Sonntag, 12. Mai 2019

Bundesmarine


Mit gefällt (fast) alles, was Sie schreiben. Nur mit der Marine sind wir über Kreuz, aber was kann ich schon von einem “unedlen Grau des Feldes“ erwarten, schrieb mir ein Freund. Er spielte darauf an, dass ich in meinem Blog gelegentlich (wie zuum Beispiel in den Posts Unsere Marine und Minen) leicht gehässige Bemerkungen über die Bundesmarine gemacht habe. Ich muss das relativieren und erklären, ich fange mal mit diesem Schiff hier an. Sieht aus wie die Gorch Fock (die hier schon einen Post hat), segelt aber unter amerikanischer Flagge. Die USCGC Eagle kam an diesem Wochenende in Kiel an und lag auf dem Stammplatz der Gorch Fock.

Das Segelschulschiff der Bundesmarine war 1958 vom Stapel gelaufen. Die 14-jährige Ulli Kinau taufte das Schiff auf den Namen ihres Onkels Johann, der unter dem Künstlernamen Gorch Fock berühmt geworden war. Und das Ganze auf Platt: Boben dat Leben steiht de Dod, aber boben den Dod steiht wedder dat Leben. Ick döp di op den Naam 'Gorch Fock'!" Die Feier wurde allerdings davon überschattet, dass ein Jahr zuvor der Großsegler Pamir untergegangen war (lesen Sie dazu mehr in dem Post Wetter). Diese Gorch Fock ist genau genommen die Gorch Fock II, ihr Schwesterschiff liegt im Hafen von Stralsund.

Die Gorch Fock, die zwanzig Jahre jünger ist als die USCGC Eagle, segelt zur Zeit nicht. Sie liegt in Elsfleht und verbirgt sich unter den Tarpaulinmassen hinter Ursula von der Leyen. Sie ist für die Bundesmarine das Äquivalent zum Flughafen BER. Reden wir lieber nicht über den Skandal mit der Werft in Elsfleth, der den Steuerzahler Millionen kostet. Fragen wir uns lieber, warum die USCGC Eagle, die bei Blohm und Voss als Horst Wessel gebaut wurde, schwimmt und die Gorch Fock nicht. Auch die Eagle ist in den letzten Jahren in der Werft gewesen, allerdings in einer Werft, die der US Coast Guard gehörte. Da hat man Kontrolle über das, was man macht. Die vierjährige Überholung soll 28 Millionen Dollar gekostet haben, die Kosten für die Gorch Fock werden inzwischen auf 135 Millionen geschätzt.

Die Bundesmarine beschäftigt zur Zeit einen Admiral, vier Vizeadmiräle, neun Konteradmiräle und 18 Flotillenadmiräle. Hätte man nicht ein paar von denen nach Elsfleht schicken können, um die Reparaturarbeiten an der Gorch Fock zu überwachen? In dem Post Admiräle habe ich geschrieben: Echte Sorgen mache ich mir nicht, es gibt eh zu viele von der Spezies Admiral. Das hat Cyril Northcote Parkinson, dem wir die schöne Biographie The Life and Times of Horatio Hornblower und ein halbes Dutzend Seeromane verdanken, schon in seinem Buch Parkinson's Law bewiesen. Das von ihm gefundene Gesetz über die Vermehrung der Beamtenstellen kennen wir alle aus dem alltäglichen Leben. Parkinson nahm in seinem Buch dafür Statistiken der Royal Navy als Beispiel. Im Jahre 1914 hatte England 62 Schlachtschiffe, Panzerkreuzer und Kreuzer, die von 2.000 Beamten in der Admiralität verwaltet wurden. 1928 waren es nur noch zwanzig Schiffe, aber es gab mittlerweile 3.569 Beamte. Auch heute hat sich das Missverhältnis nicht geändert: vor drei Jahren kamen auf 19 einsatzfähige Kampfschiffe vierzig Admiräle und 260 Kapitäne. Man fragt sich bei solchen Zahlen immer wieder: was machen die alle?

Lassen wir mal den augenblicklichen Zustand der Bundesmarine weg, ich muss weiter zurückgehen, um meine leichte Aversion gegen die Marine zu erklären. Niemand aus meiner Klasse ist zur Marine gegangen, selbst Dirk H. nicht, dessen Vater in dritter Generation eine kleine Werft besaß. Manche verweigerten den Wehrdienst, andere wie Gert Börnsen zogen nach Berlin, um der Einberufung zu entgehen. Der Rest ging zum Heer oder zur Luftwaffe, aber nicht zur Marine. Sie besaß kein Ansehen. In dem kleinen Kaff, aus dem ich komme, arbeiteten Werften wie Lürssen und Abeking und Rasmussen damals für die Bundesmarine. Bauten Schnellboote, den Tender Neckar, Korvetten und solche Dinge. Aber die Werftarbeiter ließen die jungen Marineoffiziere nicht ans Ruder, wenn es um schwierige Manöver ging. Nicht solange das Schiff noch nicht abgenommen war. Kapitän Ernst Biet hat mir mal erzählt, dass er bei der Übergabe eines Schiffes an die Bundesmarine sofort auf dem begleitenden Schlepper war, wenn der Kaleu das Schiff übernommen hatte. Und es kurz danach mit Aplomb in Bremerhaven gegen die Columbuskaje setzte.

Ich wäre dazu prädestiniert gewesen, die Marine zu lieben. Unserem Haus gegenüber stand eine Villa, auf deren Steintafel über dem Eingang stand: Auf diesem Landsitz wohnte Arnold Duckwitz 1802 bis 1881 Bürgermeister von Bremen 1848 Reichshandelsminister in Frankfurt a.M. Gründer der ersten deutschen Reichskriegsflotte. Ohne Duckwitz, der Rudolf Brommy zum esrten deutschen Admiral machte, hätte es die deutsche Marine vielleicht nicht gegeben. Es wäre ein Grund für die Bundesmarine gewesen, bei Jubiläen mal eben eine Abordnung von Marinesoldaten vor die Villa zu stellen. Bei der Royal Navy hätte man so etwas gemacht. Wir aber haben keine Traditionspflege, das ist zu bedauern.

Meine Eltern waren mit vielen Kapitänen befreundet. Die eigene Schiffe hatten oder wie Ernst Biet Ozeanriesen des Norddeutschen Lloyds befehligten. Master next to God. Beinahe alle Kapitäne, die meine Eltern kannten, waren im Zweiten Weltkrieg Marineoffiziere gewesen. Hermann Bögel hatte ein Ritterkreuz bekommen, hat das aber nie erzählt. Hein Janssen (den ich mal in der Nacht von Holland nach Bremen fuhr) war auf dem U-Boot U 55 gewesen und in englische Kriegsgefangenschaft geraten. In den fünfziger Jahren bekam er sogar einmal Besuch von Admiral Dönitz, Traditionspflege der anderen Art. Dönitz wusste, wo Vegesack war, schließlich waren hier auf dem Bremer Vulkan seine U-Boote gebaut worden.

Ernst Biet, der schon im Ersten Weltkrieg auf U-Booten gefahren war, kommandierte im Zweiten Weltkrieg als Kapitän zur See der Reseve den Minenleger Ulm (hier mit Tarnanstrich), der von der HMS Onslaught versenkt wurde. Biet war der letzte, der von Bord ging, aber der erste, den die Engländer auffischten. Er hatte ja noch versucht, der HMS Onslaught zu entgehen und sogar die amerikanische Flagge hissen lassen, um die Engländer zu täuschen. Über das Schiff und die Besatzung war er nicht glücklich, der Minenleger Ulm war nämlich eigentlich ein Bananenfrachter, der in kürzester Zeit zu einem Behelfskriegsschiff umgebaut worden war.

Bis auf den Kap Hornier Hugo Gottsmann, der ein Schulschiff kommandierte und mir das Segeln beibrachte, der ein wenig verschlossen war, haben mir diese Männer, deren ganzes Leben die See war, vieles erzählt. Sie erzählten diese Geschichten nicht jeden Tag, sie prahlten nicht mit ihrem Krieg. Wenn ich daran zurückdenke, klang manches wie eine Lebensbeichte. Ein Versuch, einem Jüngeren diese Vergangenheit zu erklären. Ich weiß es nicht. Ich ging bei ihnen ein und aus und durfte auch mal auf ihren Schiffen mitfahren, was eine tolle Sache war, wenn man jung ist. Aber es hat mich nie zur Marine gezogen, darüber habe ich wohl schon etwas gesagt, als ich über Schnellboote schrieb. Ich glaube da steht auch drin, dass bei dem einzigen Mal, als ich auf einem Minenräumer mitgefahren bin, ein junger Leutnant zur See das Ding in Bremerhaven mit einem Krach gegen die Hafenmauer gesetzt hat. Nach dem, was mir Käpt'n Biet zuvor über die mangelnden nautischen Fähigkeiten der jungen Bundesmarineoffiziere erzählt hatte, fand ich das ganz passend.

Ernst Biet, der Charatan Pfeifen rauchte, weil er Dunhill zu prollig fand, hatte für die Bundesmarine kein gutes Wort übrig. Die Kapitäne Hein Janssen, Hermann Bögel und Jan Kampen auch nicht. Mit ihren Meinungen bin ich aufgewachsen, und wenn ich mich umschaute, gab es nichts, was der Bundesmarine einen Glanz verlieh. Und deshalb mache ich manchmal spöttische Bemerkungen. Was einem heute natürlich, wenn man an die Einsatzfähigkeiten von U-Booten, Fregatten und der Gorch Fock denkt, ganz leicht fällt.

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