Samstag, 28. August 2010

HiFi


Das wird heute ein gefährliches Thema, da hat jeder seine eigene Meinung. Objektive Kriterien gibt es nicht. Also ich rede von dem da oben, dem NAD Verstärker 3020. Er kam 1979 auf den Markt und bekam praktisch aus dem Stand Kultstatus. War auch nicht teuer, aber klang hervorragend. NAD heißt New Acoustic Dimension, war eine englische Firma, zusammengeschraubt wurde das Teil (wie beinahe alles) in China. Der Konstrukteur Björn Erik Edvardsen hat in der Welt der High Fidelity einen guten Namen. Äußerlich sah der 3020 nach nix aus, orientierte sich eher an dem coolen Design, das Dieter Rams für die Firma Braun entworfen hatte. Der 3020 war ein Vollverstärker, das heißt, dass man auch einen Plattenspieler mit ihm betreiben konnte. Das kann man heute mir vielen Verstärkern nicht mehr. Wahrscheinlich weil viele gar keinen Plattenspieler mehr haben.

Es gibt beim Kauf eines Verstärkers ja eine Vielzahl von Kriterien, von denen die Leistung in Watt nur eine ist. Für viele das entscheidende Kriterium. Je mehr Watt desto besser. Und dann so Wummerboxen, mit denen man die Allianz Arena in München beschallen kann. Mit viel Watt konnte der NAD niemals aufwarten (ich glaube, sogar mein Autoradio hat mehr). Aber dafür hatte er diesen Klang, schon beinahe wie ein Röhrenverstärker. In dem teuersten HiFi Laden meines Ortes lief die Musik aus Lautsprechern, die beinahe die Größe einer Telephonzelle  hatten und zwanzigtausend Mark das Stück kosteten. Und betrieben wurde das Ganze von einem kleinen NAD 3020 für 280 Mark. Die hätten natürlich auch einen schweineteuren Burmester Verstärker nehmen können, aber nein, der kleine NAD diente als Referenzmodell. Cool.

Mein NAD betreibt zwei Lautsprecher der Firma T+A. Die sitzen in Ostwestfalen, nicht in China. T+A heißt Theorie und Anwendung, ein netter Name. Ob das für den Export in englischsprachige Länder so gut ist, weiß ich nicht.  T and A is short for "Tits and Ass", a label applied to forms of entertainment (movies, magazines, videogames) that exist primarily to display scantily clad female bodies. T & A can also refer to that sub-genre of B movies, often seen in the late night slot of cable televisionstations, such as USA and Showtime (but not Skinnimax, which is more likely to have harder stuff). The biggest difference between a T&A film and soft-core porn is that where a soft-core film will actually show exposed breasts and sex scenes multiple times, the whole point of a T&A film is to make you wish you could see some sex and nudity, building anticipation through scantily clad female characters. Das hat man sich in Herford wohl vorher nicht so überlegt. Meine T+A Criterion Boxen lassen aber solche Assoziationen gar nicht erst aufkommen.

Wenn auch heute beinahe alles in der Unterhaltungselektronik (die wahrscheinlich nur deshalb so heißt, weil man sich so gut über sie unterhalten kann) aus Fernost kommt, die besten Lautsprecher kommen aus Deutschland. Gut, es gibt da noch Dynaudio in Dänemark, mit dem Slogan Dänen lügen nicht, die einen possierlichen Waschbären namens Knudsen als Maskottchen haben, leider ist das legendäre HiFi Plüschtier nicht mehr erhältlich. Es gibt natürlich auch noch einige sehr gute Engländer wie Bowers+Wilkins, Tannoy oder Naim. Aber es gibt nichts wirklich Hervorragendes aus Japan oder China. Auf jeden Fall kommen die niemals auf die ersten Plätze bei all diesen Zeitschriften, die sich HiFi und High End verschrieben haben. Obgleich diese Testberichte wahrscheinlich objektiv gesehen auch nichts wert sind. Aber dennoch, ob man das nun preislich oben (T+A, Backes&Müller, Burmester, ELAC) oder unten (Canton, Nubert) betrachtet: in Deutschland werden sehr gute Lautsprecher gebaut. Bei vielen dieser Firmen ist der Firmengründer ein Tüftler, der wie Günther Nubert in der Garage angefangen hat. Wenn wir sonst nichts mehr in diesem Lande herstellen, Lausprecher können wir noch.

Und seit es das Internet gibt, gibt es da ja eine unübersehbare Zahl von Foren, in denen audiophile Besserwisser alles besser wissen. Und immer teuerere Komponenten angepriesen werden. Man weiß, was ein Anzug aus der Savile Row kostet, man weiß, was eine Patek Philippe kostet, aber bei einer Stereoanlage scheinen die Preise nach oben offen zu sein. Das beginnt schon mit der audiophilen Netzleiste (ich muss gestehen, ich habe eine) und geht dann weiter über handgewickelte Kabel und vergoldete Stecker ad infinitum. Die Werbebotschaften für die Rechteckkästen voller Elektronik sind schwerer zu verstehen als der Philosoph Wittgenstein, weil (ebenso wie in der Philosophie) jede Firma ihre eigene Terminologie hat und für den Rest gibt es ein scheinwissenschaftliches Feuerwerk: Der XYZ entwickelt 2x105 Watt Dauerleistung an acht und 2x140 Watt an vier Ohm, für kurze Impulse stellt er gar mit 283 Watt pro Kanal das Doppelte bereit. Beim Klirrfaktor stehen stets zwei Nullen hinter dem Komma (0,003-0,009 Prozent), bei der Intermodulation immerhin eine (0,011-0,07 Prozent) – Verzerrungen sind somit kein Thema. Rauschen übrigens auch nicht, denn mit 84/74 Dezibel für Phono MM/MC und 89 dB für CD (bei 5 Watt) liegt er sehr gut, mit 69 dB (CD, 50 Milliwatt) immer noch gut. Der Phono-Frequenzgang könnte etwas linearer sein, er fällt nach unten (20 Hertz) wie auch nach oben ab, wobei Ersteres als Subsonic-Filter durchaus in Ordnung ist, aber ein Höhenabfall um 1,2 dB ist zuviel. Verblüffend niedrig fanden wir die Eingangsimpedanz der Hochpegeleingänge von 9,2 Kiloohm. Der Gleichlauffehler des Lautstärkestellers von 0,1 dB ist exzellent, ebenso wie die hohe Kanaltrennung (64 dB) und das Übersprechen zwischen den Eingängen (77 dB). Die obere Grenzfrequenz jenseits von 110 Kilohertz verrät eine „schnelle“ Schaltung. Danke, alles klar!

Und dennoch gibt es die ideale Anlage nicht, denn der Satz von Fritz Reuter Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall gilt auch hier. Jeder hört anders, jedes Wohnzimmer ist in der Akustik anders. Wer Robbie Williams möglichst laut hören will, wird eine andere Anlage haben, als jemand, der John Dowland leise hören will. Ich habe mir damals viel Zeit gelassen für den Kauf der einzelnen Komponenten. Ich bin mit immer der selben CD in immer dieselbe Firma gegangen und habe gesagt, Heute möchte ich mal die Boxen von XYZ hören. Nach mehreren Wochen war durch das Angebot durch. Und obgleich mich der Verkäufer (der ein wirkliches whizzkid und ein reizender Mensch war) immer wieder zu den britischen B+W steuern wollte, habe ich die T+A genommen. Als die in meinem Wohnzimmer liefen, war mein erster Gast ein amerikanischer Professor, der natürlich den blöden T&A joke machen musste. Aber seine Frau, die Opernsängerin war, war wirklich beeindruckt von der Klangqualität. Sowas haben die in Amerika nicht (also, ein paar Firmen wie zum Beispiel Klipsch hätten sie schon).

Mein kleiner NAD 3020 hat irgendwann das Handtuch geworfen, die Elkos machten schlapp, er wurde umgehend durch das Nachfolgemodell 3020i ersetzt. Inzwischen gibt es bei der Firma auch schon ein Modell, das den Zusatz BEE trägt (nach Björn Erik Edvardsen). Aber HiFi und High End sind nicht mehr eine solch große Sache, wie sie vor zwanzig, dreißig Jahren waren. Zum einen ist alles billiger geworden (außer Burmester und T+A), zum anderen kaufen die Leute heute Surround und Subwoofer. Und ganze Generationen können die feinen Unterschiede, die gute Verstärker und Boxen abbilden können, gar nicht mehr hören. Jahrelange Disko und Lautsprecher in den Ohren sorgen schon dafür. Man kann zu einem der aggressiv werbenden Mediamärkte fahren und sich in zehn Minuten eine Anlage kaufen, mit viel Watt, Surround und Subwoofer. Aber es gibt auch in jeder Stadt diese kleinen Läden, wo es solche Freaks gibt, die etwas davon verstehen. Die bringen einem auch schon mal die Lautsprecher zum Probehören ins Wohnzimmer.

Meine Liebeserklärung an meinen NAD wird nicht von der Firma gesponsert. Er hat mich die letzten Jahrzehnte begleitet, und er hat ein paar nette Worte verdient. Auch wenn er schon seit vielen Jahren den Status eines Kultobjekts hat und die netten Worte vielleicht nicht mehr braucht. Und falls Bernd Beutler dies zufällig lesen sollte: many thanks für die zwei Knudsen Bären und die geschenkten zehn Zentimeter Kabel, von denen der Meter 1.500 Mark kostete. Ich finde, man kann das hören. Aber ich weiß auch, dass bei all diesem state-of-the-art HighEnd Kram neunzig Prozent Einbildung und Autosuggestion sind.

Als ich klein war, gab es bei uns im Haus noch ein Grammophon. Opa hatte es auf den Boden verbannt, weil es kaputt war. Aber es waren noch genügend Stahlnadeln da, die man in den Tonabnehmer schrauben konnte. Und wenn man mit dem Finger in der Plattenmitte ganz schnell drehte, bekam man Hans Albers zum Singen. Mit genügend Übung kam man auf die idealen 78 Umdrehungen in der Minute. Ich weiß nicht, warum die Hans Albers Platten da oben auf dem Boden lagen, aber für mich war der blonde Hans ein Erlebnis, wenn er sang:

Ich kam aus Alabama übern großen Teich daher
und hatte kein Pyjama und auch keinen Strohhut mehr.
Als ich meine Braut verließ da sprang sie hinter mir ins Meer,
doch die beste Braut des Kriegers ist bekanntlich sein Gewehr.
Oh Susannah, das ist schon lange her,
drum wein dir nicht die Augen aus,
wenn ich nicht wiederkehr.

Als ich aus Alabama zog, fiel der Regen dick und schwer
und es regnet bei der Überfahrt und in Frankreich noch viel mehr
und es regnet in der großen Schlacht
und der Himmel wird nicht leer
und es regnet auf den Mickey Quirt
und auf das ganze Heer.
Oh Susannah, drum weine nicht so sehr.


Denn wir haben nasse Brocken an,
doch ein trocknes Schießgewehr.
Und wenn du in Alabama hörst, daß wieder Frieden wär
dann nimm dir einen Cornedbeefkonservenmillionär.
Lehn deine Wang an seine Wang und sag: you are my care.
Denn dein Mickey war ein Feldsoldat
das ist heut nichts mehr wert.

Oh Susannah das Leben ist nicht schwer
und für einen toten Bräutigam kommen tausend neue her.
Oh Susannah, unser Leben ist nicht schwer
und für einen toten Bräutigam kommen tausend neue her.


Man konnte Hans langsamer oder schneller singen lassen, aber in der dritten Strophe kriegte er immer dieses Kieksen, dann wurde seine Stimme vor Ergriffenheit brüchig. Ich wußte damals nicht, dass Carl Zuckmayer diesen Song geschrieben hatte, aber ich war jedes Mal bei der selbst gemachten Musik genau so ergriffen wie Hans. Das kann man heute mit einer CD nicht haben, da kann man die Scheibe nicht mit dem Zeigefinger antreiben. Aber man kann heute auf YouTube Hans Albers aus dem Grammophon hören. Klingt beinahe wie damals bei uns auf dem Dachboden.

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