In Bremen versuchte ichs indessen allein auf meine eigene Hand, und es gelang mir am hellen lichten Tage unter ziemlicher Gefahr. Die nächste Veranlassung war ein Gezänk mit dem Feldwebel über Brotlieferung, in welches sich der kommandierende Offizier etwas diktatorisch handgreiflich mischte. Das Gespenst der Preußen saß mir fest im Gehirn; ich hatte ganz gegen meine Gewohnheit ohne alle Absicht in einigen Gläsern Wein mich etwas warm getrunken und machte kurz und gut auf und davon, am Ufer hin, über die Brücke weg, in die Altstadt hinein. Ein guter, alter, ehrlicher Spießbürger mochte mir doch wohl einige Verwirrung ansehen; er kam freundlich zu mir und fragte: »Freund! Ihr seid wohl ein hessischer Deserteur?« »Und wenn ich denn einer wäre?« sagte ich. »Da muß ich Euch sagen, unser Magistrat hat Kartell mit dem Landgrafen.« Und nun....
Sonntag, 29. Januar 2023
Seume
Freitag, 27. Januar 2023
sag' kein Wort!
Wenn der Pastor Dir die Geschichte von der Leica erzählt, sag’ kein Wort, flüsterte mein Bruder mir im Vorübergehen mit verschwörerischem Ton zu. Kein Wort! Er hastete weiter, dies war seine Hochzeit. Wir waren im obersten Stockwerk des Hotels Maritim, der Saal war voll. Eine halbe Stunde später hatte ich den Pastor neben mir. Mit einer kleinen Kamera. Die müsse er mir unbedingt zeigen, wo ich doch auch photographiere. Die Canon A1 mit aufgeschraubtem Motor und Blitzlichtgerät in meiner Hand verriet mich als den Festphotographen. Und dann erzählt er mir die Geschichte seiner Kamera, und da wusste ich, weshalb ich kein Wort sagen durfte. Ein Industrieller, der ein Ferienhaus in seiner Gemeinde hatte, war bei einem Reitunfall verunglückt und war danach den Verletzungen erlegen. Der Pastor hatte ihn vor seinem Tod täglich am Krankenbett besucht; und nach seinem Tod hatte die Witwe ihm aus Dankbarkeit einen großen Holzkoffer mit Photoapparaten geschenkt. Da waren zwei Leicas drin und ein halbes Dutzend Leitz Objektive. Spezialobjektive, die er für seine Arbeit brauchte, hatte ihm die Witwe gesagt.
Montag, 23. Januar 2023
Die Kartause von Parma
Donnerstag, 19. Januar 2023
Made in Italy: Fray
Dienstag, 17. Januar 2023
Sir Compton Mackenzie
Sonntag, 15. Januar 2023
Ingahild Grathmer
Freitag, 13. Januar 2023
Oskar Zwintscher
Ich habe endlich Ihr Selbstporträt gesehen. Das muß ich Ihnen auf alle Fälle sagen, daß es mir einen großen, großen Eindruck gemacht hat. Das ist ein wundervolles Bild. So fein in den Kontrasten, so intim und doch fast dekorativ. Es ist mir das Liebste, was ich bisher von Ihnen gesehen habe. (Wie freue ich mich einmal, bis ich viel mehr kenne, über Ihr Werk zu schreiben!), schreibt Rainer Maria Rilke am 18. Mai 1902 an den Maler Oskar Zwintscher. Er hatte das Bild in der 13. Großen Kunstausstellung des Bremer Kunstvereins in der Bremer Kunsthalle gesehen. Aus dieser Ausstellung heraus hat die Kunsthalle bei Ausstellungsende das Bild auch gekauft. 1902 war Zwintscher ein berühmter Mann. Aber der Ruhm des Mannes, der es versteht, uns die koloristischen und zeichnerischen Experimente der alten Meister, natürlich ins Moderne übersetzt, wieder nahe zu rücken, hat nicht lange gehalten.
Mittwoch, 11. Januar 2023
Kriminalpolizei
Kriminalpolizei, sagte die Stimme am Telephon. Ich wusste, dass es nicht die Kripo war, die Telephonnummer war unterdrückt. Das hat seinen Grund, sagte der Mann, der sich als Kommissar Weber vorstellte, das machen wir aus ermittlungstaktischen Gründen. Sie können aber auch bei der Polizeidirektion anrufen. Das war nun ein geschickter Schachzug, um verunsicherte Leute zu beruhigen. Und dann erzählte er mir diese Geschichte, die ich glauben sollte. Dass man in meiner Nachbarschaft zwei Leute festgenommen hätte. Rumänen. Dies Detail ist immer gut, wir glauben ja gerne, dass die Rumänen immer kriminell sind. Zigeuner eben. Die beiden Rumänen würden jetzt von seinem Kollegen, dem Hauptkommissar Knauer, im Präsidium vernommen. Sie hätten einen Zettel dabei gehabt, auf dem stände, dass ich viele Wertsachen und Bargeld in der Wohnung hätte. In meinem Safe. Das müsse er jetzt alles genau wissen.
Das konnte ich mir vorstellen, dass er das gerne wissen wollte. Es war mir die ganze Zeit klar, dass dies kein echter Kommissar, sondern ein Kleinkrimineller war, ein Trickbetrüger. Man liest ja immer davon, man hat sie aber selten wirklich am Telephon. Er hatte seinen Text vorbereitet, so wie ein Schauspieler seinen Text vorbereitet, er wusste auf alles eine Antwort. Er hatte ein Drehbuch für das Ganze. Ich ließ ihn reden. Irgendwann wurde es mir zuviel, ich sagte ihm, dass er kein Kriminalkommissar, sondern ein Krimineller sei. Jetzt war er beleidigt. Wie können Sie es wagen, einen deutschen Kriminalkommissar zu beleidigen. Ich schicke Ihnen gleich mal eine Funkstreife vorbei. Ich sagte: Darauf warte ich gerne und legte auf.
Dann rief ich die richtige Polizei an und erzählte einer netten Beamtin die ganze Geschichte. Sie nahm das alles sorgfältig auf. Sie fragte mich, ob ich im Telephonbuch stände und riet mir, meinen Eintrag dort löschen zu lassen. Ich stehe seit fünfzig Jahren im Telephonbuch, das war früher etwas Seriöses. Heute offenbar nicht mehr.
Aber der Abend war noch nicht zu Ende. Eine Stunde nach dem Telephonat mit der Polizei rief mich erneut ein Kriminalkommissar an. Diesmal nicht mit unterdrückter Nummer, sondern mit der Nummer 110. Die Polizei ruft niemals mit dieser Nummer an. Er hatte eine sonore Stimme und konnte sich wie ein gebildeter Mensch ausdrücken. Und er begann wieder mit der Geschichte mit der Nachbarschaft. Ich unterbrach ihn und fragte: Sind das die Rumänen, von denen mir ihr Kollege Weber von einer Stunde erzählt hat? Jetzt war er für einen Augenblick unsicher. Und dann sagte ich: Ihr Kleinkriminellen, ihr müsst mal eure Anrufe abstimmen. Er sagt Ja und legte auf.
Eine Woche später konnte ich in der Zeitung lesen, dass die Anrufe der Kriminellen, die sich als Polizisten ausgäben, stark zugenommen hätten. Zwei Wochen später kam ein Brief von der Staatsanwaltschaft, die mir mitteilte, dass man die Untersuchungen eingestellt hätte. Es erschien aussichtlos, da jemanden zu greifen, selten wird mal jemand von der Bande festgenommen.
Aber die Betrüger geben nie auf. Am letzten Sonntagabend war eine Frau am Apparat. Sie sagte, dass sie die Einsatzleiterin des 3. Polizeireviers sei. Sie war sehr energisch. Und sie erzählte auch wieder eine Geschichte, die sich gerade in der Nachbarschaft abgespielt hatte. Bei mir um die Ecke hätte man eine 86-jährige Dame überfallen. Aber bevor die angebliche Polizeibeamtin ihr Programm abspulen konnte, fragte ich sie, warum sie mit unterdrückter Nummer anriefe. Das liegt an unserer abhörsicheren Kryptoleitung, sagte sie. Ich hörte der energischen Einsatzleiterin noch ein wenig zu. Die Etablierung der Glaubwürdigkeit ist ja erst der Anfang der Geschichte, irgendwann wollen sie mit neuen Erzählungen an das Geld des Angerufenen. Ich beendete das Gespräch, indem ich sagte, dass zwischen ihr und den Randalierern von Silvester kein großer Unterschied sei. Ins Gefängnis gehörten sie alle. Jetzt war sie richtig beleidigt. Ich legte auf. Dann rief ich das 3. Polizeirevier an. Sie hatten keine Einsatzleiterin. Und keine abhörsichere Kryptoleitung. Mein Gott, hört das nie auf? sagte der Beamte am Telephon. Es hört offenbar nie auf. Die Band Erste allgemeine Verunsicherung hatte schon recht, als sie Das Böse ist immer und überall sangen.
Sonntag, 8. Januar 2023
C'est à Hambourg
Der Engländer würde sagen: The pot calling the kettle black. Ja, da haben sich zwei gefunden. Beides Dünnbrettbohrer, aber beide mit riesigem Ego.