Montag, 2. August 2010

Schnellboote


Am 2. August 1943 ist das amerikanische Schnellboot PT 109, das der junge Leutnant John F. Kennedy (im Bild rechts) kommandierte, vor den Salomon Inseln von einem japanischen Kriegsschiff versenkt worden. Kennedy und der größte Teil der Besatzung konnten sich jedoch auf eine Insel retten. Man kennt die Geschichte, es hat ja sogar einen Film darüber gegeben, mit Cliff Robertson in der Hauptrolle. Kennedy hatte den Schauspieler persönlich ausgesucht.

Es ist natürlich nicht so rühmlich für den Kommandanten des Bootes, dass er den Japsen überhaupt nicht gesehen hat, der ist ihm mitten durch das Schnellboot durchgebrettert. Kann man hier auf der Verpackung des Modells von PT 109 sehen. Der Meinung war auch der Oberkommandierende im Pazifik, General Douglas MacArthur: Those PT boats carried only one torpedo [sic]. They were under orders to fire it and then get out. They were defenseless. Kennedy hung around, however, and let a Japanese destroyer mow him down. When I heard about it, I talked to his superior officer. He should have been court-martialed.

Kennedys PT 109 (PT steht für Patrol Torpedo Boat) ist eins der berühmtesten Schnellboote, vor allem in Amerika. Man kann es heute noch als Modellbaussatz kaufen. John F. Kennedy hat sich zum Anfang seiner politischer Karriere im Wahlkampf auch geschickt als Kriegsheld vermarktet. Und für manche patriotischen Amerikaner kommt er gleich nach ➱John Paul Jones (Sir, I have not yet begun to fight!) oder Stephen Decatur (Right or wrong, our country!), aber das waren noch richtige Helden. Sogar Lord Nelson hat ➱Stephen Decatur bewundert. Immerhin muss man Kennedy dafür Respekt zollen, dass er, bei all dem Einfluss, den seine Familie hatte, sich in den Pazifik hatte versetzen lassen und auch nach dem Unglück dort an der Front geblieben ist.

Ich persönlich habe zur Marine ein eher gespaltenes Verhältnis, ich finde die Jungens in Dunkelblau und die mit den Matrosenanzügen eigentlich völlig überflüssig. Und obgleich ich lange bei der Army war, habe ich mir nie die Mühe gemacht, die Marinedienstgrade auswendig zu lernen. Ein Freund meiner Eltern, der Bremer Kapitän Ernst Biet, der noch Jahre, nachdem er als Kapitän beim Norddeutschen Lloyd aufgehört hatte, Probe- und Abnahmefahrten für Werften und Reedereien durchführte, verließ immer panikartig das Schiff, wenn die Bundesmarine es übernahm. Er traute denen nichts zu. Die setzten dann auch wenig später das schöne neue Schiff in Bremerhaven mit einem Krach gegen die Spundwand von der Columbuskaje. Das hat Prince Charles auch mal hingekriegt. Die schönen Geschichten, die Kapitän Biet erzählte (und diese Generation von Kapitänen konnte noch wirklich schöne Geschichten erzählen) waren bestimmt alle wahr. Beim einzigen Mal, wo ich in Uniform auf einem Minenräumboot war, setzte der junge Leutnant zur See, den man ans Ruder gelassen hatte, den Minenräumer sowas von gegen die Kaimauer, dass die Blechschäden hinterher für jedermann offensichtlich waren. Hätte Käptn Biet gefallen. Nicht dass er gegen solche Dinge gefeit gewesen wäre, er hat mal einen riesigen Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd im Hafen von ➱Havanna auf Grund gesetzt. Weil er den Passagieren einen besseren Blick auf Havanna bieten wollte. Seine Frau hörte das nicht so gerne, wenn er diese Geschichte erzählte.

Und da bin ich bei dem zweiten Punkt meines gespaltenen Verhältnisses zur Bundesmarine. Ich komme aus einem kleinen Unterweserkaff, in dem alle deutschen Schnellboote gebaut worden sind. Ich bin mit ihnen aufgewachsen, ich habe sie alle gesehen, bin auch auf manchen drauf gewesen. Als ich klein war, kannte ich alle technischen Details, habe ich inzwischen glücklicherweise vergessen.

Die Werft von Friedrich Lürssen, die die Schnellboote für die Bundesmarine baute, hatte schon die Schnellboote für Hitlers Marine gebaut. Steht auch so im Wikipedia Artikel: Die Entwicklung der deutschen Schnellboote ist auf das Engste mit der Lürssenwerft in Bremen-Vegesack verbunden. Die noch größere Werft in meinem Heimatort, der Bremer Vulkan, baute im Zweiten Weltkrieg U-Boote. Sie ist aber so gut wie nie bombardiert worden, während die AG Weser 15 Kilometer flussaufwärts dem Erdboden gleich gemacht worden ist. Vielleicht lag es daran, dass der Bremer Vulkan dem Baron Heini Thyssen gehörte. Das da links mit einem Lürssen Schnellboot ist eine Sondermarke zum Heldengedenktag 1943, deutsche Schnellboote sind da offensichtlich (auf jeden Fall auf der Briefmarke) immer noch auf dem Wasser. Kennedys PT 109 nicht mehr.

Die Amerikaner wissen im Zweiten Weltkrieg nicht so Recht, welche Rolle sie den Schnellbooten zuweisen sollen. Aber ein junger Leutnant namens John Duncan Bulkeley sieht größere Einsatzmöglichkeiten für seine Boote im Pazifik als die Marineführung. Er wird General MacArthur von den Philippinen nach Mindanao bringen, wo ihm der dankbare General sagt: You have taken me out of the jaws of death. I shall never forget it. Wird er auch nicht, Bulkeley wird alle Orden bekommen, die die USA zu vergeben haben, und der ehemalige PT Boat Kommandant Kennedy wird ihn zum Admiral machen. Aber vorher hatte John Ford ihn schon in dem Film They Were Expendable (1945) unsterblich gemacht. Da warb die Navy schon seit Jahren mit Leutnant Bulkeley auf einem Poster Freiwillige an.

John Ford, den wir immer nur mit Western Filmen verbinden, hat ja auch einmal als Reserveoffizier die Marineuniform getragen. Er hat die Schlacht von Midway live gefilmt (und ist dabei verwundet worden), und er hat auch die Landung in der Normandie in der ersten Angriffswelle gefilmt. Er ist nach dem Zweiten Weltkrieg noch Admiral der Reserve geworden.
Denn so kennen wir ihn kaum, den Westernregisseur als Admiral mit echten Orden. Es ist wahrscheinlich die Verbundenheit mit der Marine, die Ford 1945 diesen kleinen, stillen, melancholischen Film über die Schnellboote drehen ließ. Robert Montgomery und John Wayne spielen die Marineleutnants Bulkeley und Kelly.

Der Film basiert auf dem 1942 erschienenen Buch They Were Expendable von William Lindsay White: A U.S. national bestseller when it was originally published in 1942 and the subject of a 1945 John Ford film featuring John Wayne, 'They Were Expendable' offers an account of Motor Torpedo Boat Squadron Three's heroic actions during the disastrous Philippine campaign early in World War II. The author uses an unusual and effective format to tell the story: an interview with the four young survivors whose names are forever linked with the tragedy - John Bulkeley, Robert Kelly, Anthony Akers, and George Cox. Deeply moving, it describes Squadron Three's brave exploits, from the first appearance of Japanese planes over Manila Bay to its calamitous end, including a thrilling account of Gen. Douglas MacArthur's escape from Bataan.

John Ford hat ➱John Wayne bei den Dreharbeiten richtig hart rangekommen, wahrscheinlich wollte er ihn spüren lassen, dass er es nicht so gut fand, dass Wayne keinerlei Anstrengungen gemacht hatte, um Soldat zu werden. Gut, er war eigentlich schon zu alt, aber Clark Gable, der noch viel älter war als John Wayne ist freiwillig Bomberpilot geworden. Nach der Biographie von Maurice Zolotov soll John Wayne sogar geweint haben: Wead [der Drehbuchautor] was in his naval uniform at that conference in Ford's office. So was Robert Montgomery... Wayne was in gray flannel slacks, a brown sports shirt, and a brown hound's-tooth jacket... the three naval officers [Wead, Ford, and Montgomery] were on leave from their duties to make the movie... The four men drank and discussed Ford's conception of the film and what he wanted, and Montgomery and Wead were throwing ideas on the table... Wayne was quiet... Suddenly Wayne got up. He went to the private bathroom in Ford's office suite. He remained there for a long time... When he emerged, Montgomery and Wead were gone. Ford had dismissed them. Wayne was red-eyed. He had been weeping. He had run the water loudly and cried. He felt ashamed of himself. He felt disgraced by his civilian clothes. Ford knew he had wanted to be in the service, especially the Navy. Ford's heart went out to him. He was a soft sentimental Irishman under his mean facade. Ford felt he would cry himself in another minute. Finally he decided to give Duke the cold water treatment... Wayne was shocked out of his self-pity... He knew that Ford knew he had done his best to get into the Navy. And he had done the USO tours close to the battle zones... Ford knew. That was enough.

Robert Montgomery, der neben John Wayne spielt, ist älter als John Wayne, und er war Lieutenant Commander in der Marine. Hat da, wo Kennedy unterging, eine ganze Einheit von PT Boats kommandiert, da kennt er sich für den Film bestens aus. Als Ford bei den Dreharbeiten mal eine Woche krank ist (er hatte sich bei den Dreharbeiten ein Bein gebrochen), überträgt er Robert Montgomery die Regie. Das hat John Wayne wehgetan, den später alle Amerikaner für einen Kriegshelden hielten, weil er in so vielen Kriegsfilmen mitgespielt hat. Er sieht aber in Uniform auch immer gut aus.

They were expendable ist ein Kriegsfilm, aber es ist der stillste Kriegsfilm, den ich kenne. Hat nicht die Dramatik von The Caine Mutiny. MacArthur kommt auch drin vor (natürlich nicht der richtige), den kriegt man ja einfach hin: weißer Trenchcoat, Sonnenbrille und dann diese corn cob Pfeife, die unter Pfeifenrauchern auch den Namen Mississippi Meerschaum hat. Im Gegensatz zu den Kriegsfilmen, die seit diesem gedreht worden sind, hat der Film wenig Dramatisches an sich (die Szenen, in denen Schnellboote gegen die Japaner kämpfen wirken so, als ob sie gar nicht zu dem Film gehörten). Er wirkt eher wie ein langer Dokumentarfilm, er ist auch sehr lang, 136 Minuten. MGM hat an den Anfang noch die Botschaft gesetzt: Metro Goldwyn Mayer Proudly Presents The Most Significant The Glorious Adventure of Our Time, in der Hoffnung, damit Zuschauer anlocken zu können. Aber wenn der Krieg zu Ende ist, ist die Nachfrage nach Kriegsfilmen gering. Es wird immer gesagt, dass der Film in den Kinos ein Flop war, aber das stimmt nicht, Amerika wollte diesen Film sehen. Manche der Dargestellten haben das Studio verklagt. Commander Robert Kelly fand John Waynes Darstellung libelous, er bekam 3.000 Dollar zugesprochen. Die Krankenschwester Beulah Greenwalt fühlte sich von Donna Reed missrepräsentiert und erstritt 290.000 Dollar, weil ihre Anwälte dem Gericht glaubhaft machen konnten, dass die Andeutung einer Liebesaffäre cheapened her character. Marineleutnant Beulah Greenwald ist drei Jahre in japanischer Kriegsgefangenschaft gewesen, vielleicht sieht sie das Geld als Kompensation für die Zeit. Andere sind da nicht so glücklich. Beulah Greenwalt hat das japanische Lager überlebt und ist 1993 in Kalifornien gestorben.

Der Unterwasserarchäologe Robert Ballard hat 2002 die Reste von PT 109 auf dem Meeresgrund bei den Salomon Inseln entdeckt. Es wundert mich, dass ➱Clive Cussler nicht auf diese Idee gekommen ist.

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