Der Philosoph René Descartes wurde heute vor 415 Jahren geboren. Das gibt mir Gelegenheit, einen sehr alten Philosophenwitz zu erzählen: Steht Descartes an der Bar. Fragt ihn der Barkeeper: "Noch ein Bier? "Descartes: "Ich denke nicht." Plopp! und weg ist er. Soviel zum Thema cogito ergo sum. Ich weiß, der Witz über den Satz cogito ergo sum ist blöd, aber ich finde ihn immer wieder komisch. Und man sollte auch einmal die komische Seite der Philosophie und der Philosophen betrachten. Ich lasse den deutschen Philosphen, der Pferde knutschte, jetzt mal aus. Obgleich Nietzsche dem Komischen in der Philosophie ja immerhin einen Stellenwert einräumt, während die ansonsten ja eher ein wenig humorfeindlich ist. Aber, wie Odo Marquard es einmal formulierte, die Philosophie tut auch gut daran, dass sie von Zeit zu Zeit ihr Grab wechselt. Ja, witzig ist der Transzendentral-Belletristiker Marquard schon, das muss ihm der Neid lassen.
Andere Gegenwartsphilosophen sind dagegen völlig humorfrei. Hermann Schmitz (der neuerdings Konjunktur hat) zum Beispiel, der nicht mit Hermann Harry Schmitz verwechselt werden sollte. Andererseits sind solche Denker in ihren Schriften natürlich sehr häufig unfreiwillig komisch. Oder in ihrem Leben. Hermann Schmitz hatte immer volle Vorlesungen, die von allen, aber kaum von Philosophiestudenten besucht wurden. Er war eben ungewollt sehr komisch. Oder wie ein Student in der Mensa zu einem anderen sagte: Komm wir gehen zu Hermann Schmitz, iss besser als Tom und Jerry. Ist das nicht das Schönste, was man über einen akademischen Lehrer sagen kann?
Wenn Hermann Schmitz den philosophischen Satz Hermann Schmitz ist traurig illustrieren wollte, dann war er 15 Minuten lang traurig und schwieg traurig an seinem Pult. Weil man die Philosophie auch leben muss. Ich glaube die Studenten haben nie begriffen, dass hier jemand öffentlich traurig war, der den gesamten Andy Kaufman und alle Performance Künstler vorwegnahm. Aber nicht jedem Philosophen ist das gegeben, die meisten schreiben nur. Und sind in dem, was sie schreiben, häufig schwer zu verstehen. Man braucht andere Philosophen, die einem erklären, was ihr Kollege geschrieben und gedacht hat. Das ist das Elend der Philosophie. Odo Marquard hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte: Philosophen etwa, die nur für Philosophen philosophieren, und davon gibt es viele, handeln ebenso unsinnig wie Sockenhersteller es täten, die Socken nur für Sockenhersteller herstellten.
Philosophen werden wie Descartes von berühmten Malern gemalt, in Bronze gegossen oder in Stein gemeisselt. Aber sie sind nicht immer nur Bilder oder Statuen gewesen, sie waren auch einmal wirkliche Menschen. Mit großen Gedanken und kleinen Fehlern. Es trägt wahrscheinlich nicht zum Verständnis von Wittgensteins Werk bei, wenn man weiß, dass er so hochneurotisch war, dass er sofort nach einer Vorlesung ins Kino raste, sich in die erste Reihe setzte und Western guckte. Aber es macht ihn menschlich. Und Klatsch und Tratsch sind ja immer schön.
Der deutsche Philosoph Wilhelm Weischedel hat mit seinem Buch Die philosophische Hintertreppe (1966) vielen Lesern einen ungewöhnlichen Zugang, eben über die Hintertreppe ins Private, zu vierunddreißig Philosophen verschafft. Der Spiegel schrieb damals dazu: Weischedel machte die überraschende Entdeckung, daß der Weg zum Verständnis großer Philosophen einfacher und direkter über die Hintertreppe durch Küche und Schlafzimmer führt als durch dickleibige Folianten oder über gescheite Interpretationen ihrer Werke. Besser kann man das Buch eigentlich nicht beschreiben.
Manche Philosophen sind völlig weltfremd, das erwartet man ja auch von ihnen. Andere stehen im wirklichen Leben. Gaston Bachelard war Briefträger gewesen, Soldat im Ersten Weltkrieg. Er wurde in einem Alter Professor, in dem andere in Frühpension gehen. Aber er war der einzige Philosophieprofessor, der einen Brief in die Hand nehmen und das genaue Gewicht ohne Briefwaage bestimmen konnte. Und auch unser René Descartes hat nicht immer die strenge bürgerliche Kleidung getragen, in der Frans Hals ihn gemalt hat. Bevor er Philosoph wurde, diente der Adlige als Seigneur de Perron dem Fürsten Maurits von Oranien (nach dem das Mauritshuis und die Insel Mauritius heißen) als Offizier. Da trug er natürlich ganz andere Kleidung. Einer seiner Biographen sagte über ihn, dass er eine Qualität besaß, die umso höher einzuschätzen ist, als sie sich bei einem Philosophen selten findet: er war außerordentlich sauber. Philosophen sind ja sonst eher schmuddelig, in der Antike tragen sie ein härenes Mäntelchen, später einen Schlafrock. Sartre soll sich selten gewaschen haben. Ja, Descartes fällt schon aus der Rolle.
Auch im Fernsehen und auch als Philosoph bezeichnet (auf jeden Fall von Wikipedia) ist Rüdiger Safranski. Auf den lasse ich nun kein böses Wort kommen, aber eigentlich ist er eher ein brillanter Literatur- und Kulturhistoriker und weniger ein Philosoph. Ich will auch nicht den ganzen Berufsstand klein reden, wir haben durchaus hervorragende Leute wie Odo Marquard, ➱Karl-Otto Apel, Manfred Frank oder ➱Kurt Flasch. Aber wir haben auch ganz viele Beamtenseelen, die jeden Morgen an ihrem Schreibtisch ihre geistigen Ärmelschoner anlegen. Wenn sie überhaupt in der Uni erscheinen und nicht als ➱Spagatprofessor hunderte von Kilometern von ihrem Arbeitsplatz entfernt mit einer ➱Jogginghose bekleidet auf ihrer Corbusier Liege liegen.
Diese Philosophen fördern die Liebe zur Weisheit nun gar nicht. Und deshalb wäre mein Gegenmittel, dass Witz und Geist in das Fach zurückkehren, in dem von den neuen BaMa Studienordnungen alles verschult und bürokratisch überreglementiert ist. Deshalb sollte man Wilhelm Weischedels Die philosophische Hintertreppe lesen. Und Frédéric Pagès' Frühstück bei Sokrates: Philosophie als Lebenskunst. Und sich dann eins der letzten Exemplare von Lutz Geldsetzers unbezahlbarem Buch Die Philosophenwelt: In Versen Vorgestellt sichern (Reclam, hört mir zu! Legt das bloß wieder auf!). Das ersetzt einem mit einem Lehrgedicht auf 200 Seiten ein ganzes Philosophiestudium:
Bekanntlich war's in Griechenland,
wo man die Philosophie erfand,
zumindest die uns wohlbekannte,
die herrschend blieb im Abendlande...
heißt es im Prolog. So beginnt diese atemraubende Philosophiegeschichte, die besser zu lesen ist als Vorländer, Hirschberger oder Störig.
Der Verfasser stellt dem Buch ein lateinisches Motto voran: quod risum movet, et quod prudenti vitam consilio monet. Er hat dabei den Satzteil Duplex libelli dos est unterschlagen, der bei Phaedrus vor diesem Zitat steht. Macht aber nix, wir alle haben erkannt, dass es uns Vergnügen bereiten bereiten soll, uns belehren zu lassen. Ist nicht viel anderes als das Aut prodesse volunt aut delectare poetae aut simul et iucunda et idonea dicere vitae von Horaz. risum, da ist es wieder, das Lachen, ohne das geht es nicht. Das sagten sich auch zwei Amerikaner, die in Harvard Philosophie studiert hatten. Und schrieben Plato and Platypus walk into a Bar..., in dem die wesentlichen Elemente der Philosophie an Hand von Witzen erläutert werden. New York Times Bestseller, und das zu Recht. Das Buch von Thomas Cathcart und Daniel Klein ist inzwischen auch schon in deutscher Übersetzung erhältlich.
Und noch ein Rat an alle Schankwirte, Barkeeper und Kellner: wenn René Descartes in Ihr Lokal kommt, stellen Sie ihm möglichst keine Fragen, die er mit Ich denke nicht beantworten kann. Dann kann er auch nicht die Zeche prellen.
Lesen Sie auch: Karl-Otto Apel, Albert Camus, Roland Barthes, Carl Schmitt, Gabriel Marcel, Hegel, Heidegger, Karl Popper, Augustinus, Kierkegaard, Thomas Hobbes, David Hume, John Locke, Immanuel Kant, Michel de Montaigne, Gaston Bachelard