Als Motto für sein Buch über Harro Harring zitierte Peter Matthews die Odyssee: Erzähle auch uns davon, Göttin, Tochter des Zeus, und fang einfach irgendwo an. Dieses fang einfach irgendwo an gefiel mir, das hätte von mir sein können, könnte das Motto meines Blogs sein. Matthews setzt dem Zitat ein frei nach Homer hinzu. Wie frei ist das? Bei dem guten alten Johann Heinrich Voß klingt der Satz ganz anders: Sage hiervon auch uns ein weniges, Tochter Kronions. Da ist im Musenanruf kein fang einfach irgendwo an, ist das frei nach Homer vielleicht zu frei? Die Übersetzung von Voß hat sich als Klassiker eingebürgert, aber es gibt andere Übersetzungen. Zum Beispiel die von Kurt Steinmann, der gerade den Johann Heinrich Voß-Preis erhalten hat. Und der übersetzt das τῶν ἁμόθεν γε, θεά, θύγατερ Διός, εἰπὲ καὶ ἡμῖν so: davon berichte - beginn, wo du willst - , Zeus' Tochter auch uns nun! Die amerikanische Gräzistin Emily Wilson schlägt für die Zeile Tell the old story for our modern times. Find the beginning vor. Dieses find the beginning ist ein klein wenig anders als beginn, wo du willst. Dieser Anfang, mit dem irgendwo anfangen, ist etwas, was uns Voß unterschlägt.
Jeder Erzähler fängt irgendwo an. Ich habe einmal auf einem Kindergeburtstag einer gelangweilten Schar von Gören die Geschichte von Sir Gawain and the Green Knight erzählt, und ich hatte nach wenigen Minuten ihre volle Aufmerksamkeit. Natürlich habe ich den Text verändert. Der englische Dichter Simon Armitage hat das Cotton Nero A.x. Manuskript mit seiner Übersetzung verändert. Homers Odyssee ist, wenn es jemals eine Originalfassung gab, auch immer wieder verändert worden. Jeder Übersetzer schreibt einen neuen Text, das können wir Johann Heinrich Voß nicht zum Vorwurf machen. Die Übersetzung von Voß ist im Internet zu finden, man kann sie heute immer noch kaufen. Auch unter anderem Namen wird sie gehandelt. Der Tempel Verlag und später Heimeran in seiner Tusculum Bücherei boten eine Übersetzung von Hans Rupé, was nichts als eine kosmetische Behandlung der Übersetzung von Voß war.
Ich gebe mal eben als eine kleine Leseprobe den Anfang der Odyssee in der Übersetung von Kurt Steinmann:
Muse, erzähl mir vom Manne, dem wandlungsreichen, den oft es
abtrieb vom Wege, seit Trojas heilige Burg er verheerte.
Vieler Menschen Städte sah er und lernte ihr Denken
kennen und litt auf dem Meer viel Qual in seinem Gemüte,
trachtend, sein Leben zu sichern und seinen Gefährten die Heimkehr.
Gleichwohl rettete er sie nicht, wie sehr er es wünschte;
denn sie gingen durch eigene Freveltaten zugrunde,
Narren, die des Hyperion-Sohnes, des Helios, Rinder
in sich stopften; doch der nahm ihnen den Tag ihrer Heimkehr.
davon berichte – beginn, wo du willst –, Zeus’ Tochter, auch uns nun!
Alle die andern, soweit sie dem jähen Verderben entkommen,
waren bereits zu Hause, entronnen dem Krieg und dem Meere;
ihn allein, der vor Sehnsucht verging nach Heimkehr und Gattin,
hielt die Nymphe Kalypso zurück, die Göttin, die Herrin,
in dem Grottengewölbe, drauf brennend, er werde ihr Gatte.
waren bereits zu Hause, entronnen dem Krieg und dem Meere;
ihn allein, der vor Sehnsucht verging nach Heimkehr und Gattin,
hielt die Nymphe Kalypso zurück, die Göttin, die Herrin,
in dem Grottengewölbe, drauf brennend, er werde ihr Gatte.
Doch als nun kam das Jahr im Umlauf der Zeiten,
da ihm die Götter zugesponnen, nach Hause zu kommen,
heim nach Ithaka, konnt’ er auch dort nicht entrinnen den Kämpfen,
auch nicht unter den seinen. Die Götter erbarmten sich alle,
nur nicht Poseidon: der zürnte dem göttergleichen Odysseus
da ihm die Götter zugesponnen, nach Hause zu kommen,
heim nach Ithaka, konnt’ er auch dort nicht entrinnen den Kämpfen,
auch nicht unter den seinen. Die Götter erbarmten sich alle,
nur nicht Poseidon: der zürnte dem göttergleichen Odysseus
unablässig und heftig, bevor in sein Land er gelangte.
Jener aber war zu den fernen Aithiopen gegangen –
Aithiopen, die zweifach verteilt sind, die äußersten Menschen,
teils dort, wo die Sonne herabsinkt, teils, wo sie aufgeht –,
daß er ein Opfer empfange von hundert Stieren und Widdern.
Dort nun saß er sich labend beim Mahl; die anderen aber
waren alle in Zeus’, des Olympiers, Sälen versammelt.
Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter,
denn er gedachte im Herzen des tadelfreien Aigisthos,
den ja Orest, Agamemnons Sohn, der berühmte, erschlagen.
Dessen gedachte er nun und sprach zu den Göttern die Worte:
'Nein, wie töricht klagen die Sterblichen an doch die Götter!
denn von uns her, sagen sie, kämen die Übel, doch auch selbst
schaffen sie Qual sich – über ihr Los – durch eigene Frevel.
Das liest sich doch sehr gut. Die Übersetzung ist im deutschen Penguin Verlag lieferbar, das preiswerteste Angebot für 12 Euro. Und während sie noch auf die Lieferung warten, könnten Sie noch den Post Heldensagen lesen.
Jener aber war zu den fernen Aithiopen gegangen –
Aithiopen, die zweifach verteilt sind, die äußersten Menschen,
teils dort, wo die Sonne herabsinkt, teils, wo sie aufgeht –,
daß er ein Opfer empfange von hundert Stieren und Widdern.
Dort nun saß er sich labend beim Mahl; die anderen aber
waren alle in Zeus’, des Olympiers, Sälen versammelt.
Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter,
denn er gedachte im Herzen des tadelfreien Aigisthos,
den ja Orest, Agamemnons Sohn, der berühmte, erschlagen.
Dessen gedachte er nun und sprach zu den Göttern die Worte:
'Nein, wie töricht klagen die Sterblichen an doch die Götter!
denn von uns her, sagen sie, kämen die Übel, doch auch selbst
schaffen sie Qual sich – über ihr Los – durch eigene Frevel.
Das liest sich doch sehr gut. Die Übersetzung ist im deutschen Penguin Verlag lieferbar, das preiswerteste Angebot für 12 Euro. Und während sie noch auf die Lieferung warten, könnten Sie noch den Post Heldensagen lesen.
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