Sonntag, 9. November 2025

November 1938

Ein Tag der ewigen Schande für Deutschland. Der Begriff der Reichskristallnacht ist wahrscheinlich zuerst eher ein ironischer Ausdruck des Zorns gegen den barbarischen Terror gewesen, bevor die Nazis diesen Euphemismus zynisch für sich vereinnahmten. Mit dem Zerwerfen der Schaufensterscheiben kam die sogenannte Arisierung der Geschäfte, Enteignung, Vertreibung, Ermordung der Geschäftsinhaber.

Ich möchte heute eine kleine, leider wahre Geschichte erzählen, die mich seit Jahrzehnten verfolgt. In Bremen lebt man ja gerne mit der Vorstellung, dass wir Bremer alle immer vornehm und hanseatisch gewesen seien. Und wer hanseatisch ist, ist natürlich immun gegen den Nationalsozialismus. Es ist leider keineswegs so gewesen. Die Zahlen und Statistiken in dem hervorragenden Buch von Inge Marssolek und René Ott Bremen im Dritten Reich sprechen da eine ganz andere Sprache. Nein, die Bremer können nicht sagen, sie seien nicht dabei gewesen.

Und die Flaggen auf der Obernstraße auf diesem Photo aus dem Jahre 1938 sind auch nicht wegzuleugnen. In meinem Heimatort Vegesack erhielt die NSDAP bei der Reichstagswahl vom 6. November 1932 30,8 Prozent der Stimmen. In keinem Bremer Wahlbezirk hat sie mehr Prozente erreicht. Im feinen Schwachhausen sind es immerhin 21,7 Prozent, das zweithöchste Ergebnis. Nur die Arbeiterstadtteile haben die Nazis nicht gewählt. Doch es sind diese Stadtteile, die im Krieg von den Alliierten bombardiert werden. Sie werden die schlimmsten Verluste haben, darin liegt die Tragik. 

Meine Geschichte heute kommt wieder einmal, wie die Geschichte über meinen Freund Peter Gutkind oder die über die Bremer Revolution 1968, aus meinen unfertigen Bremensien. Und sie beginnt mit meinem Schulweg. Springen Sie mit mir für einen Augenblick zurück in die Kindheit. Aber wir werden in dieser Zeit der Unschuld nicht verweilen können.

Wenn ich die Weserstraße mit meinem Ranzen entlanggehe, treffe ich morgens Mitschüler wie Roder oder Gabi, und wir gehen gemeinsam zur Schule. Zwischen der Kimmstraße und der Breiten Straße kennen wir jede Gehwegplatte, weil wir hier Hüpfspiele wie Himmel und Hölle spielen oder die Platten einmal im Jahr hochnehmen, um nach Maikäfern zu suchen. In der Breiten Straße begegnen uns einmal in der Woche Kälber und quiekende Schweine, die zur Schlachterei Pohl in der Bahnhofstraße getrieben werden. Danach gehen wir bei Többens über den Zebrastreifen. Es ist der einzige Zebrastreifen über die Bundestraße 75, den wir im Ort haben. Deshalb soll ich diesen Weg nehmen, sonst könnte ich auch die Kimmstraße entlang gehen und dann bei Viole durch den Gang flitzen. Aber bei Viole, wo immer ein Fass mit Heringen vor der Ladentür steht, ist leider kein Zebrastreifen, und so muss ich bei Többens vorbei.

Neben Többens ist früher ein Schuhgeschäft gewesen. Da hat ein Verwandter meiner Großeltern in der sogenannten Reichskristallnacht ein Paar Schuhe geklaut. Um dann morgens festzustellen, dass er zwei linke Schuhe erwischt hatte. Die Familie lacht immer noch über diese Geschichte, obgleich der Verwandte ansonsten ungern erwähnt wird. Der hatte nämlich in Osnabrück eine kriminelle Pleite hingelegt und war im Gefängnis gewesen, danach war er bei den Bremer Verwandten abgetaucht. Im Osnabrücker Land wollte er sich erstmal nicht mehr sehen lassen. Unter diesen Herren auf dem Photo sind auch welche, die am 10. November die Aumunder Synagoge angezündet haben. Keiner von ihnen wurde wegen Brandstiftung verurteilt.

Über die Aumunder Juden hat Ingbert Lindemann, der ein Vierteljahrhundert Pastor der Christophorus Gemeinde Aumund-Fähr war, das Buch „Die H. ist Jüdin!“ Aus dem Leben von Aumunder Juden nach 1933 geschrieben, das 2008 im Donat Verlag in Bremen erschien. Der ehemalige Bürgermeister Hans Koschnick hat das Vorwort zu dem Buch geschrieben, über etwas, was lange verschwiegen und verdrängt war ... Ein eindrücklicher Appell für ein ‚Nie wieder!’ Ich habe dem Buch von Ingbert Lindemann, mit dem ich zusammen in der Evangelischen Jugend war, entnommen, dass der Judenreferent der Bremer Gestapo Bruno Nette von 1935 bis 1940 bei uns um die Ecke gewohnt hat. Das hatte ich nicht gewusst. Dass unser Nachbar, der SA-Sturmführer Lothar Westphal, 1933 Bürgermeister von Vegesack wurde und den von den Nazis geschassten Dr Werner Wittgenstein ablöste, das wusste ich. Mein Schulweg, zu dem ich Sie mitgenommen hatte, wird immer wieder durch die Vergangenheit unterbrochen.  

Wenn wir beim Zebrastreifen sind, macht Herr Többens seinen Laden gerade auf. Das ist ein Herrenmodegeschäft der armseligen Sorte. Ich grüße den Herrn Többens nie. Meine Eltern auch nicht. Wir kaufen da auch nicht, ich war nie in meinem Leben in dem Laden. Walter Caspar Többens ist ein Nazi gewesen und ein Kriegsverbrecher. Das mit dem Kriegsverbrecher habe ich lange nicht gewusst. Dass beinahe alle Vegesacker Geschäftsleute Nazis waren und viele in der SS oder Waffen SS waren, kommt eines Tages dank unserer Schulzeitung Das Echo heraus, die zum Entsetzen der Schulleitung einen gut recherchierten Artikel aus dem Neuen Deutschland über die Nazis in Vegesack nachdruckt. Dass die Ausgabe des Echo überhaupt erschien, war damals in der Adenauerrepublik immerhin ein kleiner Sieg der Pressefreiheit. Die Abonnementszahlen der Schulzeitung fielen nach diesem Artikel aber rapide. Keiner der in dem Artikel genannten Kaufleute wollte das Echo weiter unterstützen. 

Dass Többens ein Kriegsverbrecher war, erfahre ich erst durch einen photokopierten Artikel, den mir mein Freund Gert Börnsen Jahrzehnte nach Többens’ Tod gegeben hat. Ich hatte den Artikel einer Freundin geliehen, die auch aus dem Ort kommt, habe ihn aber nie wiederbekommen. Manche Leute sind ein Bermuda Dreieck für Leihgaben. Aber ich bekomme eines Tages, wenn es das Internet gibt, heraus, wer den Artikel geschrieben hat, auch wenn ich Gerts Photokopie niemals wiedersehe.

Der Verfasser heißt Günther Schwarberg, er schreibt für den Stern. Er ist in Vegesack geboren. Sein Vater war Lehrer an Opas Volksschule. Opa und Schwarberg Senior haben sich nicht ausstehen können, denn Schwarbergs Vater war ein Sozialdemokrat. Das ist für meinen kaisertreuen Opa ja das Schlimmste auf der Welt. Über die Többens dieser Welt macht Opa sich weniger Gedanken. Walter Caspar Többens ist 1954 gestorben, mit seiner Geliebten in seinem Mercedes verunglückt. Zu dem Zeitpunkt ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht mehr gegen das CDU-Miglied, den gläubigen Katholiken und erfolgreichen Geschäftsmann. Aber 1949, da war er von einer Bremer Spruchkammer als Kriegsverbrecher verurteilt worden, zehn Jahre Arbeitslager, Einziehung des Vermögens, Verlust aller bürgerlichen Rechte und jedes Anspruchs auf Rente und Unterstützung. In Polen gab es ein Todesurteil gegen ihn, aber er ist der Auslieferung durch die Amerikaner zweimal durch Flucht entkommen. Und auch das Bremer Urteil wird nicht vollstreckt, nach 1950 wird in Bremen niemand mehr verfolgt. Das Vermögen bleibt nicht eingezogen. Többens wird 1952 als Mitläufer eingestuft und wohnt dann im feinen Schwachhausen. Vom Kriegsverbrecher zum Mitläufer in drei Jahren, auch das ist Bremer Wirklichkeit. Auf die wir nicht stolz sein können.

Günther Schwarberg, der auch die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm öffentlich gemacht hat, hat Walter Caspar Többens’ Geschichte in seinem Buch Das Getto: Spaziergang in die Hölle aufgeschrieben. Eine Musterkarriere im Dritten Reich: Arisierung der Firma von Adolf Herz in Vegesack, die fortan Többens heißt, dann Großunternehmer und Wehrmachtslieferant für Uniformen in Warschau. Millionengewinne. In Warschau kann man viel Geld machen, auch Oskar Schindler war ja ursprünglich nicht dahin gegangen, um gute Werke zu tun.

Die Deutschen haben sich nach dem Überfall auf Polen hier sozusagen wohnlich eingerichtet. Das kleine, sorgfältig gedruckte Büchlein Soldatenführer durch Warschau, das ich unter Vatis Unterlagen gefunden habe, vermittelt einem den Eindruck einer deutschen Mustersiedlung. Die Soldatengaststätte am Adolf Hitler Platz ist täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet, Uniformen (wahrscheinlich bei Többens genäht) kann man im Deutschen Uniformhaus im Hotel Bristol (Bild) kaufen. Das Heft ist voller Anzeigen deutscher Firmen, von Thonet Möbeln (Slotnastraße 9) bis Telefunken Radios. In dem Soldatenführer liegt auch eine Quittung des Geschäftes von Julius Meinl, wonach Vati (der damals als junger Leutnant durch einen Irrtum einen halben Tag vor der offiziellen Einnahme Warschaus als erster deutscher Soldat mit dem Jeep durch die menschenleere Stadt gefahren ist) für sechzig Gramm Butter und ein Pfund Keks eine Mark dreiundzwanzig bezahlt hat. Die Firma Julius Meinl hat nach 1939 über tausend Filialen in Europa, jetzt auch in Warschau. Der Soldatenführer durch Warschau (gekauft bei der Deutschen Buchhandlung, der Heim- und Pflegestätte deutschen Schrifttums) weist, ähnlich wie ein Baedeker, auch auf die architektonischen und landschaftlichen Schönheiten hin.

Die interessieren Walter Többens weniger. Er wäre ja aus dem Getto davongelaufen, wenn er nicht so gut verdient hätte, sagt er im Prozess. Und gut verdienen tut er. Für 1,4 Millionen Reichsmark kann er plötzlich das Bambergerhaus in Bremen kaufen. In den zwanziger Jahren im expressionistischen Backsteinstil erbaut, war es das erste Hochhaus in Bremen, hatte die ersten Rolltreppen. Und im Erdgeschoss kann man von einem Photomaton in acht Minuten acht Portraitphotos bekommen. Von den Bremern wurde das Kaufhaus liebevoll Bambüddel genannt. Es besaß sogar eine Armenküche. Julius Bamberger tat nicht nur gute Werke, er kämpfte auch zusammen mit dem Bremer Pastor Emil Felden gegen den grassierenden Antisemitismus. 1933 wird Bamberger vorübergehend verhaftet, flieht 1937 in die Schweiz. Baut sich in Paris eine neue Existenz auf. Als die Deutschen kommen, landet er im KZ. Kann wieder fliehen, diesmal in die USA. Er bekommt nach dem Kriege gerade mal 50.000 Mark für das, was man ihm weggenommen hat. 

Walter Többens, der ehemalige mittellose Angestellte bei der Firma Leffers in Vegesack, der den Nazis und seiner kriminellen Energie sein Geld verdankt, ist zu dem Zeitpunkt schon wieder im Besitz seines ganzen Vermögens. Er hat kurz vor Kriegsende dank geschmierter Helfer in Berlin auch alles aus seinen Többens-Werken von Warschau und Poniatowa nach Delmenhorst verlagern können. Zu diesem Zeitpunkt kriegen kein Soldat und kein Flüchtling mehr einen Platz in einem Zug nach Westen, Többens kriegt ganze Eisenbahnzüge von seinem Kumpel Dr Heinrich Lauts im Berliner Reichwirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt. 

Das 1944 zerstörte Bambergerhaus ist 1955 wieder aufgebaut worden. Auch der Schriftzug Bamberger steht heute wieder am Haus, in dem jetzt die Volkshochschule residiert. Im Treppenhaus gibt es eine Dauerausstellung über das Leben und Wirken Julius Bambergers. Günther Rohdenburg hat im Jahre 2000 mit Das war das neue Leben: Leben und Wirken des jüdischen Kaufhausbesitzers Julius Bamberger und seiner Familie die Geschichte Bambergers nacherzählt. Und der Filmemacher Eike Besuden hat die Filme Aufgeben? Niemals! – Die Geschichte der Familie Bamberger und Generation Zukunft – Die Enkel des Holocaust über die Bambergers gedreht.

Zehntausende von jüdischen Arbeitern, die für Többens in Warschau und Umgebung Uniformen nähen, wandern ins KZ. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Többens, der mit einer Peitsche in der Hand durch seine Fabriken geht (sie aber natürlich nie benutzt hat, wie er im Prozess sagt), ist Großunternehmer, der größte Arbeitgeber im Getto. Ein Oskar Schindler mit umgekehrten Vorzeichen. In dem Bremer Spruchkammerverfahren hatte der Verteidiger von Többens ihn in einem fünfstündigen Plädoyer als einen Wohltäter darzustellen versucht. Und sich zu der Behauptung verstiegen: Lebten die Juden aus dem Warschauer Getto noch, so stünde Többens nicht vor einem Gericht, sondern im Goldenen Buch von Palästina. 1988 legen die Nachkommen von Walter Többens eine kriminelle Millionenpleite hin.

Vor Jahrzehnten ist ein Bundestagspräsident nach dem 9. November zurückgetreten, weil er ein schlechter Redner war. Denn wäre der Philipp Jenninger am fünfzigsten Jahrestag des 9. Novemer 1938 rhetorisch versierter gewesen, und wären die Zuhörer bereit gewesen, ein rhetorisches Mittel wie das der erlebten Rede als ein rhetorische Mittel zu erkennen und nicht als eine Meinung des Redners, nichts wäre geschehen. Vielleicht wäre Jenninger besser beraten gewesen, wenn er einen kurzen Text von Erich Kästner vorgelesen hätte:

In jener Nacht fuhr ich, im Taxi auf dem Heimweg, den Tauentzien und den Kurfürstendamm entlang. Auf beiden Straßenseiten standen Männer und schlugen mit Eisenstangen Schaufenster ein. Überall krachte und splitterte Glas. Es waren SS-Leute, in schwarzen Breeches und hohen Stiefeln, aber in Ziviljacken und mit Hüten. Sie gingen gelassen und systematisch zu Werke. Jedem schienen vier, fünf Häuserfronten zugeteilt. Sie hoben die Stangen, schlugen mehrmals zu und rückten dann zum nächsten Schaufenster vor. Passanten waren nicht zu sehen. (Erst später, hörte ich am folgenden Tag, seien Barfrauen, Nachtkellner und Straßenmädchen aufgetaucht und hätten die Auslagen geplündert). Dreimal ließ ich das Taxi anhalten. Dreimal wollte ich aussteigen. Dreimal trat ein Kriminalbeamter hinter einem der Bäume hervor und forderte mich energisch auf, im Auto zu bleiben und weiterzufahren. [. . .] In der gleichen Nacht wurden von den gleichen Verbrechern, von der gleichen Polizei beschützt, die Synagogen in Brand gesteckt. Und am nächsten Morgen meldete die gesamte deutsche Presse, die Bevölkerung sei es gewesen, die ihrem Unmut spontan Luft gemacht habe. Zur selben Stunde in ganz Deutschland - das nannte man Spontaneität. Ignatz Bubis hat übrigens ein Jahr nach Jenninger Teile aus Jennigers Rede vorgetragen. Es gab keine nationale Entrüstung.

Das Buch von Günther Schwarberg Das Getto: Spaziergang in die Hölle ist noch antiquarisch zu bekommen. Das Buch von Inge Marssolek und René Ott Bremen im Dritten Reich ist nach beinahe vierzig Jahren leider vergriffen (lässt sich aber noch finden). Man sollte sich bei Carl Schünemann und beim Senator für Kultur wirklich mal überlegen, ob man das nicht wieder auflegt oder online stellt. Wo man doch jetzt die Stadt des Buches ist. Der Kriegsverbrecher Walter Többens, den die historische Forschung jahrzehntelang unbeachtet gelassen hat, besitzt inzwischen einen Wikipedia Artikel und hier beim Weser Kurier eine informative Seite.

Dieser Text stand hier, seit ich 2010 zu schreiben begann, schon mehrfach in diesem Blog. Ich stelle ihn an diesem 9. November noch einmal hier hin, genügend Brandstifter haben wir in Deutschland ja wieder. Der Antisemitismus ist auch wieder da, nicht nur die Hetze im Netz, auch die Gewalttaten nehmen zu. Werfen Sie doch mal einen Blick in den Lagebericht des Bundesamts für Verfassungsschutz. Es ist schrecklich, aber es hört nie auf. Ich wollte in diesem Jahr diesen Text zur Reichskristallnacht einmal weglassen und stattdessen ein Gedicht hier einstellen. Ich dachte zuerst an Mörderrevier von Durs Grünbein, kam dann aber auf Erich Frieds Gedicht Diese Toten, das ich heute hier einstelle. 

Erich Fried lag mir näher als Durs Grünbein, weil er auch schon in einem Kapitel meiner Bremensien vorkommt. Nicht, weil er ein hübsches Gedicht mit dem Titel Rückfahrt nach Bremen geschrieben hat. Sondern weil sich mein Mitschüler Bernd Neumann 1977 in seinem Hass auf den jüdischen Emigranten in London zu der Forderung nach einer neuen Bücherverbrennung hat hinreißen lassen. Ja, so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen ganz eindeutig sagen! hat der damalige Bremer CDU-Vorsitzende über Frieds Gedicht Die Anfrage im Bremer Parlament gesagt. Als Horst Werner Franke Neumann aufforderte, den Satz zurückzunehmen, weil das ein ganz schlimmer Satz sei, stellt sich Neuman erst einmal dumm und fragt Welcher denn? Da sagt FrankeHerr Neumann, Sie haben den einen Satz gesagt, Sie hätten dieses Gedicht am liebsten verbrannt. Herr Neumann, Literatur, und das ist auch Literatur – ja, das ist auch Literatur, es gibt eine abscheuliche Literatur, und sie bleibt trotzdem Literatur –, Literatur, Herr Neumann, soll in diesem Land nie wieder verbrannt werden! Bernd Neumann nimmt seinen Satz nicht zurück. Er versucht sogar noch zu erreichen, dass die Lehrerin, die das Gedicht von Fried im Unterricht behandelt hat, disziplinar gemaßregelt wird. Dass man das vierundvierzig Jahre nach den Bücherverbrennungen von 1933 in Deutschland sagen kann, ohne dass man sofort aus dem Parlament fliegt, fasziniert mich heute noch. 

Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen. Heinrich Heines Satz hat Bernd Neumann sicher nicht gekannt, er war nicht sehr gebildet. Eher ein bisschen doof. Für ihn haben wir uns in unserem Gymnasium damals schon ein bisschen geschämt. Hatte kaum das Abitur, da war er schon in der CDU. Ich schäme mich noch immer für ihn. Ein schwedischer Literaturkritiker hat beim Bergedorfer Gesprächskreis der Körber Stiftung 1978 gesagt: In einem Land mit einer starken demokratischen Tradition müsste ein Mann wie Herr Neumann nach einer solchen Aussage moralisch tot sein. Er sollte als ein viel gefährlicherer Förderer des Terrorismus angesehen werden, als alle seine intellektuellen Gegner. Ich würde das ja sofort unterschreiben, aber wie wir alle wissen, wurde er 2005 Staatsminister für Kultur. Als ihn Journalisten mit dieser Geschichte konfrontieren, ist der Satz von damals für ihn aus dem Zusammenhang gerissen. Wir tun uns in Deutschland schwer mit unserer Geschichte.

Ich habe die ganze Diskussion von damals, Zeitungsausschnitte, Flugblätter und offene Briefe, gesammelt und aufbewahrt, weil mir das so ungeheuerlich erschien. Ich glaube, ich werfe das jetzt mal weg. Oder vielleicht doch nicht, ich habe manchmal das Gefühl, es kommt alles wieder. Sechs Jahre nach dem politischen Skandal hat Erich Fried den Bremer Literaturpreis erhalten. Der Laudator war Herbert Heckmann, der vier Jahre später wieder als Laudator eine sehr schöne Rede für Erich Fried bei der  Verleihung des Büchner Preises gehalten hat.

Erich Fried: Diese Toten

Hört auf, sie immer Miriam
und Rachel und Sulamith
und Aron und David zu nennen
in eueren Trauerworten!
Sie haben auch Anna geheißen
und Maria und Margarete
und Helmut und Siegfried:
Sie haben geheißen wie ihr heißt

Ihr sollt sie euch nicht
so anders denken, wenn ihr
von ihrem Andenken redet,
als sähet ihr sie
alle mit schwarzem Kraushaar
und mit gebogenen Nasen:
Sie waren manchmal auch blond
und sie hatten auch blaue Augen

Sie waren wie ihr seid.
Der einzige Unterschied
war Stern den sie tragen mußten
und was man ihnen getan hat:
Sie starben wie alle Menschen sterben
wenn man sie tötet
nur sind nicht alle Menschen
in Gaskammern gestorben

Hört auf, aus ihnen
ein fremdes Zeichen zu machen!
Sie waren nicht nur wie ihr
sie waren ein Teil von euch:
wer Menschen tötet
tötet immer seinesgleichen.
Jeder der sie ermordet
tötet sich selbst

Donnerstag, 6. November 2025

die vergessene Oper


Der Komponist Bernard Herrmann hat die Musik für Citizen Kane und Taxi Driver geschrieben, für beinahe alle Hitchcock Filme und für zwei Truffaut Filme. Weniger bekannt ist, dass er auch eine Oper geschrieben hat. Heute vor dreiundvierzig Jahren wurde in Portland die Oper Wuthering Heights von Bernard Herrmann aufgeführt. Eine dreieinhalb Stunden lange Oper mit einem Prolog und vier Akten. Es war die einzige Oper des Komponisten, er hat diese Aufführung nicht mehr erlebt. Sie hätte ihm auch nicht gefallen, man hatte die Oper um eine halbe Stunde gekürzt und das Ende etwas verändert. Das hatte der Dirigent Julius Rudel Jahrzehnte zuvor so haben wollen, aber der Streit zwischen Rudel und dem Komponisten verhinderte damals die Erstaufführung. Das Bild hier, in dem noch die Reste der Gothic Novel sind, die der Roman enthält, stammt von dem Plakat derMinnesota Opera aus dem Jahre 2011. Ganz vergessen ist die Oper also nicht.

Bernard Herrmanns Ehefrau Lucille Fletcher hatte nach dem Roman von Emily Brontë ein → Libretto geschrieben, und Herrmann begann 1943 mit dem Komponieren. Als er 1951 die Oper vollendet hatte (am 30. Juni 1951 – „pünktlich um viertel vor vier in der Nacht“, wie Herrmann auf der Partitur vermerkte), waren Lucille und er schon geschieden. Wuthering Heights sei perhaps the closest to his talent and heart hat sie über ihren Ex gesagt. Nicht alles in der Oper war original, manche Melodien oder Melodiefetzen waren schon in den Filmen Citizen Kane, The Magnificent Ambersons, Jane Eyre und The Ghost and Mrs. Muir erklungen. Und manches aus Wuthering Heights wird in den Filmen Vertigo, North by Northwest und Marnie wieder auftauchen.

Bernard Herrmann hat die Oper 1966 in London mit dem Pro Arte Orchestra aufgenommen, alle Details der Plattenaufnahme finden sich hier. 1992 gab es diese Aufnahme als Dreier CD Set, aber dafür muss man heute schon beinahe zweihundert Euro auf den Tisch legen. Sie können die Oper allerdings auch kostenlos in einer konzertanten Version aus dem Jahr 2010 vom Radio Festival Montpellier unter Alain Altinoglu bei YouTube hören. Wenn Ihnen das zu viel ist, hören Sie doch einmal hinein, wie Renée Fleming I have dreamt singt: I have dreamt in my life, dreams that have stayed with me ever after, and changed my ideas; they have gone through and through me, like wine through water, and altered the color of my mind.

Vor zehn Jahren ist die Oper in → Braunschweig gezeigt worden, davon kann man eine Minute bei ✺YouTube sehen, und in der → Opera Lounge kann man noch mehr dazu lesen. Bei YouTube findet sich zu der Aufführung der Kommentar: Gut, dass so ein Werk ausgegraben wird. Leider eine scheiss Inszenierung. Auf jeden Fall wird man sagen können, dass das Bühnenbild nichts von der Tristesse des Hochmoors von Yorkshire vermittelt. Aber natürlich hat es auch andere, seriösere → Kritiken als scheiss Inszenierung gegeben. Irgendwie ist es schade, dass man diese Aufführung nicht aufgezeichnet hat. Der Däne Hans Sørensen hat mit dem Singapore Symphony Orchestra eine einstündige ✺Version von Herrmanns Oper erstellt. Hier singen nur noch Catherine und Heathcliff und der Orchesterpart ist abgemagert. Ich weiß nicht, ob man für die CD zwanzig Euro bezahlen soll.

Im nächsten Jahr soll es eine neue ✺Verfilmung von Wuthering Heights geben, ich weiß nicht, ob das sein muss. Wenn man die Spielfilm- und TV-Versionen des Romans addiert, kommt man sicher auf mehr als zwanzig Titel (die ✺Monty Python Version nicht mitgezählt). Ich würde nichts davon empfehlen wollen, auch den Film von ✺1939 nicht, Emily Brontës Roman lebt von der Sprache. Der Roman wird in diesem Blog schon in dem Post Sturmeshöhe besprochen. Und in dem Post Wuthering Heights gibt es einiges über die Übersetzung, die Sie auf keinen Fall lesen sollten.

Sonntag, 2. November 2025

Joseph Wenzel von Radetzky


Sie werden Joseph Gottfried Pargfrieder wahrscheinlich nicht kennen, man weiß auch nicht so viel über ihn. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob der Kaiser Joseph II wirklich sein Vater gewesen ist. Der Anfang seines Lebens liegt in ziemlicher Dunkelheit. Heller wird es erst in den napoleonischen Kriegen, da ist Pargfrieder Armeeliferant der österreichischen Armee und wird sehr, sehr reich. Hat Freunde wie die Feldmarschälle Maximilian von Wimpffen und Joseph Wenzel von Radetzky, denen er auch ihre Spielschulden bezahlt. Sie müssen dann nur ins Testament schreiben, dass er sie eines Tages beerdigen dürfe.

Pargfrieder hatte sich 1832 das Schloss Wetzdorf gekauft, dessen Schlossgarten er (ein wenig nach dem Vorbild der bayrischen Walhalla) mit 169 Standbildern und Zinkbüsten von Generälen, Soldaten und österreichischen Herrschern von Rudolf I bis Kaiser Franz Joseph verzierte. Und für die beiden Feldmarschälle, deren Schuldscheine er besaß, gab es eine Heldengruft. Nachdem dort 1858 Josef Wenzel von Radetzky in Anwesenheit von Kaisers Franz Joseph beigesetzt worden war, schenkte Pargfrieder die ganze Heldengedenkstätte dem Kaiser. Der ernannte den ehemaligen Heereslieferanten zum Ritter und verlieh ihm das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Der Ritter von Pargfrieder wird sich nach seinem Tod auch hier begraben lassen, er ist ein Ehrenmann, die Schuldscheine der beiden Feldmarschälle hat er vernichtet. Den Spott des Volkes braucht er in dem Grabkeller unter dem Obelisken nicht zu hören: 

Hier ruhen drei Helden in ewiger Ruh,
zwei lieferten Schlachten, der dritte die Schuh.
  
Der Graf Radetzky von Radetz, hier von dem bayrischen Hofmaler Albrecht Adam gemalt, wurde am 2. November 1766 in Schloss Trebnitz bei Seltschan in Böhmen geboren. Das Bild zeigt Radetzy 1848 vor Mailand, das er gerade einnimmt. Hier wird er Generalgouverneur werden (seine Vorgänger waren da noch Vizekönige), und hier wird er zehn Jahre später im Alter von einundneunzig Jahren sterben. Über das Pensionsalter war Radetzky bei seinem italienischen Abenteuer schon weit hinaus.

Als er zweiundsiebzig Jahre in österreichischen Diensten ist, schreibt der Graf Radetzky seinem Kaiser einen Brief: Euer Majestaet, die Gesetze der Natur zwingen mich nach 72 Dienstjahren und 90 Lebensjahren Euer Majestaet um die Allergnaedigste Enthebung von meinem Dienstposten Allerunterthänigst zu bitten. Geruhen Euer Majestaet mir diese Enthebung mit jener Allerhöchsten Huld und Gnade zu gewähren, mit welcher Allerhöchst dieselben mich schon so vielfach überschütteten und gestatten mir Euer Majestaet bei diesem Anlaße Allerhöchst Der Huld und kaiserliches Wohlwollen [...] Mein Greisen Alter hat zwar meine Thätigkeit gelähmt, aber bis zum letzten Athemzuge werde ich des Allmächtigen Segen für das erhabene Hauß und den herrlichen Thron Meines geliebten Monarchen erflehen, der ich in tiefster Demut ersterbe.

Am 28. Februar 1857 gewährt ihm der Kaiser diese Bitte. Wahrscheinlich gibt es keinen General, der so lange gedient hat. Den Mann, der sich 1871 in Generalsuniform bei der deutschen Armee zum Feldzug gegen Frankreich meldet, schickt man gleich wieder nach Hause. Er war gleich eingeschlafen, als er das Hauptquartier erreichte, er war 85 Jahre alt. Sein Name war Fürst Pückler. Wenige Jahre zuvor war er allerdings mit 81 Jahren beim  preußischen Feldzug gegen Österreich-Ungarn dabei gewesen. Kein General wird wohl jemals eine so lange Dienstzeit vorweisen können wie Radetzky.

Er hat bei seinem Abschied nur noch wenig mit der Armee zu tun, der Kasernenhof ist schon lange nicht mehr seine Heimat, auch, wenn ihn die Soldaten noch immer Vater Radetzky nennen. Er hat die Armee neu organisiert, und seit dem Türkenkrieg 1788 war er auf allen europäischen Schlachtfeldern. Er musste mit Schwarzenberg nach Russland, weil Österreich da auf Napoleons Seite war. Aber ein Jahr später sind sie bei den Alliierten, und Radetzky entwirft den Plan für die Völkerschlacht von Leipzig. Dies rührend naive Bild zeigt Radetzky (in der hellblauen Uniform) inmitten seines Stabes in Monza 1850. 

Da war der Zweite Italienische Feldzug zu Ende, und Radetzky war Generalgouverneur des Königreichs Lombardien-Venetien. Streng, aber auch milde und immer großzügig. Patrioten wie Alessandro Manzoni und Giuseppe Verdi, die in ganz Italien gesucht wurden, konnten in seinem Königreich unbehelligt leben. Man duzt Joseph Wenzel von Radetzky nicht, da er ein Feldmarschall und eine historische Persönlichkeit war, die im 18. und 19. Jahrhundert lebte. In dieser Zeit und in seiner militärischen Position war die Anrede mit „Sie“ oder „Herr Feldmarschall“ angemessen, sagt mir Googles KI. Und liegt wohl wieder einmal daneben. Denn in Italien hat Radetzky für die Offiziere das Armee-Du eingeführt, das bis zum Ende des habsburgischen Reiches galt.

Als Joseph Roths Roman Radetzkymarsch 1932 erscheint, ist eine andere Welt gerade am Untergehen. Woran ein Österreicher, der erst seit kurzem die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, nicht ganz unschuldig ist. Ich habe in dem Post über Thomas Hardy den Begriff Untergangsliteratur erfunden: Thomas Hardy beschreibt eine literarische Landschaft, die vorher nicht auf der Landkarte der Literatur war. Ähnlich wie Faulkner mit seinem Yoknapatawpha schafft sich Hardy mit den Wessex Novels seinen eigenen literarischen Kosmos, a merely realistic dream country, wie er gesagt hat. Es ist, wie auch Faulkners Welt, eine Welt im Untergang. So wie in Faulkners Romanen die Welt der Großgrundbesitzer der Südstaaten untergeht, geht bei Hardy das einfache ländliche Leben angesichts der Industrialisierung immer mehr verloren. Große Literatur ist häufig Untergangsliteratur. Wie bei Proust, der den Untergang der Pariser Aristokratie beschreibt. Wie bei Conrad, der den Untergang der Welt der Segelschiffe beschreibt. 

Wie bei Joseph Roth, der den Untergang der k.u.k Welt beschreibt. Das Wort Untergangsliteratur ist Copyright Jay, ich habe das gerade erfunden. Es fällt einem beim Schreiben ja erstaunlich viel ein, Kleist hatte mit der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden schon recht. Er hätte aber besser Schreiben sagen sollen. Aber davon abgesehen ist der Gedanke mit der Welt im Untergang bei Hardy, Conrad, Proust und Roth nicht schlecht. Reicht wahrscheinlich nicht für eine Literaturtheorie, aber vielleicht mach' ich noch mal was draus. Diese Romane des Untergangs einer Gesellschaft, die Roth, Proust, Conrad und Faulkner schreiben, sind allerdings eigentlich nicht zu verfilmen. Weil wenige Regisseure den Geist der Zeit überzeugend wiedergeben können. Joseph Losey gelingt das in The Go-Between manchmal sehr gut.

Axel Cortis Film Radetzkymarsch, der mit Erfolg einen Erzähler im off verwendet, hat eine Vielzahl schöner, poetischer Momente, Stanley Kubricks Verfilmung von Schnitzlers Traumnovelle (mit Tom Cruise und Nicole Kidman) ist eine Katastrophe. Volker Schlöndorffs Eine Liebe von Swann kann man vergessen. Aber Die wiedergefundene Zeit von Raúl Ruiz ist wirklich sehr gelungen. Faulkner zu verfilmen geht eigentlich nicht. Obgleich *The Long Hot Summer mit Don Jonson und Cybill Shepherd gar nicht so schlecht ist, wie die Kritiker den Film gemacht haben, aber es ist natürlich kein Faulkner. The Tarnished Angels von Douglas Sirk schon eher. Joseph Conrad bleibt unverfilmbar, nur in The Outcast of the Islands hat Carol Reed die richtige Idee.

Charlotte Rampling spielt in Cortis Radetzkymarsch auch mit, ein bisschen nacktes Fleisch musste wohl sein, sonst sieht man ja nur österreichische Uniformen. Der Regisseur Axel Corti ist während der Dreharbeiten verstorben, sein Kameramann Gernot Roll drehte den Film zu Ende. Posthum erhielt Corti den Grimme Preis. Als Corti den Film drehte, wusste er natürlich, dass dreißig Jahre zuvor schon einmal ein Film mit dem Titel Radetzkymarsch gedreht worden war. Nicht in Farbe, nicht so aufwendig, nicht mit internationalen Stars.

Die hatte Corti. Wahrscheinlich erinnerten die Stars sich noch alle an den Erfolg von Cortis Eine blaßblaue Frauenschrift. Corti hatte den Schauspieler Gert Voss gewonnen, weil er ihm gesagt hatte, dass neben der Rampling auch Jean-Louis Trintignant und Gian Maria Volonté dabei wären. Aber das wurde so nichts, Trintignant war wohl nie wirklich im Gespräch, an Stelle des erkrankten Gian Maria Volonté spielte dann Gert Voss dann die Rolle des Graf Chojnicki.

Die zweiteilige Fernsehfassung von Michael Kehlmann (Teil 1 und Teil 2) aus dem Jahre 1965 war stiller und unspektakulärer. Wir bekommen zwar auch etwas Unterwäsche zu sehen, aber keine nackte Charlotte Rampling als Valerie von Taussig oder Julia Stemberger als Eva Demant. Die Eva Demant bei Kehlmann ist Hertha Martin, die ihre Karriere mit Auf der Alm da gibt's koa Sünd begonnen hatte. Dafür ist der Kaiser Franz Joseph einmal kurz im Nachthemd zu sehen, was die österreichische Presse damals sehr aufregte. 'Würdelos' sei diese Darstellung, offensichtlich war für viele das k.u.k. Reich noch nicht zu *Ende. Für manche deutsche Zuschauer auch nicht.

Aber es ist natürlich zu Ende, das wissen die Leser von Joseph Roths Radetzkymarsch und Kapuzinergruft genau. Joseph Roth ist zwar in diesem Blog immer wieder erwähnt worden, hat aber erstaunlicherweise keinen eigenen Post. Doch Helmut Qualtinger (hier mit Helmut Lohner in Radetzkymarsch) hat einen Post. Und die witzige Geschichte, wie ich einmal Qualtinger erlebte, steht auch schon hier.

Cortis 255-minütiger Film wurde im Fernsehen als Dreiteiler gezeigt, ich weiß nicht, ob man ihn gesehen haben muss. Schnuckelige Frauen wie Charlotte Rampling, Elena Sofia Ricci (hier nackt im *Clip) und Julia Stemberger (die auch ein klein wenig *nackt sein darf) reißen da auch nichts raus. Obgleich die Stemberger in dieser Welt zu Hause scheint. Auf jeden Fall mehr als in Dieter Wedels St Pauli Epos

Als ich Julia Stemberger zum ersten Mal sah, dachte ich mir, dass sie einmal eine wunderbare Genia in Schnitzlers Das weite Land abgeben könnte. 2017 hat sie in Reichenau an der Rax genau diese Rolle gespielt. Mit großem Erfolg. Manchmal verwechsle ich Schnitzler mit Joseph Roth, den ich sehr mag. Das liegt daran, dass ich mal eine schlimme k.u.k. Phase hatte und alles von Arthur Schnitzler und Joseph Roth hintereinander weg gelesen habe. Das habe ich schon irgendwann einmal im Blog gestanden.

Das k.u.k. Reich hat uns eine Vielzahl von Romanen beschert. Und noch mehr Filme, da fallen uns doch sofort Rudolf Prack und Hannerl Matz und die ganzen Sissi Filme ein. Der Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz hat seinen Namen für vieles hergeben müssen: einen Wein, mehrere Schlachtschiffe, einen Zuchthengst. Die grauenhaften Verse von Franz Grillparzer erspare ich uns. Zum 150. Todestag des Feldmarschalls offerierte die Firma Steiff einen Radetzky Teddy. Wenn man den drückte, erklang der Radetzkymarsch. So etwas hat der junge Karl Joseph von Trotta nicht besessen.

Der träumte mit fünfzehn noch von seinem Kaiser: Am besten starb man für ihn bei Militärmusik, am leichtesten beim Radetzkymarsch. Die flinken Kugeln pfiffen im Takt um den Kopf Carl Josephs, sein blanker Säbel blitzte, und Herz und Hirn erfüllt von der holden Hurtigkeit des Marsches, sank er hin in den trommelnden Rausch der Musik, und sein Blut sickerte in einem dunkelroten und schmalen Streifen auf das gleißende Gold der Trompeten, das tiefe Schwarz der Pauken und das siegreiche Silber der Tschinellen.

Der Feldmarschall Joseph Radetzky von Radetz spielt in Joseph Roths Roman Radetzkymarsch keine Rolle, der von Johann Strauss komponierte *Marsch schon: Alle Platzkonzerte – sie fanden unter dem Balkon des Herrn Bezirkshauptmanns statt – begannen mit dem Radetzkymarsch. Obwohl er den Mitgliedern der Kapelle so geläufig war, daß sie ihn mitten in der Nacht und im Schlaf hätten spielen können, ohne dirigiert zu werden, hielt es der Kapellmeister dennoch für notwendig, jede Note vom Blatt zu lesen. Und als probte er den Radetzkymarsch zum erstenmal mit seinen Musikanten, hob er jeden Sonntag in militärischer und musikalischer Gewissenhaftigkeit den Kopf, den Stab und den Blick und richtete alle drei gleichzeitig gegen die seiner Befehle jeweils bedürftig scheinenden Segmente des Kreises, in dessen Mitte er stand. Die herben Trommeln wirbelten, die süßen Flöten pfiffen, und die holden Tschinellen schmetterten. Auf den Gesichtern aller Zuhörer ging ein gefälliges und versonnenes Lächeln auf, und in ihren Beinen prickelte das Blut. Während sie noch standen, glaubten sie schon zu marschieren. Die jüngeren Mädchen hielten den Atem an und öffneten die Lippen. Die reiferen Männer ließen die Köpfe hängen und gedachten ihrer Manöver. Die ältlichen Frauen saßen im benachbarten Park, und ihre kleinen, grauen Köpfchen zitterten. Und es war Sommer.

Der Herr Bezirkshauptmann, das ist der Sohn des Major a.D. Joseph Trotta von Sipolje, des Helden von Solferino, Träger des Militär Maria Theresien Ordens. Der mitansehen muss, wie das kaiserliche Reich langsam zerfällt. Und mitansehen muss, dass sein Sohn nichts von dem Schneid des Helden von Solferino und nichts von der Kaisertreue des Bezirkshauptmanns besitzt. In dem Film von 1965 spielt Leopold Rudolf den alten Baron Trotta, irgendwie ist er da überzeugender als Max von Sydow, der wieder einmal Max von Sydow spielt.

Der Bezirkshauptmann stirbt im Roman wenige Tage nach seinem Kaiser: Es war der Tag, an dem man den Kaiser in die Kapuzinergruft versenkte. Drei Tage später ließ man die Leiche Herrn von Trottas ins Grab hinunter. Der Bürgermeister der Stadt W. hielt eine Rede. Auch seine Grabrede begann, wie alle Reden jener Zeit überhaupt, mit dem Krieg. Weiter sagte der Bürgermeister, daß der Bezirkshauptmann seinen einzigen Sohn dem Kaiser gegeben und trotzdem weiter gelebt und gedient hatte. Indessen rann der unermüdliche Regen über alle entblößten Häupter der um das Grab Versammelten, und es rauschte und raschelte ringsum von den nassen Sträuchern, Kränzen und Blumen. 

Doktor Skowronnek, in der ihm ungewohnten Uniform eines Landsturmoberarztes, bemühte sich, eine sehr militärische Habt-acht-Stellung einzunehmen, obwohl er sie keineswegs für einen maßgeblichen Ausdruck der Pietät hielt. – Zivilist, der er war. Der Tod ist schließlich kein Generalstabsarzt! dachte der Doktor Skowronnek. Dann trat er als einer der ersten an das Grab. Er verschmähte den Spaten, den ihm ein Totengräber hinhielt, sondern er bückte sich und brach eine Scholle aus der nassen Erde und zerkrümelte sie in der Linken und warf mit der Rechten die einzelnen Krumen auf den Sarg. Dann trat er zurück. Es fiel ihm ein, daß jetzt Nachmittag war, die Stunde des Schachspiels nahte heran. Nun hatte er keinen Partner mehr; er beschloß dennoch, ins Kaffeehaus zu gehn.
        Als sie den Friedhof verließen, lud ihn der Bürgermeister in den Wagen. Doktor Skowronnek stieg ein. »Ich hätte noch gern erwähnt«, sagte der Bürgermeister, »daß Herr von Trotta den Kaiser nicht überleben konnte. Glauben Sie nicht, Herr Doktor?« »Ich weiß nicht«, erwiderte der Doktor Skowronnek, »ich glaube, sie konnten beide Österreich nicht überleben.«

Meine Rowohlt Ausgabe von Radetzkymarsch hat mich vor über fünfzig Jahren bei Eschenburg eine Mark gekostet. Ich war nie versucht, eine andere Ausgabe zu kaufen, diese hier war mein Leseerlebnis. Und ein Leseerlebnis ist der Roman noch immer. Den Radetzkymarsch gibt es bei booklooker ab 1,96€ (die Erstausgabe von 1932 kostet da 189 Euro). Für den Preis von 1,96€ würde ich nicht zögern. Gut, Sie bekommen keine Charlotte Rampling, keine Elena Sofia Ricci und keine Julia Stemberger wie auf der DVD (12,99 € bei amazon), aber der Roman ist viel, viel besser als jede Verfilmung. Selbst der von mir immer geschmähte Reich-Ranicki hält ihn für einen großen Roman, und das ist er wirklich. Der ungarische Literaturhistoriker Georg Lukács bezeichnete den Roman 1939 in einer Moskauer Zeitschrift als eines der künstlerisch geschlossensten und überzeugendsten der neueren deutschen Literatur. Mehr geht nicht.

Freitag, 31. Oktober 2025

Reformationstag


Nv frewt euch lieben Christen gmeyn /
vnd last vns frölich spryngen.
Das wir getrost vnd al ynn eyn /
mit lust vnd liebe syngen.Was Got an vns gewendet hat
vnd seyne susse wunder that.
Gar theur hat ers erworben.

Dem teuffel ich gefangen lag /
ym tod war ich verloren.
Mein sund mich qwellet nacht vnd tag /
darynn ich war geboren.
Ich fyel auch ymmer tieffer dreyn.
Es war keyn guts am leben meyn.
Die sund hat mich besessen.

Mein gute werck die golten nicht /
es war mit yhn verdorbenn.
Der frey will hasset Gotts gericht /
er war zum gut erstorben.
Die angst mich zu verzweifeln treib /
das nichts dan sterben bey mir bleyb.
Zur hellen must ich syncken.

Da yamert Gott yn ewigkeyt /
mein elend vbermassen.
Er dacht an seyn barmhertzigkeit.
Er wolt mir helffen lassen.
Er wand zu mir das vater hertz.
Es war bey yhm furwar keyn schertz.
Er ließ syn bestes kosten.

Er sprach zu seynem lieben son /
die zeyt yst hie zurbarmen.
Farhyn meyns hertzen werde kron /
vnnd sey das heyl der armen.
Vnd hylff yhm aus der sunden nott.
Erwurg fur yhn den bittern todt.
Vnd laß yhn mit dir leben.

Der son dem vater gehorsam ward /
er kam zu mir auff erden.
Von eyner yungfraw reyn vnnd tzart /
er solt mein bruder werden.
Gar heymlich furtt er seyn gewalt.
Er gieng ynn meyner armen gestalt.
Den teuffel wolt er fangen.

Er sprach zu mir halt dich an mich.
Es solt dir ytzt gelingen.
Ich geb mich selber gantz fur dich.
Da will ich fur dich ryngen.
Denn ich byn deyn vnd du byst meyn.
Vnd wo ich bleib da soltu seyn.
Vnns soll der feind nicht scheyden.

Vergiessen wirt er mir meyn blut /
dazu mein leben rawben /
das leyde ich dir alles zu gutt /
das halt mit festem glauben /
den todt verschlingt das leben mein.
Meyn vnschult tregt die sunden deyn.
Da bistu selig worden.

Gen hymmel zu dem vatter meyn.
Far ich von dysem leben /
da will ich seyn der meyster deyn /
den geyst will ich dir geben /
der dich yn trubniß trösten soll.
Vnd lernen mich erkennen wol.
Vnd yn der warheit leitten.

Was ich gethan hab vnd geleert
das solt du thun vnnd leeren /
damit das reich Gotts werd gemehrt.
Zu lob vnd seynen ehren.
Vnd hut dich fur der menschen satz /
dauon verdirbt der edle schatz.
Das laß ich dir zur letze.

Samstag, 25. Oktober 2025

se vuol ballare, Signor Trumpino?


Am Morgen habe ich die New York Times in der Mail, am Abend den New Yorker Daily. Den New Yorker hatte ich mein halbes Leben als Abo oder als Geschenk; und Adam Gopnik, den ich als Autor sehr schätze, hat hier schon einen Post. Die Lektüre der besten Zeitungen aus den USA kostet übrigens nichts, Sie brauchen sich nur mit Ihrer E-Mail Adresse auf die Liste setzen zu lassen. Sie können natürlich auch den White House Newsletter abonnieren, aber das wollen Sie sicher nicht. Obgleich die Selbstinszenierung der Regierung Trump sehr, sehr komisch ist. Was beide New Yorker Blätter im Augenblick beschäftigt, ist der Ostflügel des Weißen Hauses, den Trump gerade abreißen lässt. Weil er dort einen Ballsaal für tausend Leute bauen will, den sich die Nation angeblich schon immer gewünscht hat: For 150 years, Presidents, Administrations, and White House Staff have longed for a large event space on the White House complex that can hold substantially more guests than currently allowed. President Donald J. Trump has expressed his commitment to solving this problem on behalf of future Administrations and the American people.

Als ich die Sache mit dem Ballsaal zu ersten Mal las, fiel mir Figaros Arie se vuol ballare, signor contino ein, das wäre ein witziger Titel für das Ganze gewesen. Signor contino Donald lässt einen Ballsaal bauen und Figaro bringt ihm das Tanzen bei. Im New Yorker beantwortete George E. Condon, die Frage How normal is this sort of White House renovation? mit den klaren Sätzen: The White House wants you to believe this is totally normal, citing all the renovations, big and small, made by past Presidents. They are right that changes were made. But they are dead wrong about how this is being done. With the exception of F.D.R. secretly building a bunker under the East Wing during the Second World War, past renovations of this size were debated, funded by Congress, and done only after the need was manifest. None were rushed and done at the whim of a President.

Keine Diskussionen in Kongress oder Senat, überhaupt keine Diskussionen im Land, wenn der Signor Trumpino at the whim seinen Tanzsaal haben will. So etwas wollte er schon vor Jahrzehnten mal haben und mit 100 Millionen Dollar selbst finanzieren, aber Obama hat seinen Brief gar nicht erst beantwortet. Hatte allerdings, als er sich 2011 um die zweite Amtszeit bemühte, beim jährlichen White House Correspondents Association Dinner ein Photo in seinem Vortrag eingeblendet, das das Weiße Haus nach einem theoretischen Sieg Donald Trumps zeigte. Das war damals ein kleiner visueller Scherz. Heute ist das Bild bitterböse Satire, aber vielleicht wird das ja noch genau so werden. Den Bordell-Stil seines Anwesens Mar-a-Lago mit viel Gold und Glitzer hat Trump ja schon in das Weiße Haus gebracht: Where the Oval Office once conjured gravitas and continuity through its restrained adornments, it now evokes insecurity and petulance. It is awash in gilt.

Das Weiße Haus, das architektonisch sicherlich nicht die Bedeutung von Jeffersons Monticello hat, ist über die Jahre immer wieder umgebaut worden; vom Original von James Hoban ist wenig erhalten. Donald Trump benutzt jetzt eine Auflistung der Umbauten durch Amerikas Präsidenten, um gegen seine Kritiker vorzugehen: In the latest instance of manufactured outrage, unhinged leftists and their Fake News allies are clutching their pearls over President Donald J. Trump’s visionary addition of a grand, privately funded ballroom to the White House — a bold, necessary addition that echoes the storied history of improvements and additions from commanders-in-chief to keep the executive residence as a beacon of American excellence

Wir lassen das Geschwafel mit der manufactured outrage, den unhinged leftists and their Fake New mal so stehen und kommen zu einer kurzen Baugeschichte. 1902 begann Roosevelt mit erheblichen Renovierungsmaßnahmen, die dem Haus diesen Ostflügel (und einen Südflügel) verschafften. Die Bauarbeiten wurden durch Amerikas renommierteste Firma McKim, Mead and White durchgeführt, die dafür berühmt waren, die größten Villen für die Millionäre des Gilded Age im Stil der École des Beaux-Arts von Paris zu bauen (lesen Sie mehr in Dementia Americana). Die verpassten dem Haus auch die weiße Farbe. Und Roosevelt gibt ihm den Namen The White House

Nicht nur McKim, Mead and White haben das Haus umgebaut, das Haus wurde, seit es die Engländer im Krieg 1812-1814 angezündet hatten, ständig umgebaut. Damals hatte man das Gebäude zum ersten Mal weiß gestrichen, um die Brandschäden zu übertünchen. Von nun an baut jeder Präsident ein wenig an dem Haus dran herum. James Monroe ließ den Portikus im Süden errichten, Andrew Jackson zehn Jahre später den North Portico. Am Ende des 19. Jahrhunderts plädierten schon viele für einen Abriss und Neubau des Gebäudes. 

1945 merkte man, dass das Haus wirklich abrissreif war. Die Bausünden von Jahrhunderten wurden evident. Und die eine tragende Wand hätte Roosevelt nicht entfernen sollen. Nachdem das Spinett seiner Tochter durch die Decke des Obergeschosses gebrochen war, zog Präsident Truman mit seiner Familie in das Blair House, wo er die nächsten vier Jahre wohnen wird. So wie auf diesen Bildern sah das Weiße Haus im Frühjahr 1950 aus, nur die Außenwände stehen noch, man hatte es vollständig entkernt. Fachleute hatten für einen Abriss des baufälligen Hauses plädiert, aber das wollte der Kongress nicht hören. Er bestand auf dem Erhalt der Fassade. Der Architekt Lorenzo Simmons Winslow wird dem amerikanischen Präsidenten ein neues Zuhause aus Stahlbeton geben. Im Frühjahr 1952 führte Harry S. Truman ein Fernsehteam durch das im Inneren völlig neue Weiße Haus.

Und nun bekommt es eine visionary addition, einen neuen Flügel, der allerdings die ganze Konstruktion ein wenig aus dem Gleichgewicht bringt. Palladio, der für Amerikas öffentliche Bauten der Stilgeber ist, hätte so etwas nicht gebaut. Denn der Ballsaal im Stil von Versailles für Signor Trumpino wird größer als das Weiße Haus sein. I’ve seen drawings of the ballroom next to the White House, and it does a couple of things. First, it dwarfs it. And second, it takes away the symmetry. The White House looks symmetrical from above, from the front, and from the back — and this addition disrupts that, hat die Historikerin Dr Lindsay Chervinsky gesagt. 

Aber für den Bauherren, der das aus seiner Tasche (und den Taschen seiner Milliadärsfreunde) bezahlt, ist das alles nur beautiful: It will be beautiful. It won’t interfere with the current building. It won’t be – it will be near it, but not touching it. And pays total respect to the existing building, which I’m the biggest fan of. It’s my favourite. Der Architekt, den Trump für seinen Ballsaal gefunden hat, war bisher auf katholische Kirchen spezialisiert. Er war mal ein Vertreter moderner Architektur, tendiert aber heute zu irgendetwas, das er als klassisch empfindet. Er ist da wieder angekommen, wo McKim, Mead and White vor hundert Jahren schon waren. Ein bisschen klassischer Touch für Multimillionäre, die viel Geld und ganz wenig Geschmack haben.

Se vuol ballare, signor contino, singt Figaro, und seine Cavatine ist ein Lied der Rebellion. Das wissen wir, die Oper war häufig in diesem Blog. 

Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen,
mag er's mir sagen, ich spiel ihm auf.
Soll ich im Springen Unterricht geben,
auf Tod und Leben bin ich sein Mann.
Ich will ganz leise
listigerweise von dem Geheimnis
den Schleier ziehn.
Mit feinen Kniffen, mit kecken Griffen,
heute mit Schmeicheln, morgen mit Heucheln
werd' seinen Ränken ich kühn widerstehn.

Nur Googles KI-Modus hat das nicht begriffen. Da steht doch tatsächlich: Der Text lautet: "Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen, mag er's nur sagen, ich spiel' ihm auf". Dieser Text stammt aus der Cavatine des Figaro aus der Oper Die Hochzeit des Figaro von Wolfgang Amadeus Mozart. Es handelt sich um die Arie, in der Figaro vor Freude, dass der Graf nicht gegen ihn ist, die Musik für den Grafen spielt ... Bedeutung im Kontext: In dieser Arie drückt Figaro seine Freude aus, weil der Graf anscheinend nicht mehr gegen ihn ist. Er spielt die Musik für den Grafen und sagt, dass er ihm gerne aufspielen wird, wenn der Graf tanzen möchte. Nein, ihr Vollpfosten, Figaro will verhindern, dass der Graf Susanna an die Wäsche geht!

Wird man Signor Trumpino zum Tanz aufspielen? Die Musik, die er im Augenblick hört, ist der Krach der Abrißbirne: You probably hear the beautiful sound of construction in the back... When I hear that sound, it reminds me of money. Ach ja, das ist das einzige, das er im Kopf hat. This is Trump’s presidency in a single photo. Illegal, destructive, and not helping you, hat die Senatorin Elizabeth Warren über die ersten Photos gesagt. Und Hillary Clinton schrieb: It’s not his house. It’s your house. And he’s destroying it. Der Historiker Edward G. Lengel hat gesagt: I think Thomas Jefferson, poor old TJ, his head would’ve exploded if he had seen this. Die Frage, die bleibt, ist: wird Signor Trumpino es noch erleben, in seinem Ballsaal zu tanzen? Wird man da jemals solche Szenen sehen? Und wer werden die anderen tausend in dem Saal sein? Repräsentieren die Amerika? Kann man Trumps Ränken, wie Figaro es singt, ganz leise Mit feinen Kniffen, mit kecken Griffen, heute mit Schmeicheln, morgen mit Heucheln kühn widerstehn? Die ersten Klagen gegen die Abrissarbeiten sind eingereicht.