Donnerstag, 30. September 2021

Anna Karenina: Translations

Sie haben sich bei der Lektüre des Posts russischer Adel wahrscheinlich gedacht, dass ich die Lektüre des Roman Anna Karenina endlich beendet habe. Das ist schon richtig, andererseits vielleicht auch nicht. Denn ich lese den Roman gerade noch einmal, in einer englischen Übersetzung. In dem Post Anna Karenina: Übersetzungen hatte ich geschrieben:

Ich könnte mir natürlich die neue englische Übersetzung von Rosamund Bartlett (Oxford University Press) bestellen. Oder die von Marian Schwarz (Yale UP). Witzigerweise sind beide Übersetzungen im selben Jahr erschienen. Englische Übersetzungen von Tolstois Roman gab es seit 1886 schon genug. Zählt man die beiden neuesten aus dem Jahr 2014 mit, dann kommt man auf 18 Übersetzungen, das sind beinahe soviel wie hier in Deutschland. Die Übersetzerinnen Rosemarie Tietze, Rosamund Bartlett und Marian Schwarz hatten gegenüber allen Vorgängern und Vorgängerinnen einen Vorteil: sie konnten die historisch-kritische Moskauer Akademie Ausgabe von 1970 benutzen.
      Aber ich glaube, ich lasse das mal mit den englischen Übersetzungen. Weil ich mir gerade vorhin bei booklooker für 4,95€ die Übersetzung von Hermann Asemissen (Rütten und Loening, 2 Leinenbände) gekauft habe. Ich berichte irgendwann darüber. Oder schreibe mal über Anna und Wronski, Kitty und Lewin. On verra.

Ich las den Roman nun in der Übersetzung von Hermann Asemissen, die mir gut gefiel. Auch weil ich das Buch ohne Brille lesen konnte. Ich griff aber immer wieder auf Rosemarie Tietze zurück. Das war dieser Glückskauf für fünf Euro gewesen, aber ich mochte das Buch nicht wirklich, weil es eine Dünndruckausgabe ist. Und die Schrift ziemlich klein ist. Im November sah ich bei ebay die zweibändige Insel-Augabe, die Übersetzung von Gisela Drohla, für einen Euro. Niemand außer mir bot bei der Auktion, und so hatte ich für  insgesamt 10,95€ (plus Porto) jetzt drei Ausgaben von Anna Karenina. Ich legte Asemisssens Übersetzung beiseite und hielt mich an Drohla. Guckte zwar immer wieder in Asemissen und Tietze, aber ich hatte mich jetzt in der Drohla Übersetzung festgelesen. Wenn mich heute jemand fragen würde, welche Übersetzung ich empfehlen würde, dann würde ich Gisela Drohla sagen. 

Ich weiß nicht weshalb, ich habe keine Kriterien für das Urteil, aber die Übersetzung von Gisela Drohla liest sich für mich besser als die Tietze Übersetzung. Das sage ich, ein anderer Leser wird vielleicht etwas anderes sagen. Denn wir wissen dank Proust: In Wirklichkeit ist jeder Leser, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst. Das Werk des Schriftstellers ist dabei lediglich eine Art von optischem Instrument, das der Autor dem Leser reicht, damit er erkennen möge, was er in sich selbst vielleicht sonst nicht hätte erschauen können. Es geht um Lesbarkeit, um stilistische Eleganz. All die Nuancen, die Rosemarie Tietze in einem Interview und in den Fußnoten aufgezählt hat, nehme ich zur Kenntnis, aber es ist mir ziemlich egal, welches Geräusch Schnepfen und Bekassinen machen, ob sie nun quorren (Tietze) oder schmatzen (Drohla).

Neue Übersetzungen werden an alten Übersetzungen gemessen, auf jeden Fall tun das die Kritiker. Niemand übersetzt für sich allein, da ist immer ein anderer, der das schon vorher übersetzt hat. Und der das vielleicht vieles besser übersetzt hat. Jede Neuübersetzung ist eine Nachübersetzung, hat Felix Philipp Ingold gesagt und für eine synthetisierinde Übersetzungsarbeit plädiert. Übersetzer sollten in ihre Neuübersetzungen schon existierende bessere alte Übersetzungen integrieren. Ich finde das sehr vernünftig, aber manche Übersetzer haben das nicht gerne gehört.

Manche Verlage, die die Rechte für eine Übersetzung hatten, die von Kritikern und Lesern immer gelobt wurde, haben bei Neuauflagen die Übersetzung bearbeiten lassen, weil der Text Fehler und Unstimmigkeiten enthielt. Wenn wir heute die englische Übersetzung von Constance Garnett (1861-1946) lesen, so müssen wir wissen, dass dieser Text von Leonard J. Kent und Nina Berberova überarbeitet worden ist. Sie können die Übersetzung >hier oder >hier lesen, und es lohnt sich nach einhundertzwanzig Jahren immer noch, diese Übersetzung zu lesen. Die Engländerin Constance Garnett hat von 1894 bis 1934 viel von der russischen Literatur übersetzt, mehr als siebzig Bände, von denen manche heute immer noch im Handel sind. Das ist eine Leistung, an die wohl kaum ein Übersetzer herankommen wird. Ihr Enkel hat seine Biographie Constance Garnett: A Heroic Life betitelt, und heroisch ist das schon, beinahe die ganze russische Literatur ins Englische zu übersetzen.

Ihre Übersetzung von Anna Karenina aus dem Jahre 1901 war nicht die erste englische Übersetzung, es gab 1886 schon eine Übersetzung von Nathan Haskell Dole (die Sie >hier lesen können). Dole, der mit der crème de la crème der amerikanischen Literatur bekannt war, hat auch eine Biographie von Tolstoi veröffentlicht und seine Werke herausgegeben. Bei ihm lautet der Vorname von Tolstoi noch Lyof, das ist eine Schreibweise, die wir im Englischen am Ende des 19. Jahrhunderts häufig finden. Seine Übersetzung von Anna Karenina ist auf eine seltsame Weise entstanden: To preserve, so far as possible, the spirit and style of the original, has been the translator's aim in presenting, for the first time to English readers, Count Tolstoi's great novel, 'Anna Karenina.' After the present translation was begun, an anonymous French paraphrase appeared. In order to hasten the preparation of this volume for the press, that version has been used in a few passages, but always with the Russian original at hand. Die französische Ausgabe eines anonymen Übersetzers war 1883 bei Hachette in Paris erschienen. Wahrscheinlich hatte Adèle Bohomoletz sie verfasst. Hachette verkaufte diese französische >Übersetzung, die die Basis von Doles Text war, noch ein halbes Jahrhundert lang, die 22. Auflage erschien 1936.

Nathan Haskell Doles Übersetzung, die ein Jahr nach der ersten deutschen Übersetzung von >Paul Wilhelm Graff erschien, hat sich auf dem Markt nicht halten können. Die englischsprachige Welt wollte die Übersetzung von Constance Garnett haben. Wie groß dieser Einfluß ist, verdeutlicht eine Aussage, die die amerikanische Übersetzerin Marian Schwartz 2015 in einem Interview machte: Garnett—whose translations I do like and who must have been doing something right because she launched the English reader’s love affair with Russian literature—was introducing Tolstoy to the English reader for the first time and so did what an author’s first translator is often compelled to do: help the reader by writing an English text less challenging than the original Russian. Translators who followed Garnett, including me, benefited from her groundwork. Indeed, my impulse to translate this novel arose wholly from a passion bordering on obsession to take the next step after Garnett—a step translators between us did not take—and confront Tolstoy’s aesthetic choices head-on. I wanted to convey the nuances not expressed directly, in so many words, but rather embedded in his aesthetic and stylistic choices. Ich habe auch diese >Übersetzung hier für Sie.

Ich hatte die neuen Übersetzungen von Rosamund Bartlett und Marian Schwarz schon in dem Post Anna Karenina: Übersetzungen erwähnt. Jane Shmidt begann ihre Rezension von Bartletts Übersetzung in der Chicago Tribune mit der witzigen Paraphrase des ersten Satzes von Anna KareninaAll good translators are alike, each meticulous translator is meticulous in her own way. Den Satz sollten wir uns mal merken. 

Die beste Übersicht über die englischsprachigen Übersetzungen hat Professor Bob Blaisdell (der um Tolstoi richtig zu verstehen, Russisch gelernt hatte) mit seinem wunderbaren Artikel An Anna Is an Anna Is an Anna gegeben: The Tolstoy of Garnett (one of the few translators to have met the author in person, and the only one of those whose work is still read as current) is a monocled British gentleman who is simply incapable of taking his characters as seriously as they take themselves. Pevear and Volokhonsky, a Russian-American husband-and-wife team, created a reasonable, calm story­teller who communicated in conversational American English. Rosamund Bartlett, a longtime scholar of Russian literature and culture and a biographer of both Tolstoy and Chekhov, creates an updated ironic-Brit version of Tolstoy. Marian Schwartz, Bartlett’s distinguished American competitor who has translated a great variety of Russian authors, has produced what is probably the least smooth-talking and most contradictory Tolstoy yet. 

Der Slavistikprofessor Hugh McLean hat in seinem Artikel Which English 'Anna?' gesagt: None of the existing translations is actively bad. From any of them the ordinary English-speaking reader would obtain a reasonably full and adequate experience of the novel. The English in all of them sounds like English, not translationese. I found very few real errors and only a few omissions, and of the latter most were only a few words or phrases. One’s choice among the existing translations must therefore be based on nuances, subtleties, and refinements.

Die englischsprachige Version von Anna Karenina, die in den letzten Jahren am häufigsten gekauft wurde, ist die von dem Ehepaar Richard Pevear und Larissa Volokhonsky. Sie hat viel Lob bekommen: The new and brilliantly witty translation by Richard Pevear and Larissa Volokhonsky is a must, schrieb Lisa Appignanesi im  Independent, und James Wood urteilte im New Yorker: Pevear and Volokhonsky are at once scrupulous translators and vivid stylists of English, and their superb rendering allows us, as perhaps never before, to grasp the palpability of Tolstoy’s   characters, acts, situations. Der Verkaufserfolg der Übersetzung beruht allerdings nicht auf dem Lob der Kritiker, er beruht auf Oprah Winfrey, die in ihrem Book Club sagte: First of all, get this edition. Look for the Oprah's Book Club little sticker there because there's lots of different editions. Eine Woche später war das Buch die Nummer Eins der Bestsellerliste, Penguin druckte 961.030 Exemplare nach. Oprah Winfrey hat das Buch übrigens nie gelesen. Sie brauchen sich diese Übersetzung nicht zu kaufen, Sie können sie >hier lesen. Ich bin heute spendabel mit Übersetzungen von Anna Karenina.



Sonntag, 26. September 2021

Into the Night

Letztens konnte man bei arte den Film Fahr zur Hölle, Liebling sehen. Eine späte Verfilmung eines Romans von Raymond Chandler mit Robert Mitchum als Philip Marlowe, durchaus ein akzeptabler Film. Mit den Remakes von Klassikern ist das so eine Sache, die Zauberformel funktioniert beim zweiten Mal sehr selten. So gut wie Mitchum in Out of the Past war, war er nie wieder. In dem Post Nina van Pallandt, der über die Neuverfilmung von The Long Goodbye geht, habe ich damals geschrieben: Robert Mitchum als alternder Marlowe in Farewell My Lovely war nicht schlecht (Charlotte Rampling auch nicht), er hätte es dabei belassen sollen. Denn in dem Remake von The Big Sleep (nicht mehr im L.A. von 1939, sondern im London der 70er Jahre) von Michael Winner hat er seinen guten Ruf aufs Spiel gesetzt. Michael Winner ist einfach nicht intelligent genug für einen richtigen neo-noir Film. Und London ist nicht L.A.

Man sollte viel mehr von den guten Filmen aus der Zeit des Film Noir senden und uns nicht mit Tatort, Polizeiruf 110, Wilsberg und Kroaten-Barcelona-Usedom-Erzgebirge-Stralsund-Krimis vollmüllen. Als ich las, dass Cornell Woolrich, der auch unter den Pseudonymen George Hopley und William Irish schrieb, am 26. September 1968 gestorben war, dachte ich mir, ich müsste unbedingt über ihn schreiben. Denn seine Romane und Kurzgeschichten sind die Basis von vierzig Filmen und TV-Serien Hollywoods. 

Und nicht nur Hollywood hat ihn verfilmt, François Truffaut liebte Cornell Woolrich (hier ein Bild aus The Bride Wore Black). Die Romane von Cornell Woolrich handeln immer von Liebe, Sehnsucht und Tod, deshalb mochte Truffaut, der sich immer wieder in seine Hauptdarstellerinen verliebte, sie wahrscheinlich: Il y a beaucoup, beaucoup trop de morts autour de moi, que j'ai aimés, et j'ai pris la décision, après la disparition de Françoise Dorléac, de ne plus assister à aucun enterrement, ce qui, vous le pensez bien, n' empêche pas la tristesse d' être là, de tout obscurcir pendant un temps et de ne jamais estomper complètement, même avec les années, car on ne vit pas seulement avec les vivants, mais aussi avec tous ceux qui ont compté dans notre vie.

Truffaut hat Woolrichs Roman Waltz into Darkness unter dem Titel La Sirène du Mississipi verfilmt, dazu gibt es hier einen ganz langen Post. Als Truffaut an die Verfilmung von The Bride Wore Black heranging, lebte Cornell Woolrich noch. Er hatte allerdings noch nie etwas von François Truffaut gehört, ließ ihm aber durch Truffauts amerikanische Agentin ausrichten, dass er durchaus in der Lage sei, einen Brief in französischer Sprache zu lesen, falls Truffaut ihm schreiben wolle. Er hat den Erfolg von La Mariée était en noir und La Sirène du Mississipi nicht mehr erlebt. Woolrich konnte nicht nur Französisch, er hatte an der Uni auch Deutsch studiert.

Als seine ersten Geschichten gedruckt wurden, verließ er die Columbia Universität. Seiner Schreibmaschine hat er in seiner fragmentarischen Autobiographie Blues of a Lifetime ein Denkmal gesetzt, das erste Kapitel heißt Remington Portable NC69411. Seine ersten Geschichten haben noch nichts mit dem hardboiled Genre zu tun, er ist schwer unter den Einfluss von F. Scott Fitzgerald gekommen und schreibt in Magazinen wie College Humor und McClures über das Jazz Age: I was a true son of the Twenties, carrying them with me through the long after-years. I made the Twenties last for forty years. This was the only possible answer, the only there could be: after me the downpour. Auf einem Blatt Papier, das man nach seinem Tod unter seinen Manuskripten fand, wird die Schreibmaschine wieder erwähnt: I was trying to cheat death. I was only trying to surmount for a little while the darkness that all my life I surely knew was going to come rolling in on me some day and obliterate me. I was only to stay alive a little brief while longer, after I was already gone. To stay in the light, to be with the living, a little while past my time. I loved them both so. A fool and his machine. Yes, a fool and his machine.

Auch wenn er sein Studium vorzeitig beendete und nicht wie sein Studienfreund Jacques Barzun als Wissenschaftler berühmt wurde, hielt er doch immer noch Kontakt zur Columbia Universiät. Als ihm Mark van Doren, der einmal sein Professor gewesen war, schrieb, dass er sich gerade den Film Black Angel angeschaut hatte, ging auch Woolrich ins Kino. Und schrieb Mark van Doren: I was so ashamed when I came out of there. All I could keep thinking of in the dark was: Is that what I wasted my whole life at? Woolrich hat diesen Film gehasst, er hasste beinahe alle Verfilmungen seiner Werke. Und er hasste Hitchcock, der ihn nicht zur Premiere von Rear Window eingeladen hatte: Hitchcock wouldn’t even send me a ticket to the premiere in New York. He knew where I lived. Woolrich hat gut an den Filmen verdient. Bei seinem Tod hinterließ er der Columbia University beinahe eine Million Dollar. Und all seine Manuskripte. Und das Copyright für all seine Werke. Wie auch solch unveröffentlichte Texte: I turned away from him and went on my way, up the street and about my business. The past was dead. The future was resignation, fatality, and could only end one way now. The present was numbness, that could feel nothing. Like Novocaine needled into your heart. What was there in all the dimensions of time for me? 

I have led a completely uneventful life, as far as outward incident is concerned. Fortunately I am a writer of the imagination, hat er geschrieben. Wir wissen wenig über sein Leben. Es gibt zwar seit 1988 mit Cornell Woolrich: First You Dream, Then You Die eine voluminöse Biographie von Francis M. Nevins, aber die ist mit großer Vorsicht zu genießen. Viele Spekulationen, wenig harte Fakten. Ich liebe Sätze wie I can’t prove it, but I know it. Die 613 Seiten bieten eine Bibliographie aller Werke von Woolrich und aller Verfilmungen, besprechen alle Werke, aber der wirkliche Cornell Woolrich bleibt in der Dunkelheit. Bei Amazon schrieb ein enttäuschter Leser: No. The book was supposed to be a biography of Cornnell Woolrich and it isn't. The whole book gives a summary of the crime writer's short novels and that's all. Not a biography. Nevins war Juraprofessor an der Saint Louis University, kein Philologe. Mit dem Krimiautor Woolrich verbindet den Professor, dass er zahlreiche Krimis geschrieben und Anthologien von Detektivliteratur herausgegeben hat. 

Cornell Woolrich, in dessen Werk die Frauen einen so großen Platz einnehmen, hat über sich gesagt: I was born to be solitary, and I liked it that way. Er war einmal verheiratet: I never loved women much, I guess. Only three times, that I'm fully aware of. And each time I got more or less of a kick in the jaw, so there wasn't much incentive to go ahead trying more frequently. The first time it was just puppy love, but it ended disastrously for at least one of us, through no fault of mine. The second time, somebody else married her, and it was only after it happended that I realized I wished it hadn't. The third time, I married her, and it was only after it happened that I realized I wished it hadn't. Er hat seine erste Liebe Vera Gaffney in das Kapitel The Poor Girl in Blues of a Lifetime hineingeschrieben.

Und Szenen aus seiner Ehe hat er auch in einem Fragment beschrieben: 1 woke up about two o'clock in the morning, everything dead still. 1 wanted a drink of water, or told myself 1 did anyway. She was sound asleep, or seemed to be; never moved as 1 got up. 1 shucked on a robe, went to the tap, and ran a little water into a glass. But then 1 didn't drink it after all. 1 carried it over to the window with me and stood there holding it in my hand, looking down into the street. The street was empty, and gun-metal-gloom in color. No one on it, nobody, nothing that moved. Not an eddy of dust, not a cat on the prowl. 1 don't know why, but that made it less quieting than if there had been. The switch in the traffic-light control box up on the corner gave a click in the stillness that was as loud as the fall of a loose handcuff. Still holding the water, 1 turned around and came back to the bed. Without moving, without changing position at all, she asked through closed eyes and all: "Anyone there?" "No," 1 answered tersely, and got back to bed. There was this tiny fist-sized cloud on the horizon now, no more than that. But a tiny fist-sized cloud can mean a storm is coming, looming and monstrous. Das Bild hier ist von Edward Hopper. There is a lot of Edward Hopper in Woolrich's word paintings of the Thirties and Forties hat Ed Gorman gesagt.

Ich möchte Tom Milne, dem wahrscheinlich bedeutendsten englischen Filmkritiker des letzten Jahrhunderts, das letzte Wort lassen. Er beginnt seinen Essay mit der Aufzählung von Romantiteln von Woolrich: Story to be whispered. Night has a thousand eyes. Walls that hear you. Dark melody of madness. Everyone has to die alone. If I should die before I wake. You'll never see me again. The living lie down with the dead. Das klingt beinahe wie ein Gedicht aus der dunklen Welt des Autors, die viel mit der Gothic Novel gemein hat. Und Milne fährt fort: The very titles of Cornell Woolrich's novels and stories say all that needs to be said about the dark terrors, the unrelenting nightmares and the sinister presences that haunt his work (apart from the early novels) from beginning to end. More than any other writer since Edgar Allan Poe, Woolrich used archetypal fears and phobias, seemingly spun out of some recurring personal trauma, to orchestrate a world entirely his own in which the characters stalked by death and self-destruction through dark alleyways and endless nights of their own making - predators and victims alike - are always hopefully protected by a sort of despairing tenderness on the part of their creator. Since Woolrich was a pulp writer, you won't find his name in any of the literary histories, biographies or who's whos. But for my money, he wrote better than Chandler, Hammett and Cain, all of whom could (and sometimes did) provide lessons for ‘serious' novelists.

Cornell Woolrich ist schon einige Male in diesem Blog erwähnt worden, zum Beispiel in den Posts Waltz into Darkness, Elmore Leonard, where life and movies overlap, Jeanne Moreau und Jacques Tourneur.

Freitag, 24. September 2021

Menetekel

Ich bekam von einem Freund eine Mail mit einem halben Dutzend amerikanischer Cartoons geschickt. Er hatte die von Freunden aus den USA  bekommen. Alle Cartoons hatten etwas mit dem Thema Corona zu tun. Die meisten Cartoons thematisierten die Verweigerung, Masken zu tragen und sich impfen zu lassen. Das kennen wir, aber es ist in den USA ein noch größeres Thema als bei uns. Doch es steigen nicht nur die Zahlen der Corona Toten in Amerika, es steigen auch die Todesfälle durch Schusswaffen. 19.428 waren es im letzten Jahr. Aus der Serie der mir zugesandten Cartoons habe ich diesen Cartoon ausgewählt: ein blondes All-American Girl, das uns anlächelt. Und das eine Botschaft auf dem weißen T-Shirt hat. Man muss lesen können. Wenn man nicht lesen kann, bleibt die Botschaft unerhört. Belsazar konnte das Mene mene tekel u-parsin an der Wand auch nicht lesen.

Mittwoch, 22. September 2021

Huck Finn


Gut, das Titelbild dieses Buches sieht nicht unbedingt nach Mark Twains Huckleberry Finn aus, aber dennoch hat es etwas mit dem Klassiker der amerikanischen Literatur zu tun. Wenn Sie den Roman Klein-Großchen: Eine Erzählung für junge Mädchen lesen wollen, dann brauchen Sie nur den Titel anzuklicken. Die Autorin des 1919 erschienen Werkes schreibt das, was man früher Backfischromane nannte. Das Wort Backfisch für junge Mädchen ist heute so gut wie vergessen. So gut wie vergessen ist auch die Schriftstellerin Henny Koch, die am 22. September 1854 geboren wurde. Bevor sie um die Jahrhundertwende mit ihren Romanen beginnt, übt sie sich in der Kunst, Jugendliteratur zu schreiben, indem sie amerikanische Jugendbuchautorinnen übersetzt. Also Werke wie A Humble Romance and Other Stories von Mary Eleanor Wilkins Freeman, Tommy Bancroft's adventures von Emily H. Miller und Captain January von Laura E. Richards. Das letzte erschien als sehr freie Bearbeitung unter dem Titel Vater Jansens Sonnenschein. In Amerika erschien Captain January 1936 auf der Leinwand, was Graham Green dazu veranlasste, some of Temple’s popularity seems to rest on a coquetry quite as mature as Miss Colbert’s and on an oddly precocious body as voluptuous in grey flannel trousers as Miss Dietrich’s zu schreiben.

Henny Koch übersetzt nicht nur die Crème de la Crème der amerikanischen Jugendbücher, sie übersetzt auch etwas ganz anderes. Fünf Jahre nach dem Erscheinen von Huckleberry Finn hat sie ihre Übersetzung (hier im Volltext) fertig. Ich zitiere mal eben den Anfang des Originals von Mark Twain: You don't know about me without you have read a book by the name of The Adventures of Tom Sawyer; but that ain't no matter. That book was made by Mr. Mark Twain, and he told the truth, mainly. There was things which he stretched, but mainly he told the truth. That is nothing. I never seen anybody but lied one time or another, without it was Aunt Polly, or the widow, or maybe Mary. Aunt Polly--Tom's Aunt Polly, she is--and Mary, and the Widow Douglas is all told about in that book, which is mostly a true book, with some stretchers, as I said before.

Now the way that the book winds up is this: Tom and me found the money that the robbers hid in the cave, and it made us rich. We got six thousand dollars apiece--all gold. It was an awful sight of money when it was piled up. Well, Judge Thatcher he took it and put it out at interest, and it fetched us a dollar a day apiece all the year round--more than a body could tell what to do with. The Widow Douglas she took me for her son, and allowed she would sivilize me; but it was rough living in the house all the time, considering how dismal regular and decent the widow was in all her ways; and so when I couldn't stand it no longer I lit out. I got into my old rags and my sugar-hogshead again, and was free and satisfied. But Tom Sawyer he hunted me up and said he was going to start a band of robbers, and I might join if I would go back to the widow and be respectable. So I went back.

Das, was Henny Koch daraus macht, liest sich nach hundertdreißig Jahren gar nicht so schlecht. Es wird im Laufe des 20. Jahrhunderts andere Übersetzungen geben (ungefähr dreißig), unter anderem die von Friedhelm Rathjen, dessen Moby-Dick Übersetzung für Dieter E. Zimmer eine systematische und dogmatische Verholperung und Verhässlichung des Textes war. Henny Kochs Übersetzung von Huck Finn, die sich millionenfach verkauft hat, ist heute immer noch auf dem Markt. Ich gebe mal eine Leseprobe: Da ihr gewiß schon die Abenteuer von Tom Sawyer gelesen habt, so brauche ich mich euch nicht vorzustellen. Jenes Buch hat ein gewisser Mark Twain geschrieben und was drinsteht ist wahr – wenigstens meistenteils. Hie und da hat er etwas dazugedichtet, aber das tut nichts. Ich kenne niemand, der nicht gelegentlich einmal ein bißchen lügen täte, ausgenommen etwa Tante Polly oder die Witwe Douglas oder Mary. Toms Tante Polly und seine Schwester Mary und die Witwe Douglas kommen alle in dem Buche vom Tom Sawyer vor, das wie gesagt, mit wenigen Ausnahmen eine wahre Geschichte ist. 
       Am Ende von dieser Geschichte wird erzählt, wie Tom und ich das Geld fanden, das die Räuber in der Höhle verborgen hatten, wodurch wir nachher sehr reich wurden. Jeder von uns bekam sechstausend Dollars, lauter Gold. Es war ein großartiger Anblick, als wir das Geld auf einem Haufen liegen sahen. Kreisrichter Thatcher bewahrte meinen Teil auf und legte ihn auf Zinsen an, die jeden Tag einen Dollar für mich ausmachen. Ich weiß wahrhaftig nicht, was ich mit dem vielen Geld anfangen soll. Die Witwe Douglas nahm mich als Sohn an und will versuchen, mich zu sievilisieren wie sie sagt. Das schmeckt mir aber schlecht, kann ich euch sagen, das Leben wird mir furchtbar sauer in dem Hause mit der abscheulichen Regelmäßigkeit, wo immer um dieselbe Zeit gegessen und geschlafen werden soll, einen Tag wie den andern. Einmal bin ich auch schon durchgebrannt, bin in meine alten Lumpen gekrochen, und – hast du nicht gesehen, war ich draußen im Wald und in der Freiheit. Tom Sawyer aber, mein alter Freund Tom, spürte mich wieder auf, versprach, er wolle eine Räuberbande gründen und ich solle Mitglied werden, wenn ich noch einmal zu der Witwe zurückkehre und mich weiter ›sievilisieren‹ lasse. Da tat ich's denn.

Der Suhrkamp Verlag preist die Neuübersetzung von Friedhelm Rathjen als kongenial an. Und die Neue Zürcher Zeitung schrieb: Friedhelm Rathjen hat die unverwüstliche Bad-boy-Geschichte neu übersetzt, frisch, frech, und mit bemerkenswerter Akribie . . . auf die alte Streitfrage, ob man den Slang und die Umgangssprache des Originals in einer regional gefärbten Stillage wiedergeben soll, antwortet Rathjen mit einem selbsterfundenen, aus mehreren Dialekten gespeisten, lässigen Idiom, das, hat man sich einmal eingelesen, pfiffig und überzeugend wirkt. Ich habe auch von dieser Übersetzung eine Leseprobe:

Ihr wißt nicht von mir, außer falls ihr ein Buch mit Namen Tom Sawyers Abenteuer gelesen habt, aber das macht rein gar nichts. Das Buch hat Mr. Mark Twain verbrochen, und der hat die Wahrheit erzählt, meistenteils jedenfalls. Gab da Sachen, wo er bißchen übertrieben hat, aber meistenteils hat er die Wahrheit erzählt. Ist so gut wie gar nichts. Hab noch nie wen zu Gesichte gekriegt, wo nicht mal geflunkert hat, ab und zu mal, außer wenn das Tante Polly war, oder die Witwe, oder vielleicht Mary. Tante Polly – Tom seine Tante Polly, soll das heißen – und Mary und die Witwe Douglas, über die alle wird in dem Buch da erzählt – wo meistenteils ein wahres Buch ist; mit paar Übertreibungen zwischendurch, wie ich schon sagte.
       Nu, das Ende von dem Buch geht so: Tom und ich haben das Geld gefunden, was die Räuber in der Höhle versteckt hatten, und das machte uns zu reichen Leuten. Wir kriegten sechstausend Dollars pro Nase – alles Gold. Das war ’n fürchterlicher Batzen Geld, wenn man’s so aufgestapelt daliegen sah. Na ja, der Richter Thatcher, der hat’s genommen und auf Zinsen angelegt, und das warf uns einen Dollar pro Tag und Nase ab, das ganze Jahr über – mehr, als wo ein Mensch was mit anzufangen weiß. Die Witwe Douglas, die nahm mich als ihren Sohn an und schwang Reden, vonwegen sie würd mich ziehwillisiern; aber das war die ganze Zeit ’n hartes Leben da im Haus, wenn man bedenkt, wie elendig pingelig und schicklich die Witwe in allen Dingen war; und so hab ich mich, wie ich’s nicht mehr länger aushalten konnt, aus ’m Staub gemacht. Ich stieg wieder in meine alten Lumpen und mein Zuckerfaß rein und war frei und zufrieden. Aber Tom Sawyer, der stöberte mich auf und hat gesagt, er würd ’ne Räuberbande aufmachen, und ich dürft dabeisein, wenn ich zur Witwe zurückgehen und mich anständig aufführen würde. Also bin ich zurück
.

Für mich klingt das ein wenig gequält originell. Die Dialekte des amerikanischen Originals existieren außerhalb der Übersetzung, die deutschen Sprachvarianten dagegen nicht. Das ist entscheidend, denn das Original lebt davon, dass der Leser dessen Sprache als charakteristisch wiedererkennt oder dass sich ihm zumindest erfolgreich der Eindruck vermittelt, er kenne sie von anderswoher. Dialekte bauen auf einen Realitätseffekt. In der Übersetzung aber lässt sich dieser nicht erzielen, denn jeder Leser weiß, dass es jene fabrizierte Sprache in der Wirklichkeit nie gegeben hat. Aus dem Realismus des Originals wird Manier, hat Mark-Georg Dehrmann gesagt. Und da hat er recht. Mark Twain hat an Huck Finn länger gearbeitet, als an jedem seiner anderen Werke. Hat es aufgegeben, wieder neu angefangen. Die schnodderige Sprache, die er für seinen Huck erfunden hat, hält er nicht immer im Roman durch. Was soll ein Übersetzer machen?  Es gibt auch noch eine neue Übersetzung von dem österreichischen Kinderbuchautor Wolf Harranth, die von vielen Kritikern gelobt wurde. Einhundertdreißig Jahre nach Henny Kochs Übersetzung ist man schlauer, aber dennoch bleibt ihre Übersetzung eine respektable Leistung.

Dienstag, 21. September 2021

Verwandte

Auf dem Bild im Photoalbum der Familie steht meine Mutter vor dem Haus von Tante Margret zwischen zwei Männern. Das Haus neben dem Georgsweg, der den Berg hinauf in den Wald führt, ist damals noch das letzte Haus im Ort. Dann kommen bis Wittlage nur Felder und Weiden. Der Mann links von meiner Mutter trägt die Paradeuniform eines Feldwebels, die mit den Streifen auf den Ärmelstulpen. Noch ist Frieden. Im Krieg wird er Hauptmann werden und das Ritterkreuz bekommen. Er fällt vierzehn Tage später in der Kesselschlacht von Tscherkassy. Niemand weiß, wo er begraben ist, alle Anfragen beim Roten Kreuz blieben ergebnislos. Der lange schlanke Mann rechts neben meiner Mutter trägt einen eleganten hellgrauen Anzug, man sieht, dass der nicht von der Stange kommt. Darauf hat er immer Wert gelegt, mein Onkel Werner.

Neben ein anderes Photo einige Seiten weiter im Familienalbum hat meine Mutter Werner geschrieben. Hätte sie nicht zu tun brauchen, ich erkenne ihn sofort wieder. Weil er wie der junge John Wayne aussieht, es ist eine erstaunliche Sache mit dieser Ähnlichkeit. Auf dem Photo trägt er eine Uniform, der man wieder den Schneider ansieht. Er sitzt mit einem zweiten Offizier draußen an einem Tisch, sie haben Kaffeebecher vor sich, ein Henkelmann steht auf dem Tisch. Werner trägt ein Schiffchen mit Silberlitze, sein Gegenüber eine Schirmmütze. Beide haben die Schleife vom Eisernen Kreuz in die Uniformjacke eingeknöpft. Onkel Werner hat den obersten Knopf seiner Uniform nicht zugeknöpft, es ist Sommer, er scheint den Krieg nicht so ernst zu nehmen. Dann gibt es jahrelang keine Photos mehr von ihm. Er ist in Rußland in Gefangenschaft geraten und erst spät wiedergekommen. Sehr spät. Das erste Mal sah ich ihn, als er sich gerade von Tante Margret verabschieden wollte, er schien es eilig zu haben. Draußen in seinem Cabrio auf der Lindenstraße saß eine junge blonde Frau. Sehr blond. Onkel Werner nahm sich die Zeit, mich zu begrüßen, schließlich war ich Verwandtschaft, auch wenn ich noch klein war. Man sah ihm die Jahre der russischen Gefangenschaft nicht an. Er sah immer noch so aus wie John Wayne. Und er trug immer noch elegante Anzüge. Seine Bank hatte ihm seine Stelle freigehalten, auch wenn sie nicht wussten, ob er wiederkam.

Das nächste Mal sah ich ihn bei einer Familienfeier. Wir standen alle im Wohnzimmer herum, mein Vater hatte gerade den Sherry gereicht. Nicht für mich, ich war zehn oder elf. Onkel Werner sagte zu mir Willst Du mal die Engel im Himmel singen hören? Ich war mir nicht sicher, was das bedeutete, sagte aber Ja. Und da drückte er mir für einen kurzen Augenblick seine brennende Zigarette in die Hand. Und grinste mich an. Hat nicht wirklich weh getan, sagte er. Beim Mittagessen hatte ich den Schmerz schon vergessen, aber die seltsame Geschichte vergesse ich nie. Sie fiel mir letztens wieder ein, als ich über den Baronet Richard Sykes schrieb, der Doris Duke eine brennende Lucky Strike auf die Hand drückt. Werners Familie nannte ihn manchmal einen Schliekefänger, den Ausdruck habe ich damals zum erstenmal gehört. Und irgend so etwas völlig Unseriöses hatte er, trotz der eleganten Kleidung. Ich bewunderte das, so wie ich Tante Hella bewunderte, die sich ihre Haare hellblau färbte und immer ein wenig nuttig aussah. Um mich herum war ansonsten nur bürgerliche Seriosität.

Die Familienfeier mit den Engeln im Himmel war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Zwei Jahre später war er tot. Er hatte die verlorene Zeit in Rußland in Windeseile aufholen wollen. Mit Alkohol, ständig neuen Autos und ständig neuen Frauen. Das hatte das Herz nicht mitgemacht. Im Photoalbum ist er immer noch lebendig.

Freitag, 17. September 2021

englischer Landadel


Das Pferd hier heißt Sir Tatton Sykes, der Herr, der es am Zügel führt, heißt auch Sir Tatton Sykes. Er ist der vierte Baronet Sykes, er ist als Pferdezüchter in ganz England berühmt. Das Pferd, das seinen Namen trägt, hat gerade das St Leger Rennen gewonnen. Interessant ist die Kleidung des Baronets, er wird einundneunzig Jahre alt werden und bis zu seinem Tod im Jahre 1863 die Kleidung tragen, die im 18. Jahrhundert modern war.

Ich komme auf die Sykes Familie (hier noch einmal Sir Tatton), nicht weil ich nach dem Post Bräutigam unbedingt über englische Rennpferde schreiben wollte, aber es hat doch etwas mit diesem Post zu tun. Als ich über das Pferd mit seinem Bräutigam im Kostüm schrieb, hatte ich als erstes das Buch Below Stairs: 400 years of servants' portraits aus dem Regal geholt. Das ist der Katalaog von Giles Waterfield zu einer Ausstellung in der National Portrait Gallery. Ich habe den Katalog schon vor neun Jahren in dem Post Thomas Gainsborough erwähnt. Es war die erste Ausstellung in England, die den Portraits von Dienern und Bediensteten gewidmet war, die grooms von Rennpferden kamen da auch drin vor.

In den Post Gainsborough im Jahre 2013 habe ich erwähnt, dass der Kunsthistoriker Giles Waterfield, ehemaliger Direktor der Dulwich Picture Gallery, auch noch Romane schreibt. Seinen zweiten Roman The Hound in the Left-Hand Corner habe ich schon mehrfach an Kunsthistoriker verschenkt. In dem Buch Below Stairs gibt es ein Portrait von Sir Richard Sykes mit seinem Butler von dem Maler Simon Elwes. Elwes ist ein berühmter Mann, der die Großen und Mächtigen der Welt gemalt hat, er ist eine Art John Singer Sargent der dreißiger Jahre. Er war der Lieblingsmaler von Queen Mom, und er hat auch die junge Elizabeth gemalt, als sie Königin wurde. Hier hat er 1942 den Generalleutnant Robert Stone portraitiert, der gerade der Oberkommandierende der britischen Truppen in Ägypten geworden ist. Beim Kriegsausbruch war Elwes in die Welsh Guards eingetreten und wurde später zu den 10th Royal Hussars versetzt. Nach mehreren Schlachten in Afrika war das Oberkommando der Armee der Ansicht, dass der Oberstleutnant Elwes als Maler für England bedeutender sei denn als Gardeoffizier und machte ihn zum war artist.

Im Jahr 1936 hat er zwei wichtige Bilder gemalt. Das eine ist das Portrait von Sir Richard Sykes, dem siebten Baronet, einem Lebemann und Nichtsnutz. Das andere ist das Bild des Duke of York als Colonel-in-Chief der 11th Hussars. Wer die 11. Husaren sind, das weiß ich, bei denen war ich mal. Lesen Sie mehr in dem Post Winston Churchill. Hier auf dem Photo ist Elwes dabei, den Duke of York zu malen. Als das Bild fertig ist, hat der Duke einen neuen Titel. Da ist sein Bruder gerade als Edward VIII zurückgetreten, und der Duke ist als George VI König von England. Auf einer Internetseite der 11. Husaren können wir über die Uniform lesen: The uniform here is the levee dress which differs from full dress in that the breeches are of thinner material and tight-fitting. The stripe down the side of the breeches is a single strip of gold gimp. The black hessian boots are patent leather with built-in wrinkles and gold gimp round the top edge as well as the gold boss. The dramatic cloak is dark blue with a crimsom collar which does not show up clearly here.

Das andere Bild von Elwes hätte ich nicht gekannt, wenn ich den Katalog Below Stairs nicht gelesen hätte. Es hat für Simon Elwes eine persönliche Bedeutung. Zum einen, weil er mit dem siebten Baronet verwandt ist, zum anderen, weil er 1967, als er Mitglied der Royal Academy wurde, das 1936 gemalte Bild als diploma work der Royal Academy überlässt. Dieser Sir Richard Sykes auf dem Bild kommt gerade als Master of the Middleton Hunt von der Fuchsjagd zurück und lässt sich im Speisesaal von Sledmere House von seinem Butler Mr Cassidy ein Getränk servieren, während im Hintergrund ein Diener die gerade abgelegte Kleidung hält. Ein Hund liegt vorne rechts erschöpft am Boden. Der Kunstistoriker Anthony Blunt, von dem noch niemand weiß, dass er ein russischer Spion ist, beklagte im Spectator, dass in der Royal Academy nur noch Society Portraits zu sehen sein, gestand aber zu: the finest specimen of all, is, without doubt. Simon Elwes's portrait of Sir Richard Sykes complete with pink coat, butler, and family seat.

Das ist der zweite Baronet Sir Christopher Sykes mit seiner Gattin und ihrem Lieblingshund, gemalt von George Romney (sein Sohn wird sich von Thomas Lawrence malen lassen). Christopher Sykes hatte Sledmere House umbauen lassen, und der berühmte Landschaftsarchitekt Capability Brown hatte den Entwurf für den vier Quadratkilometer großen Park geliefert. Der siebte Baronet erbt nach dem Tod seines Vaters, des Colonels Sir Tatton Benvenuto Mark Sykes, den Landsitz, sonst nichts. Er lebt von den Einnahmen aus dem Gestüt, das es seit den Tagen von Sir Tatton Sykes immer noch gibt. Er hat eine katholische Privatschule besucht, Eton, Oxford und Cambridge sind für ihn Fremdwörter. Sein Bruder Christopher Hugh Sykes war in Oxford und wird Schriftsteller, seine Schwester Angela wird Bildhauerin und Malerin. 

Sledmere House hat zwar eine eindrucksvolle Bibliothek, aber ich glaube, unser Baronet benutzt sie nicht. Er ist von seinen Geschwistern der einzige, der keinerlei intellektuelle und kulturelle Interessen hat. Obgleich er kein Geld hat, führt er das Leben eines Playboys. Sein Vater, der ein verdienstvoller Mann war, hätte sich für ihn geschämt. Vor allem, wenn er erfahren hätte, dass sein Sohn in Wentworth rausgeflogen ist und auf Lebenszeit verbannt wurde, weil er im Park einen Fasan überfahren hatte und den toten Vogel einer jungen Frau ins Bett gelegt hatte. Engländer nennen so etwas einen practical joke, aber mit einem Gentleman hat so etwas nichts zu tun.

Und dann ist da noch diese Sache mit dieser jungen Frau. Sie heißt Doris Duke und ist die reichste Frau der Welt. Der angesäuselte Baronet fällt in ihrer Limousine über sie her und will ihr an die Wäsche. Ihr Chauffeur und ein Personenschützer, der der Millionenerbin in einem zweiten Wagen gefolgt war, holen den Baronet aus dem Auto, verpassen ihm eine Abreibung und lassen ihn am Straßenrand liegen. Sir Richard will sich unbedingt rächen. Auf einer Party von Lady Diane Cooper, der Gattin von Duff Cooper, nimmt er der Amerikanerin die Lucky Strike aus dem Mund (es muss natürlich eine Lucky Strike sein, weil ihr die Fima gehört) und drückt sie auf ihrer Hand aus. Randolph Churchill will Sykes verprügeln, das Ganze artet zu einer Massenschlägerei aus, an der sich auch Cecil Beaton und Oliver Messel beteiligen. Es ist ein Tiefpunkt im Leben des siebten Baronet, der sich jetzt im Riviera Set bewegt und dieselben Leute kennt, die im Leben der Viscountess Castlerosse eine Rolle spielen. Wenn Sie den Post Schöne Beine gelesen haben, wissen Sie, wo wir gerade sind.

Und seien wir ehrlich, kann man das nicht schon alles in diesem Bild lesen? Oder vielleicht auch nicht. Simon Elwes hatte das Bild seines Schwagers als ein jeux d'esprit gesehen. Eine ironische Karikatur dessen, wie sich die Öffentlichkeit das Leben eines englischen Landadligen vorstellt. Aber Sir Richard fand das überhaupt nicht witzig. Ich weiß nicht, was sein Butler Mr Cassidy dazu gesagt hat. Heute gibt es in Sledmere House keinen Butler mehr. Zwanzigtausend Menschen besuchen das stately home und den Park jedes Jahr. Das Bild vom siebten Baronet können sie da nicht sehen, das hängt in der National Library. Aber man kann da heiraten und sich anschließend photographieren lassen.

Und da ich schon bei der Sykes Familie bin, sollte ich diesen Herrn noch vorstellen. Das ist Christopher Simon Sykes, der zweitälteste Sohn des siebten Baronets. Im Gegensatz zu seinem Vater war er in Eton, jetzt ist er Photograph und Schriftsteller. Er hat die Rolling Stones auf ihrer Amerika Tournee photographiert, das hat ihn berühmt gemacht. Er war auch der Ghostwriter für Eric Claptons Autobiographie und hat eine zweibändige Biographie von David Hockney geschrieben. Er photographiert sich seit Jahren durch Englands Parks und Landsitze, Sledmere House, wo er aufwuchs, ist auch dabei. Und über das Haus und die Sykes Familie hat er 2005 ein Buch geschrieben: The Big House: The Story of a Country House and its Family. Ist sehr amüsant zu lesen. Pflichtlektüre für meine anglophilen Leser.

Dienstag, 14. September 2021

Moskau brennt


Bald zeigten hohe Rauchsäulen und auflodernde Flammen die Wirkungen. Es brannte beinahe gleichzeitig in zwei verschiedenen Richtungen und bei der herrschenden Windstille stieg der Rauch in rötlich-grauen Säulen himmelhoch, schauerlich-majestätisch empor. Da ich das alles gleichsam zu meinen Füßen vor sich gehen sah und ein Plätzchen fand, wo ich ungestört zeichnen konnte, packte ich sogar meine Farben aus und entwarf an Ort und Stelle ein Aquarell von dem brennenden Regensburg ... Napoleon, welcher den ganzen Tag hindurch anwesend war und allenthalben gesehen wurde, stand gegen Abend nicht ferne von mir auf der Anhöhe mit einer ungeheuren Suite von mehr als hundert Köpfen; fast alle Generäle mit ihren Adjutanten hatten sich in einer Entfernung von etwa 40-50 Schritten hinter ihm versammelt. Das Ganze war prachtvoll von der Abendsonne beleuchtet. Unverwandt blickte er nach der Stadt in das mittlerweile bedeutend gewachsene Feuer. Er schien mir unheimlich, ich dachte an Nero ... Das schreibt der bayrische Maler Albrecht Adam in seinen Lebenserinnerungen (hier im Volltext). Hier hat er Napoleon in Regensburg gemalt. Er wird ihn noch mehrmals malen. Immer auf seinem weißen Araber, immer nach links blickend, immer ein Feuer betrachtend.

Der Maler Albrecht Adam wurde schon in den Posts Beresina 1812 und Bräutigam in diesem Blog erwwähnt. Er ist der Hofmaler von Eugène de Beauharnais, dem Stiefsohn Napoleons, der auch den Titel eines Vizekönigs von Italien hat. Der Militärmaler Christian Wilhelm von Faber du Faur, der dieses Bild von Smolensk gemalt hat, ist kein Zivilist wie Albrecht Adam, er ist Oberleutnant der württembergischen Armee (und wird es noch bis zum General bringen). Er zeichnet auf dem Rußlandfeldzug beinahe täglich. Er wird nach dem Krieg seine Skizzen unter dem Titel Blaetter aus meinem Portefeuille im Laufe des Feldzugs 1812. In Russland, an Ort und Stelle gezeichnet veröffentlichen. Auf diesem Bild von Smolensk haben die Russen haben die Stadt noch nicht angezündet. Wir können Napoleon in der Bildmitte auf seinem weißen Araber Marengo sehen.

Auch bei Albrecht Adam sieht das Schlachtfeld von Smolensk ziemlich ordentlich und aufgeräumt aus. Die Stadt brennt zwar schon, aber das Bild hat nichts von der Dramatik des Bildes im nächsten Absatz. Da brennt Smolensk wirklich. Das Bild hat der französische Offizier Jean-Charles Langlois gemalt. Allerdings nicht 1812 an Ort und Stelle, sondern erst in den 1830er Jahren, als er nicht mehr bei der Armee war. Der Franzose Langlois hat auf seinen Bildern immer einen Hang zur Melodramatik, die Deutschen Adam und Faber du Faur bleiben in ihrer Darstellung sachlicher. 

Nach der Schlacht um Smolensk löste Kutusow den General Barclay de Tolly als Oberbefehlshaber ab. Der Zar mochte Kutusow nicht, beugte sich aber den Forderungen des Adels, der einen Russen und keinen Deutsch-Balten an der Spitze des Herres haben wollte: Le public a voulu sa nomination, je l'ai nommé: quant à moi, je m'en lave les mains. Am Ende des Jahres 1812, als Napoleon längst wieder in Paris ist, wird Zar Alexander seinen Feldmarschall zum Fürsten von Smolensk ernennen. Der alte Kerl soll zufrieden sein. Das kalte Wetter hat ihm einen großen Dienst erwiesen, soll er gesagt haben. Er mochte Kutusow immer noch nicht.

Der Feldmarschall Kutusow wusste, dass er Napoleon immer weiter in das Land hineinlocken musste. Die russischen Armeen waren weit über das Reich verstreut gewesen: Barclay de Tolly im Norden, Wittgenstein im Baltikum, Bagration bei den Pribet Sümpfen und Tschitschagow muss mit der Moldauarmee erst von der türkischen Grenze zurückkehren. Keine der einzelnen Armeen hätte gegen Napoleon in offener Feldschlacht siegen können, das weiß Kutusow. Und wenn es ihm auch die Patrioten übelnehmen, dass er halb Russland preisgibt, Smolensk und Moskau anzünden lässt, am Ende geht sein Plan auf. 

Das ist jetzt noch einmal Napoleon vor Smolensk, wieder von Albrecht Adam gemalt. Der schreibt 1836 an seine Tochter Amalie: Ich selbst habe gegenwärtig ein Bild in Arbeit welches bey Kennern Aufsehen erregt, es ist Napoleon vor dem brennenden Smolensk (...) dieses Bild, und besonders der Ton in dem es gemalt ist, hat bisher jeden der es sah einen großen Eindruck gemacht, es hat einen nicht unbedeutenden Umfang, u(nd) gehört zu meinen größeren Werken. So groß ist das Bild nicht geworden, es ist 60x77 cm groß. Wurde vor zehn Jahren bei Neumeister für 184.150€ versteigert.

Das Auktionshaus wies bei der Versteigerung darauf hin, dass es aus der Sammlung Dr Walter Helbig komme. Den kennt die Wikipedia nun wieder gar nicht, obwohl er mal eine der größten Privatsammlungen Deutschlands besaß. Der Dresdner hatte sein Geld mit einer Firma namens Anita gemacht, die Korsagen und Miederartikel herstellte. 1971 machte er mit der DDR Regierung einen Deal, er durfte seine ganze Kunstsammlung aus der Meyerburg mit in den Westen nehmen, alles andere, was er in Dresden besaß, wurde enteignet. Die Firma Anita Lingerie und Swimwear mit Herz gibt es immer noch. Die DDR nicht mehr.

Am Abend des 14. September 1812, als die Franzosen gerade in Moskau einmarschiert sind, gibt es die ersten Brände in Moskau. Sie werden gelöscht, aber dann werden es immer mehr Brandherde. Moskau ist von seinen Bewohnern so gut wie verlassen. Von Napoleons Armee ist nur noch ein Fünftel übriggeblieben, die kampieren jetzt vor Moskau, wie man auf diesem Bild von Albrecht Adam vom 20. September 1812 sehen kann. Napoleon residiert zwei Tage im Kreml und wartet auf die Abgesandten des Zaren, aber die kommen nicht. Er hat jetzt nachts einen schönen Blick auf das Feuer. Still und in sich gekehrt betrachtete er, von den Fenstern des Kremls aus, die immer weiter sich verbreitenden und immer höher aufbrausenden Wogen des Feuermeers, schreibt Wilhelm Zimmermann in Die Befreiungskämpfe der Deutschen gegen Napoleon.

Der holländische General Gijsbert van Dedem, der unter Murat eine Brigade kommandiert (in Wirklichkeit ist es nur noch eine halbe Brigade), wird den Brand als den schönsten Schrecken, den man je betrachten konnte beschreiben. Die ganze Nacht starrte ich verwundert auf dieses einzigartige Drama, das schrecklich, aber zugleich majestätisch und imposant war. Napoleon hat das, was hier der russische Maler Alexander F. Smirnov gemalt hat, ähnlich beschrieben: Es war der erhabenste, sublimste und fürchterlichste Anblick, den die Welt je gesehen hatte! wird er sagen. Aber da ist er schon geographisch und zeitlich weit weg, da sitzt er schon auf St Helena.

Sein ehemaliger Kriegskommissar Henri Beyle wird ihm 1817 sein erstes Buch widmen: Seiner Majestät Napoleon dem Großen, Kaiser der Franzosen, zurückgehalten auf der Insel Sankt-Helena. Wir kennen den Schriftsteller unter dem Namen Stendhal. Er ist Napoleon bis Moskau gefolgt, jetzt will er zurück nach Paris, am 16. Oktober, zwei Tage vor Napoleon, verläßt er Moskau. Seine Schwester hatte ihm Goldstücke in den Mantel eingenäht, aber das hatte er vergessen, er gibt den Mantel in Wilna, dem Leichenhaus der Grande Armeee, weg. 

Am 4. Oktober 1812 hatte er seiner Schwester Pauline Perier-Lagrange geschrieben: Wir verließen die vom schönsten Feuer der Welt erleuchtete Stadt; das Feuer bildete eine ungeheure Pyramide, gleich den Gebeten der Gläubigen: die Grundfläche war auf der Erde und die Spitze im Himmel. Der Mond schien, glaube ich, über dem Feuer. Das war ein großartiges Schauspiel, aber man hätte allein sein müssen, um es anzusehen, oder umgeben von geistreichen Menschen. Das Traurige an dem Russlandfeldzug war, dass ich ihn mit Leuten machte, die das Kolosseum und das Meer von Neapel im Wert herabgesetzt hätten. Das Buch, aus dem ich dieses Bild habe, schreibt es einem gewissen Jacques Boulogne zu, von dem ich noch nie etwas gehört habe. Es sieht ein wenig nach naiver Malerei aus, aber es ist völlig authentisch. Die französischen Soldaten, die im Vordergrund stehen, machen uns darauf aufmerksam, dass wir ansonsten keinen Menschen sehen. Moskau ist leer. Keine Menschen, nur Feuer.

Und zum Schluss habe ich noch einmal Albrecht Adam, der hier Napoleon malt, wie er auf dem Verneigungsberg (Poklonnaja Gora) das brennende Moskau betrachtet: Wer kann den Eindruck schildern, als die ganze ungeheure Zarenstadt mit ihren unzähligen Türmen, Kirchen und vergoldeten Kuppeln vor unsern Blicken sich ausbreitete! Der Himmel tat sich, nachdem er den ganzen Tag mit grauen Wolken bedeckt gewesen, am Abende auf und die goldenen Kuppeln und das große Kreuz, das den Kreml zierte, warfen die Strahlen der Abendsonne zurück, die das Zauberbild verklärte. Endlich lag das lang ersehnte Ziel vor uns! mir pochte das Herz bei dem Gedanken: ,Morgen schon werden wir dort einziehen'! Unwillkürlich fielen mir die Kreuzfahrer ein, so oder ähnlich, dachte ich, muss es diesen zu Mute gewesen sein. Zwar stieg schon am äußersten Ostende der Stadt, das der Saum eines Waldes bedeckte, eine ungeheure Rauchsäule himmelhoch empor; aber man tröstete sich damit, dass es wahrscheinlich ein Magazin sei, das der Feind in Brand gesteckt. Dass wir das Grab von Napoleons Herrlichkeit vor uns sehen und Moskau bald als Aschenhaufen verlassen müssten, daran dachte Niemand.

An derselben Stelle, an der Napoleon hier auf dem Bild ist, hatte sich am 1. September Kutusow mit seinen Generälen getroffen. Da sah Moskau noch so aus, wie Faber du Faur es 1812 gezeichnet hat: Auf Poklonnaja Gora vereinigten sich die Beschützer Rußlands und beriethen sich, Angesichts Moskwa's, welches sich an dem heiteren Herbstmorgen in seiner ganzen Schönheit, mit allen Erinnerungen  des vaterländischen Ruhmes, vor ihnen ausbreitete, schreibt Aleksandr I. Michajlovskij-Danilevskij in seiner Geschichte des vaterländischen Krieges im Jahre 1812.  Dreizehn Tage später werden sich die Generäle hier in Fili wiedertreffen und beschliessen, Moskau nicht zu verteidigen. Auf dem Verneigungsberg ist heute das Museum des Großen Vaterländischen Krieges.