Obgleich die Parklücke genügend groß gewesen wäre, stand der nagelneue BMW schräg in der Lücke. Die andere Hälfte ragte in die Fahrbahn der Hauptstraße. Ich schaute mir das fahrerische Meisterwerk von allen Seiten an, weil ich nicht mehr aus meiner Parklücke kam. Ich setzte mich in mein Auto und tippte auf die Hupe, in der Hoffnung, dass jemand mit ein klein wenig Unrechtsbewußtsein den BMW dort wegbewegen würden. Eine ältere, aber ewig jugendliche, blonde Society Schnepfe erschien, die zwar die Fahrerin des Wagens war, aber null Unrechtsbewußtsein hatte. Da half es auch nichts, dass ich sie auf den Paragraphen Eins der Straßenverkehrsordnung hinwies. Ich sei doch nur neidisch, weil ich keinen BMW besäße, bekam ich zu hören. Schließlich hätte sie seit zweiundfünfzig Jahren einen Führerschein. Und sie könne mir noch Fahrstunden geben. Das lehnte ich dankend ab und versicherte ihr, dass sie, mit Verlaub, total bescheuert sei. Während sie in ihren neuen BMW stieg, hatte sie noch viel zu sagen, aber ich hörte nicht mehr hin. Sie kam gerade aus der Apotheke, und ich überlege immer noch, was die ihr da verkauft haben.
Gregory Nunzio Corso, von dem das Gedicht heute ist (sie können es ➱hier auch hören), hat in seinem Leben auch einiges eingeworfen. Also solche Sachen, nach deren Genuss man sich nicht mehr ans Steuer setzen sollte:
Last night I drove a car
not knowing how to drive
not owning a car
I drove and knocked down
people I loved
... went 120 through one town.
I stopped at Hedgeville
and slept in the back seat
... excited about my new life.
Er hatte ein erstaunliches ➱Leben. Er war sogar in Deutschland berühmt, weil er zusammen mit Walter Höllerer das Buch ➱Junge amerikanische Lyrik herausgegeben hatte. Da war ➱Brinkmann mit seinem Band Silver Screen: Neue amerikanische Lyrik noch nicht auf dem Markt. Damals hatte Höllerer in Berlin mit seinem Literarischen Colloquium die Hand am Puls der Zeit. Wir in Kiel manchmal auch mal, das lag meistens an ➱Peter Freese. Ein Hauptseminar über ➱Marshall McLuhan war in den sechziger Jahren eine revolutionäre Sache, heute ist bei der Verarmung und Verflachung des Studiums an so etwas überhaupt nicht mehr zu denken.
Mit sechzehn kam Gregory Corso ins Gefängnis, es wurde für ihn ein Bildungserlebnis. Beschützt von Mafia Gangstern, die den Kleinen für ein Genie hielten. Das Gefängnis wurde seine Universität, er las und las. Er hatte die Zelle von Lucky Luciano bekommen, der dem Gefängnis seine Bibliothek schenkte, als er Clinton Prison verließ. Lucky Lucianos Zelle besaß eine Lampe, die nachts nicht abgeschaltet wurde, so konnte Corso auch in der Nacht lesen. Seinen zweiten Gedichtband widmete Corso den angels of Clinton Prison who, in my seventeenth year, handed me, from all the cells surrounding me, books of illumination. Ein Kleinkrimineller, ein Mafiaboss und ein Bildungserlebnis, es ist eine erstaunliche Sache.
Der Dichter, der ihn am meisten beeinflusst hat, ist ➱Percy Bysshe Shelley gewesen. Ich weiß, dass Shelley etwas anders aussah als diese Frau hier, aber das ist Elisabetta Pozzi als Percy Bysshe Shelley in dem Film ➱Bomb! Burning Fantasy: The Poetry and the Life of Gregory Corso. So etwas muss auch mal sein, dass man etwas schräge Filme über einen der letzten der Beat Poetry dreht. Gregory Corso hat in Oxford den Boden von Shelleys Zimmer geküsst - und er ist zu Füssen von Shelleys ➱Grab in Rom beerdigt worden. Mehr Shelley Verehrung geht nicht. In seinem Gedicht I Held A Shelley Manuscript, da klingt der Autor von ➱Bomb schon beinahe wie ein englischer Romantiker:
My hands did numb to beauty
as they reached into Death and tightened!
O sovereign was my touch
upon the tan-inks's fragile page!
Quickly, my eyes moved quickly,
sought for smell for dust for lace
for dry hair!
I would have taken the page
breathing in the crime!
For no evidence have I wrung from dreams--
yet what triumph is there in private credence?
Often, in some steep ancestral book,
when I find myself entangled with leopard-apples
and torched-skin mushrooms,
my cypressean skein outreaches the recorded age
and I, as though tipping a pitcher of milk,
pour secrecy upon the dying page.
Noch mehr Automobile hier: Verkehrsunfall, Roadkill, Porsche, Number One, automobilia, Mercédès. Und wenn Sie eine BMW Fahrerin beim Einparken sehen wollen, dann klicken Sie ➱hier.
O sovereign was my touch
upon the tan-inks's fragile page!
Quickly, my eyes moved quickly,
sought for smell for dust for lace
for dry hair!
I would have taken the page
breathing in the crime!
For no evidence have I wrung from dreams--
yet what triumph is there in private credence?
Often, in some steep ancestral book,
when I find myself entangled with leopard-apples
and torched-skin mushrooms,
my cypressean skein outreaches the recorded age
and I, as though tipping a pitcher of milk,
pour secrecy upon the dying page.
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Vielleicht sollten Sie doch allmählich den grünen Jaguar mit roten Sitzen in Erwägung ziehen. Das bringt Ihnen dann bestimmt auch den Respekt der Society Damen ein.
AntwortenLöschenAlternativ würde mich ein Artikel zur "Kieler High Society" sehr erfreuen, die suchte ich nämlich bisher vergebens...