Sonntag, 18. April 2010

Kurgäste


Als John Nash den Royal Pavillion im Seebad Brighton für den Prinzregenten gerade fertig gebaut hat, kommt in einem unbedeutenden Teil des Königreiches ein Schiffszimmermann und Amateurschriftsteller auf die Idee, in seiner Heimat auch ein Seebad zu begründen. Seine Heimat hat den Status einer englischen Kolonie, sie hat auch einen Gouverneur, einen pensionierten Colonel, der noch bei ➱Waterloo dabei war. Die pensionierten Colonels, die die Waterloo Medaille besitzen, werden jetzt überall auf der Welt Gouverneure. Überall gibt es jetzt englische Kolonien. Die englische Kolonie, in der der Schiffszimmermann Jakob Andresen Siemens lebt, heißt Helgoland. Erstaunlicherweise schlägt die Idee ein, wenig später hat man die Insel im Sommer voll mit Kurgästen aus der Haute Volée von Hamburg und Berlin. Voll bedeutet jetzt, dass man im Sommer zweihundert Gäste hat.

Das kauzige Original Jakob Andresen Siemens hat freundschaftliche Beziehungen zu dem Hamburger Verleger Julius Campe. Sein Vetter Jacob wird Campe auch mit Helgoländer Hummern beliefern. Siemens wird auch eine 581 Seiten starke Schrift bei Campe erscheinen lassen. Er schenkt dem Kurgast ➱Heinrich Heine ein Exemplar, aber der hat nur wenige Seiten des Buches aufgeschnitten. Harry Heine ist  häufiger auf Helgoland, vorher war er auf Norderney. Seebäder sind nun in Deutschland en vogue. In England, wie wir von Lichtenberg wissen, schon früher. Harry Heine ist auch Campe Autor, wie die beiden anderen Schriftsteller aus der vorrevolutionären Zeit (die man heute den Vormärz nennt), Ludolf Wienbarg und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Campe druckt jetzt alles revolutionäre Zeug, das ist sein großes Verdienst für die deutsche Literatur. Alle drei Schriftsteller sind literarisch mit Helgoland verbunden. Wienbarg durch sein Tagebuch von Helgoland, Heine durch seine Briefe aus Helgoland und Hoffmann mindestens durch zwei Gedichte.

Das erste Gedicht trägt den etwas rätselhaften Namen Makintosh (vielleicht sollte Apple Macintosh es mal zum Firmengedicht machen), es ist nach der Melodie von Mit dem Pfeil und Bogen zu singen:

Freunde, geht ins Seebad!
Jedes Leid und Weh
lindert und beschwichtigt,
scheucht und heilt die See.

Jedem wird Genesung
in der See zu Theil;
jedem Rang und Stande
bringt das Seebad Heil.

Wer auf festem Lande
nirgends Heilung fand,
wird sie wahrlich finden
dort in Helgoland. -

Vetter Michel höret
dieses frohe Wort,
macht sich auf und eilet
nach der See sofort.

Und er badet täglich,
in des Weltmeers Fluth,
denn er weiß, das Seebad
machet alles gut.

Und er nimmt der Bäder
fünfzig an der Zahl,
und er badet täglich,
wie's der Arzt befahl.

Wie er ist, so bleibt er -
von Philisterei
wird man auch im Weltmeer
nun und nimmer frei.

Hoffmann ist kein Adliger, das von Fallersleben ist nur eine Ortsbezeichnung, wie er es in einem kleinen Gedicht hübsch expliziert hat:

An meine Heimat dacht ich eben
da schrieb ich mich von Fallersleben.
Und schrieb's und dachte nicht dabei
an Staatscensur und Polizei.
So schrieben sich viel Biederleute
nach ihrem Ort 
und tun's noch heute.
Und keiner dachte je daran
durch von würd' er ein Edelmann.

Dieser Hoffmann von Fallersleben bietet 1841 Julius Campe beim Strandspaziergang in Helgoland ein Gedicht an, das er eben geschrieben hat. Es ist ein Trinklied. Vier Louisdor will er dafür haben, das Lied heißt Lied der Deutschen. Wir kennen (hoffentlich) immer noch Teile davon, weil die dritte Strophe unsere Nationalhymne ist. Sie ist leichter zu singen als die amerikanische Nationalhymne, deren Melodie auch auf ein Trinklied zurückgeht. Als Hoffmann von Fallersleben das Lied auf Helgoland schrieb, gab es Deutschland noch gar nicht, und auch die Grenzen von der Maas bis an die Memel und von der Etsch bis an den Belt gab es so noch nicht. Bei dieser ersten Strophe hat Fallersleben sich von Walther von der Vogelweides Ich hân lande vil gesehn leiten lassen. Auch bei der zweiten Strophe, dem Lob der deutschen Frauen (das niemals bei Heidi Klums Suche nach dem Topmodel gesungen wird), hat der Dichter sich von dem gleichen Lied Walthers (Ir sult sprechen willekomen) inspirieren lassen. Und an seine Jugendliebe soll er auch gedacht haben.

Hoffmann von Fallersleben sehnt sich die Einheit Deutschlands herbei, er wird es noch erleben, dass sie durch Bismarck Realität wird. Er muss diesen Gedanken auch gleich dem englischen Gouverneur nahebringen, da bleibt er der deutsche Philister, dem auch die Nordsee dieses Deutschtum nicht austreiben kann. Ludolf Wienbarg, für den Helgoland damals politisches Exil bedeutete, fand die Insel unter der britischen Herrschaft ganz gut aufgehoben. Heine gibt ein satirisches Portrait des Gouverneurs, ein Verehrer Napoleons muss eben die Engländer hassen. Helgoland kommt erst 1890 zu Deutschland. Durch einen Vertrag, der im Volksmund der Helgoland-Sansibar Vertrag heißt. Bismarck, der seinen Nachfolger Leo von Caprivi nicht ausstehen konnte, hat das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die Deutschen Helgoland gegen Sansibar getauscht hätten. Ganz so war es nun doch nicht. Aber die Vorstellung, dass es eines Tages statt Butterfahrten nach Helgoland Butterfahrten nach Sansibar gegeben hätte, ist schon komisch. Zu Sansibar haben wir ja immer irgendwelche Beziehungen gehabt. Der Bremer Afrikaforscher ➱Gerhard Rohlfs ist da mal kurz und glücklos Generalkonsul gewesen. Alfred Andersch hat einen Roman namens Sansibar oder der letzte Grund geschrieben, da ist Sansibar ein utopischer Ort, die Hoffnung auf eine besser Welt ohne die Nazis. Und Heinrich Lübke hat die Gattin des Präsidenten in der Hauptstadt Tananarive mit sehr geehrte Frau Tananarive angeredet. Da war der deutsche Michel mal wieder in Hochform. Er hätte mal mehr in Helgoland in der See baden sollen. Aber hier hat Hoffmann von Fallersleben schon Recht, die Philisterei, die werden wir nie so recht los.

Die obige Briefmarke zeigt natürlich (wie bei einer englischen Kolonie nicht anders zu erwarten) die Königin Victoria, auch die Schreibweise von Helgoland ist englisch, während Schilling deutsch geschrieben ist. Das liegt daran, dass die Kurantwährung hamburgische Schillinge sind, keine englischen.

2 Kommentare:

  1. HELGOLAND MARDUKLAND,
    HELGOLAND SEIT DEM 15.12.2004 STAATSHOHEITSGEBIET DES STATE KINGDOM OF MARDUK INTERNATIONAL VON STAATEN DER WELT ANERKANNT HIN GEWORDEN. DIESES FAKTUM IN EUROPA UND DER REST DER WELT, AUCH IN SANSIBAR, WIE DER DORTIGEN REGIERUNG MIT BEKANNT. HELGOLAND IST MARDUKANISCHES KÖNIGREICH GEWORDEN, DEM STAATSOBERHAUPT KÖNIG H.M. KING MARDUK I. SEIT JAHREN UNTERSTELLT - UND DIE HELGOLÄNDER ENDLICH EINE STAATSBÜRGERSCHAFT HABEN.

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  2. Wenn diese Botschaft in Halunder geschrieben wäre, könnten wir das ja vielleicht so akzeptieren. Denn es müßte Eurer potentiellen Majestät klar sein, daß man als König eines Landes die Landessprache beherrschen muß. Sonst könnte ja jeder Klatschenkalli einen Anspruch auf den Thron auf der Langen Anna erheben. Also Marduk I, kumm weer!

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