Samstag, 15. April 2017

Eternal Spring


Heute vor 260 Jahren ist die Malerin Rosalba Carriera gestorben, eine Meisterin der Pastellmalerei. Sie hat mit Miniaturen begonnen und hat Tabakdosen für Schnupftabak bemalt. Wenn Sie den Post ➱Dollarnoten, in dem man Joshua Reynolds mit seiner Schnupftabakdose sehen kann, gelesen haben, dann wissen Sie, welche Bedeutung diese Tabakdosen damals hatten. Dieses Bild von Rosalba Carriera heißt Frühling. Wohl wegen der Blumen. Ist aber nicht so recht überzeugend, wenn wir an ➱Botticellis schöne Frühlingsbilder denken.

Unser Frühling lässt noch auf sich warten. In England ist er offensichtlich schon weiter. Dies Photo hat mir die Daniela letzte Woche aus Richmond geschickt. Da gibt es, wie wir hier lesen können, ein Spring House, ein Haus für den Frühling. Mit viel mehr Flora als bei Rosalba Carriera. Bei dem Wort spring fiel mir eine Gedichtszeile ein, in der eternal spring vorkam, aber ich konnte sie nicht zuordnen. Ich testete das Internet und erfuhr, dass das Gedicht City of Eternal Spring von Afaa M. Weaver vor Jahren auf der Liste des amerikanischen Poetry Month stand. Und dass Medellín die City of Eternal Spring genannt wird. All das half mir nicht weiter.

Ich wollte es schon aufgeben, doch ich dachte mir, wenn ich das tue, dann schlafe ich schlecht. Und da hatte ich die Idee, meinen eigenen Blog zu testen.  Der ist ja schon eine Art Lexikon geworden. Und siehe da, da steht ein Gedicht, in dem sich eternal spring findet. In einem Uhrenpost, der den etwas rätselhaften Namen ➱Groschmann Dägi hat. Das Gedicht ist von Elizabeth Macklin, es wurde einmal im New Yorker abgedruckt. Den New Yorker las ich damals regelmäßig, weil ➱Peter Gutkind ihn mir immer zuschickte, wenn er ihn gelesen hatte. Ich fand das Uhrengedicht von Elizabeth Macklin damals sehr schön (Before they became mysterious and quartz, we longed to learn the workings of watches: eternal spring!) und schrieb es mir ab. Jahre später las ich in dem Schweizer Magazin Du ein Preisrätsel der IWC. Nicht in diesem Heft, das habe ich nur abgebildet, weil das ein sehr gutes Heft über ➱John le Carré ist.

In einem langen Text in dem Heft aus dem Jahre 1997 waren zehn Zitate versteckt, die sollte man herausbekommen. Mit Titel und Autor. Ich erkannte sofort das Gedicht von Elizabeth Macklin und dachte mir, dass niemand das kennen würde. Alles andere würde ein Klacks sein (war es nicht). Es war ein früher Sonntagmorgen, ich trank noch meinen Tee und begann gerade, mir eine Pfeife zu stopfen. Es wurde ein three pipe problem, wie ➱Sherlock Holmes gesagt hätte. Ich hatte keinen Computer, und ich glaube, mein Seminar hatte vor zwanzig Jahren auch noch keinen. Am Abend war meine Wohnung verwüstet, aber ich hatte beinahe alles gelöst. Am nächsten Tag war Einsendeschluss. Wenn Sie es selbst probieren möchten, hier ist der ➱Originaltext (aber bitte ohne Computer). Um die Geschichte kurz zu machen: ich war der einzige, der alles lösen konnte und gewann den ersten Preis des Jubiläumspreisrätsels der IWC. Diese Uhr da oben, auch nach zwanzig Jahren noch ein cooles Teil. Kostete damals beinahe so viel wie zwei ➱Rolex Uhren.

In den nächsten Jahren habe ich diese IWC GST, die extra für mich gemacht worden ist, in jedem Lyrikseminar einmal hochgehalten und den Studies gesagt, dass man so etwas nur gewinnen kann, wenn man ganz viele Gedichte liest. Und das war ja nicht gelogen. Und natürlich hätte ich das Lösen des Preisrätsels gar nicht erst angefangen, hätte ich nicht das Gedicht von Elizabeth Macklin erkannt. Dann hätte ich meine Pfeife geraucht, die ➱Zeit und den Observer gelesen. Aber nicht meine Bibliothek auf der Suche nach Zitaten verwüstet. Ich bin Elizabeth Macklin immer noch dankbar. Und ich habe diesen Post mit der IWC am Handgelenk geschrieben. Falls einer meiner Leser zufällig Elizabeth Macklin kennt, dann möge er ihr doch erzählen, dass es hier einen Blogger gibt, der ein Monster aus hochpoliertem Edelstahl am Arm hat, nur weil ihm die Zeilen Before they became mysterious and quartz, we longed to learn the workings of watches: eternal spring! so gut gefallen haben. Und deshalb gibt es heute ein Gedicht von der Frau, deren Lyrik der The New Yorker 1992 als graceful and halting, quartzlike in precision beschrieb. Es hat den Titel Wise:

I am in awe
of what I feel about you
if I let myself feel.
I have no argument with it.
I want to go on with this
marvel of not having
to disguise a thing:
I’ve gotten wise,
they used to say
in my parents’ generation
in another style,
as wise moved along over time
getting smaller and smaller,
farther outside, and outsized.
Like the music I used to run from the room from
as soon as it started to wail from the hi-fi
before I was ever in love,
eager for the outside opinion.
Desires change over time,
and myself, I am in awe,
and disguise one thing.

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