Mittwoch, 25. August 2010

Scotland forever


Der da in der Mitte, Nummer 21 mit der weißen Badehose, erkennen Sie ihn? Schottischer Bodybuilding Meister, dritter Platz bei Mr. Universum. Spielt in seiner Jugend Fußball für den Bonnyrigg Rose FC. Hat eine Tätowierung Scotland Forever auf dem Arm, seit er bei der Navy war. War Milchmann, Bademeister und Sargpolierer. Wurde dann Filmschauspieler, dreht irgendwann sogar seinen Hollywoodfilm (Darby O'Gill and the Little People), in dem darf er auch singen (es ist übrigens dieser Film, man glaubt es kaum, in dem die beiden Produzenten von Dr. No ihren Leinwandhelden gefunden haben). Danach steigt der Schotte schon beinahe zum Charakterdarsteller auf.

Er spielt einen charmanten, aber intelligenzmäßig etwas unterbelichteten Zigeuner in der Kriegskomödie On the Fiddle. Wenn das jetzt so weitergeht mit den Nebenrollen in B Pictures, dann wird nie etwas aus ihm. Das ist ihm selbst klar, vielleicht hätte er doch das Angebot von Matt Busby von ManU annehmen sollen und Profifußballer werden sollen. Aber dann hat er eine kleine Rolle (hier im Bild als Private Flanagan) in The Longest Day, diesem Invasionsepos, in dem jeder mitspielt, der damals im Filmgeschäft ist. Sogar solche, die gar keine Schauspieler sind, wie Vicco von Bülow, den wir als Loriot kennen. Danach mutiert er vom schottischen working class hero zum englischen Gentleman und spielt einen Marineoffizier im Geheimdienst ihrer Majestät mit dem Namen James Bond. Da muss der Regisseur Terence Young gewaltig arbeiten, um diesen Sean Connery zu seinem zweiten Ich zu machen. Terence Young hat all das, was der James Bond der Romane von Ian Fleming hat und was der schottische Bodybuilder nicht hat: Public School, Cambridge, Offizier in einem Garderegiment. Er wäre Flemings idealer James Bond gewesen, jetzt macht er Sean Connery zu Terence Young. Lois Maxwell (die wir als Miss Moneypenny kennen) hat einmal gesagt Terence took Sean under his wing. He took him to dinner, showed him how to walk, how to talk, even how to eat. Und er nimmt ihn zu seinem Schneider mit.

Der heißt Anthony Sinclair und sitzt in der Conduit Street und schneidert diese Sorte Anzug, die seit den dreißiger Jahren bei englischen Gardeoffizieren beliebt ist. Dieser drape look der Brustpartie, den der berühmte Schneider Frederick Scholte erfunden hat, eine zivile Version der Uniform. Betonte Taille (etwas höher als die natürliche Taille) und zwei Seitenschlitze, das Jackett etwas länger als gewöhnlich, der dandyhafte Neo-Edwardian Look wirkt hier noch nach. Und enge Hosen. Connerys Anzüge in den James Bond Filmen sind kleine sartoriale Kunstwerke. Es sind Zweiknopf Einreiher, die sind jetzt modern.

John F. Kennedy (zu dessen Lieblingslektüre die Romane von Fleming gehören), der seine Karriere seinen Anzügen verdankt und der eigentlich ein Parallelprodukt zu James Bond ist, trägt das jetzt auch. Man kann diesen Conduit Cut heute noch tragen, und die Savile Row bevorzugt diesen Schnitt in den letzten Jahren ja auch wieder. Sean Connery hatte vorher nie Anzüge getragen, er muss das jetzt erst lernen. Terence Young zwingt ihn, von morgens bis abends die Anzüge zu tragen, bis er sich darin wie zu Hause fühlt. John F. Kennedys Svengali heißt nicht Terence Young sondern Jackie Bouvier. Sie macht aus dem unordentlichen Millionär im Ivy League Freizeitstil das neue coole Produkt JFK. JFK und James Bond repräsentieren die neue Eleganz des Kalten Kriegs.

Dr. No vermittelt uns - wie alle anderen Bond Filme -  den Eindruck, dass nur englische Geheimagenten die Welt retten können. Das ist natürlich im Jahre 1962 nicht so ganz wahr,  England und der englische Geheimdienst haben international keinerlei Bedeutung mehr. Aber die Schneiderkunst der Savile Row (und der umliegenden Straßen wie Conduit Street oder Cork Street), die gibt es noch, und sie wird jetzt weltweit propagiert. Im Kampf um die Weltherrschaft siegen jetzt nicht Dr. No, Ernst Stavro Blofeld oder Auric Goldfinger. Im Kampf um die Weltherrschaft siegt jetzt die Savile Row. Cool Britannia, noch bevor dieser Spruch erfunden worden ist. The English language and the English suit have spread throughout the world and of the two the suit has probably made the deeper impression, hat Elsie Burch Donald in ihrem London Shopping Guide 1975 gesagt. Sie darf das sagen, weil sie aus dem tiefen amerikanischen Süden kommt. Savile Row versteht man überall auf der Welt. Auch in Japan. Da heißt der Anzug sabiro.

Der amerikanische Geheimdienst, dargestellt durch Felix Leiter, hat natürlich nichts von der Eleganz des englischen Gentleman. Wenn es hoch kommt, ist sein Anzug von Brooks Brothers, aber alles was er trägt, sieht scheußlich aus. Noch scheußlicher ist natürlich das, was die Bösewichte tragen. Wenn die nicht von Bond beseitigt würden, dann hätte sie die clothes police jederzeit festnehmen müssen. Die tragen ja immer eine Art Mao Jäckchen, was scheinbar in der Welt der Bösewichte de rigueur ist. Oder wenn sie wie ein englischer Gentleman aussehen wollen, gelingt ihnen nur die Karikatur davon. Wie Gert Fröbe in Goldfinger. Sein größtes Verbrechen ist nicht der Angriff auf Fort Knox, sein größtes Verbrechen ist das dinner jacket aus braunem Lurex mit goldenem Schalkragen. Einzig Adolfo Celi in Thunderball ist gut gekleidet, aber er ist gezeichnet (wie ein gothic villain) durch diese schwarze Augenklappe, das macht ihn verdächtig.

Die ersten James Bond Filme von Sean Connery sind ganz klar Werbefilme für die englische Herrenmode, auf jeden Fall solange Terence Young Regie führt und Anthony Sinclair die Anzüge schneidert. Zur Damenmode braucht man nicht viel zu sagen, da die Damen in dieser Welt mehr oder weniger unbekleidet sind und häufig schon ein Bikini für den ganzen Film ausreicht, das spart Produktionskosten. Und wenn sie mal ein schickes rotes Kleid anhaben wie Eunice Gayson in Dr. No, dann aber auch nicht für lange. Ian Fleming, der selbst modische Maßstäbe gesetzt hat und sein Ideal der Kleidung in seine Romane hineingeschrieben hat, braucht für seinen Helden am wenigsten Worte. Nebenfiguren und Bösewichte werden manchmal seitenlang, zum Teil mit Nennung von Markennamen, beschrieben und durch ihre Kleidung charakterisiert. Aber kaum etwas über Commander Bond.

Das hat einen simplen Grund, Commander James Bond ist Commander Ian Fleming und kann natürlich nur so gekleidet sein wie Fleming selbst. Erstklassiger Schneider, leichte tonic Stoffe (die man auch in der Karibik tragen könnte, wo Fleming gerne ist), kleine dandyhafte Extravaganzen, wie zum Beispiel ein Umschlag am Jackettärmel. Fleming nimmt an, dass es in seiner Welt (und er kennt wie Bond nur die Welt des Geheimdienstes, der Londoner Clubs, Spielcasinos und Luxusrestaurants) völlig klar ist, wie ein Gentleman gekleidet ist. Das braucht man nicht groß zu beschreiben.

Flemings James Bond Romane sind kein großes Ereignis gewesen, aber die Filme werden es. Obgleich es auch da Konkurrenz gibt. Roger Moore als The Saint mit seinem weißen Volvo P 1800 im britischen Fernsehen, Michael Caine als Harry Palmer in den Len Deighton Verfilmungen. Aber diese Helden haben nicht so gute Schneider und die Filme sind auch keine wirklichen Savile Row Werbefilme. Die Industrie erkennt sehr schnell das Potential der Kunstfigur James Bond. Die James Bond Filme werden zu einer Vermarktungsmaschine. Die Firma DAKS/Simpson startet in den colour supplements von Sunday Times und Observer eine aufwendige Werbeaktion, photographiert von Helmut Newton. Ian Fleming ist dabei überredet worden, sich als Geheimdienstchef M photographieren zu lassen. Die colour supplements mit ihren Nachrichten vom Lifestyle der Sixties sind jetzt etwas ganz Neues, sie kommen gleichzeitig mit dem filmischen James Bond auf die Welt. Natürlich gab es damals in Deutschland auch James Bond Anzüge, den ersten habe ich 1965 in einem Schaufenster von DeFaKa gesehen. Die hatten natürlich mit dem Conduit Cut nichts gemein. Hatten aber ganz viel Geheimtaschen, das braucht ein Möchtegern 007 natürlich. Mein kleiner Bruder hatte so ein Teil, und meine Mutter hat noch Jahre später, als sie den James Bond Anzug in die Kleidersammlung gab, erstaunliche Dinge in den Geheimtaschen gefunden.

Der Rolls Royce Verkäufer aus Australien, der der nächste James Bond ist, trägt noch Anzüge von Anthony Sinclair, wie man hier auf dem Photo von 1969 sehen kann. Sowas könnte man heute noch tragen. Was man auf keinen Fall mehr tragen kann, ist beinahe alles, was Roger Moore anhat. Da nützt es auch nichts, dass das alles von Londoner Prominentenschneidern wie Doug Hayward geschneidert wird. Die Anzüge von James Bond/Sean Connery sind die Anzüge des englischen Establishments, und diese Welt verändert sich kaum. Auch wenn sich die Politik verändert. Was Lazenby neben den Sinclair Anzügen (der ja nur einmal James Bond ist) trägt, ist schon ein bisschen outriert.


Mit Roger Moore wird in den Bond Filmen die Aura des Gentleman, der in dem Londoner Biotop namens Clubland lebt, völlig aufgegeben. Aus dem Gentleman ist der Playboy geworden, der in diesen Filmen bekleidungsmäßig kaum noch von seinen Feinden zu unterscheiden ist, wenn sie nicht gerade das Mao Jäckchen tragen. Es mag sein, dass man, da man nun nicht mehr nur ein englisches Publikum einkalkuliert, sondern das Produkt James Bond Film weltweit verkaufen will, auf einen weltweit schlechten Geschmack setzt. Nicht mehr auf den elitären Savile Row Look. American Gigolo statt Anthony Eden.

Das liegt nun nicht unbedingt an Doug Hayward, der durchaus versuchte, eine konservative, klassische Linie zu behalten: Keep them as classic as possible, as I believe that people will be watching James Bond films in twenty years. During the time that we were making clothes for Roger Moore, there were a lot of new styles and colours being promoted for men. I took a view, therefore, that we should keep noticeable details, such as turnback cuffs, to a minimum. Wenn es nur das gewesen wäre. Der unselige Einfluss geht von Roger Moore selbst aus. Der fühlt sich nämlich zum Designer berufen, nachdem er schon einen großen Teil der Klamotten von der Serie Die Zwei entworfen hatte, er hat auch Verträge mit der Bekleidungsindustrie. Aber was für die Kleidung von Tony Curtis O.K. sein mag, geht ja nun für James Bond gar nicht. Oder nur in the decade that style forgot, wie englische Zeitungen so schön im Rückblick sagten.

Irgendwann war Sean Connery die Figur James Bond leid. Wahrscheinlich ahnte er, dass er in den siebziger Jahren so scheußliche Dinge wie Roger Moore hätte tragen müssen, um hip zu sein. Allerdings hat ihn die Auswahl seiner Filmrollen nicht davor bewahrt, so etwas (Bild links) zu tragen. Aber so wollen wir ihn auf keinen Fall in unserem optischen Gedächtnis behalten. Das Photo ist aus dem Film Zardoz (das sind die letzten Buchstaben von Wizard of Oz) von 1974. Den Film konnte man sich ja damals nur ansehen, weil Charlotte Rampling drin vorkam. Connery hat nie wieder so tolle Anzüge getragen, wie in den frühen James Bond Filmen. Aber das ist ja völlig egal, sagen seine weiblichen Fans. Er kann tragen, was er will, er ist the sexiest man alive. Damit wird ihn noch in einem anderen Anzug sehen, gibt es hier unten noch ein Photo. Das ist kein Photo aus Highlander, nein, das ist die Queen, die gerade Thomas Sean Connery mit dem Schwert adelt. Arise, Sir Sean! Der andere James Bond namens Roger Moore hat seinen KBE drei Jahre später bekommen. Sir Sean wird heute achtzig Jahre alt, und deshalb gibt es hier die herzlichsten Glückwünsche an einen sartorialen Helden meiner Jugend. Many happy returns!















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