Donnerstag, 5. Februar 2015

Joos de Momper


Da tummeln sich die Schlittschuhläuferauf dem Eis, auf diesem Bild des flämischen Malers Joos de Momper. Der ist am 5. Februar 1635 gestorben, und er hätte es eigentlich verdient, dass man über ihn schreibt. Aber ich habe keine Zeit, ich schreibe noch an diesem dicken fetten Post über Palladio, den ich morgen hier einstellen will. So könnte es bei diesem hübschen Bild und dem Hinweis auf den schönen Post ➱Schlittschuhlaufen bleiben.

Wenn ich da nicht letztens in einem Buch von Anne Duden eine Karte mit diesem Bild von Hendrick Averkamp gefunden hätte: Golfspieler auf dem Eis. Wie abgefahren ist das denn? Ich finde es jetzt, wo man schon seit Jahren nicht mehr richtig Schlittschuhlaufen kann, eigentlich sehr schön, dass der Post Schlittschuhlaufen schon viele tausend Mal angeklickt worden ist. Es ist ein Stück Erinnerung an etwas, was einmal war.

Und so gebraucht der Autor, den ich gerade gelesen habe, auch das Schlittschuhlaufen, wenn er schreibt: Die Landschaft, in der man geboren und aufgewachsen ist, kann man nicht hassen. Sie erscheint wieder in Träumen – die Landschaft der Träume ist die Landschaft der Kindheit, sie ist der Fluss, auf dessen zugefrorener Hälfte, die andere blieb für die Schiffahrt offen, wir des Winters, nicht ohne Gefahr, weit hinaus ins Bruch Schlittschuh liefen. Das Buch heißt Da steht mein Haus: Erinnerungen. Geschrieben hat es Hans Keilson, der an der Oder aufgewachsen ist, aber den größten Teil seines Lebens in Holland verbracht hat. Es ist ein kleines Buch nach der Zahl der Seiten, aber ein großes Buch nach dem Gehalt. Und es ist sprachlich ein Zauberwerk, das ganz schlicht und einfach daherkommt: die Landschaft der Träume ist die Landschaft der Kindheit.

Er muss die Landschaft der Träume, die Landschaft der Kindheit verlassen. 1933 erschien sein Roman Das Leben geht weiter beim S. Fischer Verlag. Er war der letzte jüdische Autor des alten Samuel Fischer. Gerade noch zeitig genug, um verboten zu werden, hat er mit seinem typischen Humor später über seinen Romanerstling gesagt. Hans Keilson emigriert nach Holland. Als die Nazis auch in das Land von Joos de Momper und Hendrick Averkamp einfallen, geht er in den Untergrund. Nach dem Krieg behandelt der Arzt und Psychoanalytiker traumatisierte jüdische Kinder. Dr Hans Keilson hat ein anderes Leben als ➱Dr Gottfried Benn.

Da steht mein Haus: Erinnerungen ist ein Buch, das auf den Lehrplan von Schulen gehört. Francine Prose von der New York Times hat Keilson 2010 one of the world's greatest writers genannt. Da war Keilson gerade 101 Jahre alt geworden (er wollte gerne älter als Leni Riefenstahl werden, er hat es geschafft). Und da fühlte er sich nicht mehr als Deutscher: In der Fremde zu Hause — man hat mich oft gefragt, wie ich zu diesem paradox erscheinenden Bild gelangte. Meine Antwort war, dass ich hier, in Holland, schließlich meine Arbeit gefunden hätte, nicht irgendeine, sondern meine Arbeit, mit Kindern und Erwachsenen, mit Überlebenden der Besetzung, Verfolgung und Deportation, mit Juden und Nicht-Juden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen