Samstag, 30. Juli 2022
Made in Italy: Lorenzini
Dienstag, 26. Juli 2022
skying
Was sich nicht halten, nicht erreichen läßt,
Er faßt es an, er hält zuerst es fest;
Bestimmt das Unbestimmte, schränkt es ein,
Benennt es treffend! - Sei die Ehre dein!
In dem Jahr, in dem Goethe Howards Ehrengedächtnis schreibt, beginnt ein englischer Maler mit einer Tätigkeit, die er skying nennt, schnelle Skizzen vom Himmel und den Wolken anzufertigen. Die über einhundert cloud studies, die er 1821 und 1822 malt, wird er nicht verkaufen; sie finden sich nach seinem Tod beinahe vollständig in seinem Studio. Es ist ein zweckfreies Malen, Constable wird keine dieser Skizzen für seine Gemälde verwenden. Das Malen ist für ihn ein Ausdruck des Gefühls: painting is with me but another word for feeling, schreibt er seinem Freund John Fisher. So sehr wir heute diese cloud studies bewundern, muss man auch sagen, dass unser Maler mit diesen schnellen Bildern mit dünner Ölfarbe auf Papier nicht der erste ist, der so etwas macht.
Denn da ist der Franzose Pierre-Henri de Valenciennes, den Simone Schultze in ihrer Doktorarbeit den wahren Entdecker des auf der Leinwand festgehaltenen unmittelbaren Eindrucks der Natur genannt hat. Valenciennes hatte schon um 1780 Wolkenstudien wie diese hier angefertigt. Flüchtige Skizzen, worin die Natur auf frischer That erhascht wird. Im Original heißt es in seinem Traktat über die Malerei saisir la Nature sur le fait, und das ist das ganze Geheimnis dieser Malerei. Werner Busch, einer der wenigen deutschen Kunsthistoriker, der sich immer wieder mit der englischen Malerei beschäftgt hat, schreibt dazu: Wenn Constable später sagen sollte, der Himmel sei die 'key note' des Landschaftsbildes und die 'source of light in nature - and governs everything' dann hat Valenciennes dies ähnlich schon zuvor festgestellt: 'Man muss sich recht innig überzeugen, dass von dem Tone der Luft [‘du tont du ciel'] das Ganze des Gemähldes abhängt...'. Und zum Schluss folgt die berühmte Passage, die selten vollständig zitiert wird, was hier nach der deutschen Ausgabe von 1803 durchaus der Fall sein soll: 'Es ist gut, wenn man dieselbe Aussicht zu verschiedenen Stunden des Tages mahlt, damit man die Verschiedenheit, welche durch das Licht an der Form der Dinge entsteht [‘que produit la lumiere sur les formes’], desto besser beobachten lerne. Die Veränderungen sind so auffallend und so erstaunlich, dass man kaum dieselben Gegenstände wieder erkennt'.
Was Busch hier zitiert ist Valenciennes →Rathgeber für Zeichner und Mahler, besonders in dem Fache der Landschaftsmahlerei, der auch deutsche Maler wie zum Beispiel Carl Blechen beeinflusst haben kann. Vielleicht sogar Caspar David Friedrich: Nichtsdestotrotz hat Friedrich bereits in seinem Skizzenbuch von 1806-1808 ausführlich Wolkenstudien betrieben, allerdings nur mit dem Bleistift und nach den Empfehlungen von Pierre-Henri de Valenciennes, der bei der Flüchtigkeit der Wolken vorschlug, die Farbbenennungen einfach nur in Worten aufs Blatt zu schreiben, schreibt Busch in Das unklassische Bild: von Tizian bis Constable und Turner. Wenn Sie mehr zu Valenciennes, Constable und Friedrich lesen woillen, habe ich hier Buschs gewichtigen Aufsatz →Alles Unvollständige ist der Zeitlichkeit unterworfen: Der Anteil des Betrachters an der 'Vervollständigung' der Kunst um 1800 für Sie.
Das hier ist nach zwei Bildern von Valenciennes mal wieder ein Constable. Was Constable über sein skying zu sagen hat, findet sich in dem vielzitierten Brief an seinen Freund John Fisher vom 23. Oktober 1821, in dem er auch auf die Kritik eingeht, dass seine Himmel zu viel Gewicht im Bild hätten: That landscape painter who does not make his skies a very material part of his composition neglects to avail himself of one of his greatest aids. Sir Joshua Reynolds, speaking of the landscapes of Titian, of Salvator, and of Claude, says : ' Even their skies seem to sympathise with their subjects.' I have often been advised to consider my sky as 'a white sheet thrown behind the objects.' Certainly, if the sky is obtrusive, as mine are, it is bad; but if it is evaded, as mine are not, it is worse; it must and always shall with me make an effectual part of the composition. It will be difficult to name a class of landscape in which the sky is not the keynote, the standard of scale, and the chief organ of sentiment. You may conceive, then, what a 'white sheet' would do for me, impressed as I am with these notions, and they cannot be erroneous.
The sky is the source of light in nature, and governs everything; even our common observations on the weather of every day are altogether suggested by it. The difficulty of skies in painting is very great, both as to composition and execution; because, with all their brilliancy, they ought not to come forward, or, indeed, be hardly thought of any more than extreme distances are; but this does not apply to phenomena or accidental effects of sky, because they always attract particularly. I may say all this to you, though you do not want to be told that I know very well what I am about, and that my skies have not been neglected, though they have often failed in execution, no doubt, from an over-anxiety about them which will alone destroy that easy appearance which nature always has in all her movements. Constable hat seinen Freund und Gönner, der inzwischen Bischof von Salisbury geworden war, in sein vielleicht schönstes Bild, die Kathedrale von Salisbury, hineingemalt. Constable hat Valenciennes Buch nicht gekannt, wollte man Vorbilder für seine Himmel suchen, so wären wohl →Alexander Cozens und Thomas Jones zu nennen.
Der erste Kunsthistoriker, der sich mit Constables Wolkenkunst beschäftigte, ist der in die Emigration vertriebene Deutsche Kurt Badt gewesen. Sein Buch Constable's Clouds erschien, übersetzt von Stanley Godman, 1950 bei Routledge & Kegan Paul und noch einmal 1971 als Reprint bei Albert Saifer in Philadelphia. Beide Ausgaben sind vergriffen. Vielleicht ist etwas von dem deutschsprachigen Manuskript, das nie veröffentlicht wurde, in Badts Buch Wolkenbilder und Wolkengedichte der Romantik gewandert. Ich wollte immer einmal etwas über Kurt Badt schreiben, vorerst muss das genügen, was in den Posts John Constables Wolken und limited but abstracted art über ihn steht.
In seinem schönen, essayistischen Buch Wolkendienst, das vor fünf Jahren auf der Shortlist der Leipziger Buchmesse stand, widmet Klaus Reichert John Constable ein Kapitel. In dem wir auch erfahren können, dass der Pianist Alfred Brendel in Hampstead in einem Haus wohnt, in dessen Nachbarschaft John Constable einst seine Werkstatt hatte. Von wo er hinausging auf die Heide von Hampstead, um seinem skying nachzugehen. Das Kapitel zeigt uns auch, dass Klaus Reichert alles gelesen hat, was Werner Busch über Constable geschrieben hat. Das Kapitel ist dem Dichter Jan Wagner zugeeignet, und auf den letzten Seiten des Essaybandes erfahren wir, dass Jan Wagner ein John Constable Gedicht geschrieben hat. Ich musste einige Zeit suchen, bis ich es in dem Band Die Live Butterfly Show fand:
constable: wolkenstudien
reiste mit einer kühnen flotte wolken
nach süden richtung windsor oder felt-
des louvre, der academy, im vorfeld
marias schwindsucht, kinder großzuziehen –,
weil doch der nächste bogen weiß es schafft,
Samstag, 23. Juli 2022
Made in Italy
Ich habe über englische Oberhemden geschrieben und über Schweizer Hemden, und ich habe dabei angekündigt, dass ich irgendwann etwas über italienische Hemden schreiben werde. Wobei in dem Post Hemdenkauf bei ebay schon einiges über die italienische Firma Borrelli gesagt wurde. Und die Firma Guy Rover hat hier auch schon einen Post. Dass ich beim Tippen am Computer Sweatshirts und italienische Hemden trage, das habe ich schon häufiger erwähnt.
Italienische Hemden haben nicht nur Freunde, die Größen stimmen selten. Für viele sind sie zu klein, italienische Konfektionsgrößen haben wenig mit der europäischen Norm zu tun. Vor allem die schmalen Manschetten werden beklagt. Rolex Besitzer kriegen ihre Uhr nicht unter die Manschette. Deshalb hat der Fiat Boss Agnelli seine Uhren immer über der Manschette getragen. Was ihm viele Italiener nachgemacht haben. Für andere sind italienische Hemden die ultima ratio des Oberhemds, das klingt dann in der Werbung eines Händlers so: Beim Herrenausstatter Michael Jondral finden Sie nicht nur ein perfekt passendes Business Hemd von namhaften sartorialen Häusern wie Finamore oder Cesare Attolini. Sie tauchen vielmehr in die Welt von neapolitanischer Raffinesse ein. Es gibt nämlich Männer Hemden und dann gibt es wiederum Herren Hemden, falls Sie verstehen was wir meinen.
Michael Jondral hat in Hannover Heinrich Zaple beerbt. Der kommt in diesem Blog schon in dem Post Opernhaus Hannover vor, wo ich schrieb: Modisch gesehen bot Hannover damals noch nicht viel, Heinrich's, H.B. Möller und Michael Jondral gab es noch nicht. Ich mochte Terner, wohin ich manchmal meine Mutter auf ihren modischen Beutezügen begleitete, die hatten früher immer gute Belvest und Isaia Jacketts. Heute haben sie nur noch Canali, alle anderen Marken scheinen in dem kleinen Klamottentempel von Jondral versammelt zu sein. Als ich an der Herresoffiziersschule Hannover war und diese Uniform trug, gab es noch keine italienischen Hemden auf dem Markt. Dass die Münchener Firma Konen eine Linie Atelier Torino hat und dass der Namensgeber für viele C&A Produkte mal ein berühmter italienischer Designer war, das lassen wir mal draußen vor.
Der erste Italiener bei uns im Ort hieß Chiamulera, aber der handelte nicht mit Hemden, der verkaufte Speiseeis. Ich habe erst viel später erfahren, dass die Chiamuleras nicht zu den Italienern gehörten, die in den fünfziger Jahren in die BRD kamen, die Familie war schon seit den Kaiserszeiten in Bremen. In den fünfziger Jahren kamen Hemden aus Bielefeld, immer weiß und von der Hausfrau liebevoll gestärkt. Und als Sahnehäubchen obendrauf gab es im Angebot van Laack und eine Firma, die Création Otto Hoffmann Paris hieß. Die kam allerdings nicht aus Paris, sondern aus Recklinghausen. Mein Otto Hoffmann Hemd, dass ich bei Carl Tiefenthal am Neuen Wall in Hamburg gekauft habe, habe ich schon in dem Post Hathaway erwähnt.
Für ihre Auswahl an Hemden waren die Bremer Herrenaustatter nicht berühmt, egal, ob sie Hespen, Stiesing oder Kalich hießen. Stiesing in der Sögestraße, 1895 gegründet, war das älteste Haus am Platze. Hespen am Wall gab es seit 1910. Hans Kalich in der Böttcherstraße, der auch eine Dependance auf Juist hatte, war das neueste Geschäft. Kalich war der erste, der im Gegensatz zu den an der englischen Mode orientierten Geschäften Stiesing und Hespen, konsequent auf Italiener setzte (Charlie Hespen hatte aber auch interessante Dänen im Angebot). Italienische Hemden fand man bei Kalich allerdings auch nicht. Aber die Zeit wird kommen.
Dienstag, 19. Juli 2022
Gottfried Keller
Sonntag, 17. Juli 2022
Croix de Guerre
Mittwoch, 13. Juli 2022
Philip Mazzei
Dieses Schild hatte ich in dem Post die Berufsreise abgebildet, weil es auf das Haus hinweist, in dem General Riedesel mit seiner Familie einst wohnte. Das Haus, das hier um 1770 von den Arbeitern errichtet worden war, die eine Meile weiter Jeffersons palladianischen Landsitz Monticello bauten, ist um 1930 abgerissen worden. Leider hat man versäumt, vor dem Abriß Photographien von diesem historischen Bauwerk anzufertigen. Auf dem Schild steht: The house was built about 1770 by workmen engaged in building Monticello. Mazzei, an Italian, lived here for some years adapting grape culture to Virginia. Baron de Riedesel, captured at Saratoga in 1777, lived here with his family, 1779–1780. Scenes in Ford’s novel, Janice Meredith, are laid here. Dass die Riedesels hier waren, das wissen wir jetzt. Auf den ersten Besitzer Philip (oder Filippo) Mazzei kommte ich gleich noch. Aber den letzten Satz des Schildes Scenes in Ford’s novel, Janice Meredith, are laid here, den hatte ich nicht weiter kommentiert.