Schränke mitnehmen darf. Das Haus, das im Laufe der Jahrhunderte die verschiedensten Verwendungen hatte, steht noch heute. Die Anbauten links und rechts stammen von den Engländern, die es 1945 zu einem Offizierskasino umbauten. Vorher war die Parteizentrale der NSDAP da drin.
Caspar v. Saldern hat nicht lange in dem Haus residiert. Weil er sich mit dem Amtmann von Bordesholm, dem Reichsgrafen Gerhard von Dernath, angelegt hatte. Einem machtbewussten Mann, ebenso wie er selbst. Caspar v. Saldern zieht aus und kauft sich 1751 das Gut Schierensee. Dann geht er nach St. Petersburg und wird ein mächtiger Mann, Minister unter Katharina. Man kann ihn vielleicht als einen Staatsmann bezeichnen. Manchmal nennt man ihn auch einen Diplomaten, obgleich er wohl in seinen Umgangsformen wenig diplomatisch war. So sagt der französische Dichter de Rulhière über ihn: Dépourvu de tout usage du monde, il joignit la grossièreté d'un paysan Holstenois à la pédanterie d'un professeur Allemand. Friedrich der Große findet ihn ein klein wenig größenwahnsinnig, so schreibt er in einen Erinnerungen: Saldern, dem es an äußeren Formen und Geschmeidigkeit fehlte, schlug den Ton eines römischen Diktators an. Und er beschließt seine Ausführungen über das Treffen mit von Saldern: Saldern war erbost, einen Fürsten angetroffen zu haben, der sich seinen Befehlen so wenig fügte, und reiste von Berlin nach Kopenhagen, wo er nach Herzenslust seinem Despotismus und seiner grenzenlosen Anmaßung freien Lauf ließ.
Das 18. Jahrhundert ist ein Jahrhundert, in dem die Mächtigen ihr Ego ausleben können. Es ist auch die Zeit der selfmade men, da ist von Saldern mit seinen Erfolgen dem Opiumhändler Seneca Inggersen oder dem Sklavenhändler Graf Schimmelmann ähnlich. So gut Caspar v. Saldern das mächtepolitische Monopoly beherrscht, irgendwann kommt er mit seinen machtpolitischen Intrigen und Winkelzügen zu Fall. Das ist der Augenblick, in dem Katharina ausruft man solle den Nichtswürdigen mit gebundenen Armen und Beinen zu ihr bringen!
Aber da ist er schon wieder in Schierensee und widmet sich dem Bau des Hauses und des Gartens. Geld genug hat er, denn er hat bei allen Parteien, mit denen er verhandelte, jahrelang abkassiert. Nicht nur Grafentitel und den Elephantenorden, da war auch schon Bares dabei. Nebenbei reformierte er auch die Christian Albrechts Universität, die knapp hundert Jahre nach ihrer Gründung in einem erbarmungswürdigen Zustand ist. Schlimmer als heute kann es nicht gewesen sein. Aber er lässt auch durch den Baumeister Ernst Georg Sonnin eine neue Universität bauen. Mit dem Bauen hat er es, der Caspar von Saldern. Das Haus in Neumünster, das ja weit mehr als eine mittelmäßige Wohnung mit Zubehör war, ein Stadthaus in der Flämischen Strasse in Kiel und dann das Gut Schierensee. Was er zu einem Kleinod macht, einschließlich eines aufwendigen Parks. Man hat das Gefühl, dass er es den adligen Nachbarn auf den Nachbargütern Ehmkendorf und Deutsch-Nienhof zeigen will, dass er es zu etwas gebracht hat. Ehmkendorf ist größer und ist eine Art Musensitz, Deutsch-Nienhof ist älter und man hat dort auch Kultur, Ehmkendorf ist das Monument eines neureichen Banausen. Non mihi sed posteris, hat von Saldern über das Eingangsportal schreiben lassen. Ja, das ist echte Bescheidenheit.
1968 hat Axel Cäsar Springer es gekauft, jetzt gehört es einem Herrn Fielmann, der mit Vornamen Brille heißt. Dem gehört auch schon das Plöner Schloß. Ich weiß jetzt nicht, wie ich von dem Satz mit dem neureichen Banausen auf Axel Springer und Brille Fielmann gekommen bin, aber für irgendwelche krausen Verbindungen in meinem Hirn schien das beim Schreiben einen Sinn zu machen. Das Land hat bei dem Verkauf von Schierensee an Axel Springer das Haus unter Denkmalschutz gestellt, und jeder Schritt der Bauarbeiten wurde von den Denkmalpflegern begleitet. Axel Springer war nichts zu teuer, der Schiefer für das neue Dach musste aus England importiert werden. Auch in solchen Dingen sind Hamburger angloman. Die Gemeinde bekam von Axel Springer als erstes ein neues Feuerwehrauto spendiert. Das war bestimmt sehr uneigennützig gedacht. Die acht Millionen Mark, die Axel Springer für das heruntergekommene Anwesen an das Land gezahlt hat, brachten dem Land nicht wirklich bares Geld. Denn durch eine Vielzahl geschickter Steuertricks und die Gründung einer Stiftung hat er das alles abschreiben können, letztlich hat es zu großen Teilen der Steuerzahler gezahlt. Manche Kritiker sprachen schon früh von einer neuen Form einer ausgeklügelten Geldwaschanlage.
Schierensee verwandelte sich von einem verschlafenen Gut, wo es keinen störte, wenn man auf den Gutshof fuhr oder im heruntergekommenen Park (der nichts mehr von der Parkanlage des 18. Jahrhunderts verriet) spazierenging, zu einem Hochsicherheitstrakt. Uniformierte Wachen, Rudel von scharfen Hunden und Scheinwerfer, mit denen man einen Fußballplatz hätte beleuchten können. In Großstädten und Unistädten spielt man 1968, Axel Springers Bild Zeitung heizt die nationale Hysterie erst an. In Kampen gibt es einen Brandanschlag auf Springers Haus, sein Chalet in der Schweiz brennt, aber hier auf dem platten Land bleibt alles ruhig. Hier kann der Pressezar sich seinen norddeutschen Wurzeln verhaftet fühlen, die englische Königin und Franz Josef Strauß empfangen.
Das 18. Jahrhundert, in dessen zweiter Hälfte mit Aufklärung und Klassik die ideellen Grundlagen auch unserer Zeit gelegt wurden, ist in Schleswig-Holstein nirgendwo so präsent und erlebbar wie auf Gut Schierensee – dank uneigennütziger Denkmalpflege in privater Hand. Und das macht, neben allem anderen, diesen Platz nun wirklich einzigartig. Steht in einer Firmenbroschüre von Fielmann, von einem Lohnschreiber verfasst. Über 30 Millionen Mark soll Fielmann bezahlt haben, wahrscheinlich auch steuerlich irgendwie abzuschreiben. Den kunsthistorischen Berater von Axel Springer, Dr. Henrik Lungagnini, hat Fielmann gleich mit übernommen. Der neue Gutsherr, der nur gute Werke (Non mihi sed posteris) tut, betreibt dort jetzt ökologische Landwirtschaft. Und plant auch, den Lustgarten auf dem Heeschenberg, der so viele Reisende der Romantik begeisterte, wieder anzulegen.
Über die schleswig-holsteinischen historischen Gärten unterrichtet am ausführlichsten das Buch von Adrian von Buttlar und Margita Marion Meyer Historische Gärten in Schleswig-Holstein. Die beste kunsthistorische Bestandsaufnahme von Schierensee ist Carl-Heinrich Seebachs Schierensee: Geschichte eines Gutes in Holstein. Das Herrenhaus kann nach Anmeldung bei der Gutsverwaltung besichtigt werden. Und am zweiten Adventssonntag gibt es einen Gottesdienst im Rinderstall, falls Sie für den 4. Dezember um 17 Uhr noch nichts vorhaben, tragen Sie das doch schon mal in Ihrem Terminkalender ein. Vielleicht knien da denn die Ochsen, wie in Thomas Hardys Gedicht.
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