Dies hier ist der beste Teil von dem Blücher Portrait von Thomas Lawrence aus dem Jahre 1814. Das Drumherum ist ein wenig misslungen, werfen Sie mal einen Blick auf das ganze Bild. Man kann auf dieser Seite auch schön mit dem Bild spielen und alle Orden vergrößern. Aber Blücher wirkt hier, als stände er auf einer Opernbühne vor einer gemalten Kulisse. Als Schlachtenmaler ist Lawrence bisher nicht hervorgetreten, das können die Franzosen wie Jacques-Louis David und Horace Vernet besser.
Das Bild ist vom Prinzregenten in Auftrag gegeben worden, zusammen mit einem Bildnis des Generals Graf Platow. Der Hetman der Don Kosaken war zwar nicht der berühmteste General der Russen im Kampf gegen Napoleon, aber er hatte den Zaren Alexander nach London begleitet, da bietet es sich an, dass er auch auf ein Portrait von Englands führendem Maler Thomas Lawrence mit draufkommt. Der Prince of Wales hat sich bei dieser Gelegenheit auch in Generalsuniform malen lassen, obgleich er keinerlei Rolle in den Napoleonischen Kriegen gespielt hat. Aber einen Kostümfimmel hatten die englischen Thronfolger ja schon immer.
König Georg III hatte seinen Sohn zum Colonel der 10. Leichten Dragoner gemacht, sein Sohn strebt nach Höherem. Aber er bekam kein Garderegiment und keinen Generalstitel. Nur einen Brief von seinem Vater: The command I have given you of the 10th Regiment of Light Dragoons, should the enemy succeed in their intentions of invading this island, will enable you at the head of your brave Corps to show the valour which has been a striking feature in the character of the House of Brunswick. Doch jetzt, wo sein Vater für regierungsunfähig erklärt worden ist, da befördert er sich selbst zum Generalfeldmarschall.
Es sind nicht nur die Generäle Blücher und Platow, die Thomas Lawrence überlebensgroß für den Kronprinzen malt, alle Sieger des Kampfes gegen Napoleon sollen jetzt auf der Leinwand verewigt werden. Man weiß noch nicht, dass Napoleon zurückkommen wird. Das wird noch ein Großauftrag, wenn nach dem Sieg von Waterloo der Regent eine eigene Waterloo Chamber einrichten wird. Das sieht dann so aus wie auf dem Bild oben. Links neben Blücher ist der Erzherzog Karl von Österreich (1819 gemalt), links daneben Papst Pius VII (1819-1820 gemalt). Und nach den ersten Bildern von 1814 und 1815 hat George den Maler sogleich geadelt. Wenn Lawrence nach Jahren mit den ersten Portraits fertig ist, wird er gleich weitergeschickt, um die Beteiligten des Wiener Kongresses zu malen. Es ist einer der außerordentlichsten Aufträge in der Geschichte der Auftragskunst, aber es gefällt Lawrence, weil er hier a way to fuse modern heroism and history findet.
Als Thomas Lawrence die Nachricht von dem königlichen Großauftrag bekommt, ist er gar nicht in London. Er ist in Paris, Beutekunst angucken. Denn eine solche Chance, das Beste der Kunst von ganz Europa an einem Ort zu sehen, hat ein Maler nicht alle Tage. Also bevor die Sieger sich ihren Teil zurückholen. Had I delayed my journey one day longer, I should have lost the view of some of the finest works of this gallery, the noblest assemblage of the efforts of human genius that was ever presented to the world, schreibt er an seine Freundin Elizabeth Croft über seine Eindrücke im Louvre. Der Papst möchte dem Kronprinzen den Apollo von Belvedere schenken und all die Statuen, welche die dem Klassizismus verfallenen Franzosen bei ihm abgeschleppt haben. Das ist weniger eine großzügige Geste gegenüber den Engländern als die Tatsache, dass er kein Geld hat, um den Rücktransport zu bezahlen. Den bezahlt ihm George jetzt, kriegt allerdings noch allerlei Marmor aus den Sammlungen des Vatikan dafür.
Der Kronprinz ist über seinen Schatten gesprungen, als er sich zum ersten Mal von Thomas Lawrence malen lässt und ihm den Auftrag mit den captains and the kings erteilt. Denn da gab es in der Vergangenheit eine dunkle Geschichte. Der notorische Fremdgeher George verdächtigte seine Frau Caroline des Ehebruchs mit einem gewissen Captain Thomas Manby. Es gibt jetzt eine Untersuchungskommission, etwas, was man so schön die delicate investigation nennt. Und da wird der Name Thomas Lawrence ständig genannt (auch der von George Canning oder ➱Sir Sidney Smith). Denn Lawrence ist häufig in ihrer Gesellschaft (er übernachtet sogar im Montague House) - das alles hat einen simplen Grund: er malt die Prinzessin. Aber er ist charmant, sieht gut aus, Frauen lassen sich gerne von ihm porträtieren. Und er ist häufig auf dem Landsitz der Prinzessin, Gerüchte entstehen jetzt schnell. Die Kommission kann an Thomas Lawrence keinerlei unehrenhaftes Verhalten entdecken (wenn Sie den ganzen Bericht der delicate investigation lesen wollen, klicken Sie hier).
Aber wie dem auch sei, man kann in den Auftragsbüchern von Lawrence ablesen, dass nach dieser Affäre die Zahl der weiblichen Kundschaft abnimmt. Der böse Satz, dass man von Lawrence zwar seine Geliebte malen lassen könne aber nicht seine Ehefrau, taucht in schriftlicher Form erst nach Lawrences Tod auf, doch viele Gentlemen mögen so gedacht haben. Das berühmteste Bild einer Geliebten ist das der Frances Hawkins (die mit einem Mr. Maguire verheiratet ist), die einen Sohn mit Sir John James Hamilton, dem Marquess of Abercorn hat.
Lawrence schafft in seinem Studio eine Atmosphäre der Intimität. Für viele seiner Kundinnen wird es zu einer kleinen Liebesaffaire, von von ihm gemalt zu werden. Man kann es auf den Bildern sehen. Selten zuvor strahlten weibliche Portraits soviel geballte Sexualität aus. Nicht alle mögen diesen Stil, William Makepeace Thackeray offensichtlich nicht, denn in seinem Roman Vanity Fair heißt es gehässig über die Bilder an den Wänden eines Herrenhauses: the magnificent Vandykes; the noble Reynolds pictures; the Lawrence portraits, tawdry and beautiful, and, thirty years ago, deemed as precious as works of real genius. Lawrence selbst hat nie geheiratet, er bereut das im Alter. Zwar hatte er stürmische Liebesaffairen mit den beiden Töchtern der gefeierten Schauspielerin Sarah Siddons, aber Frau und Kinder wären nichts für ihn. Er wüsste auch nicht, wie er sie ernähren sollte - wie er es hinkriegt, bei seinen Einnahmen das ganze Leben lang Schulden zu haben, wird sein Geheimnis bleiben.
Blücher, gerade zum Fürsten von Wahlstatt ernannt, ist der Liebling der Londoner. Ihren Prinzregenten hassen sie, den bewerfen sie - Feldmarschall hin oder her - mit Gemüse. Blücher tragen sie durch die Straßen. Er trägt kaum noch Uniform, in der vagen Hoffnung, dass man ihn nicht so schnell erkennt. Noch nie in seinem Leben habe er solche Angst gehabt, gesteht er Lord Burghersh. Er hat keine Angst in der Schlacht, aber hier fürchtet er, von den Menschenmengen erdrückt zu werden. Es wüthete auf Straßen und Plätzen die johnbullistische Blücher-Furiousneß, schreibt der Kulturhistoriker Johannes Scherr 1862.
Man muss bedenken: der Mann ist zweiundsiebzig. Sein Kriegsgefährte Wellington ist dagegen ein junger Mann, der ist - genau wie Napoleon - erst 43. Und Blücher feiert beinahe jede Nacht, trinkt viel Bier und Cognac (obgleich er Gneisenau schreibt, dass er nur Bordeaux tränke). Ich werde unmenschlich fatigiert, von 3 Maler werde ich zugleich gemalen, schreibt er an seine Frau. Ich wüsste ja gerne, wer die anderen waren. Nach zeitgenössischen Berichten haben ihn aber noch viel mehr Londoner Künstler in seinen Räumen im St. James Palast skizziert, während er seine Meerschaumpfeife schmauchte und seine Korrespondenz erledigte. Das Bild oben ist von George Dawe, es ist aber viel später (1819?) für den Herzog von Wellington gemalt worden, wahrscheinlich hatte Dawe nur Lawrences Bild als Vorlage. Es ist heute im Wellington Museum in Apsley House. George Dawe wird auch noch Hofmaler. Beim Zaren Alexander, er wird ein berühmter Mann in Rußland. Puschkin wird ihm ein Gedicht widmen.
Dawe bekommt vom Zaren einen Auftrag, gegen den Lawrences commission ein Klacks ist: er malt alle russischen Generäle, die am Kampf gegen Napoleon teilgenommen haben. 332 Portraits (zum Festpreis von tausend Rubel pro Bild), dagegen sieht die Waterloo Chamber in Windsor geradezu mickrig aus. Ich habe mir aus den 332 den General Friedrich von Löwis of Menar ausgewählt, weil der einen so schönen Namen hat. Ich war bei der Bundeswehr mit einem von Löwis of Menar zusammen. Der Spieß verzweifelte bei dem Namen und brüllte nur Löwis! Keine Antwort. Beim dritten Aufruf sagte eine Stimme: Sie können mich Herr Baron nennen! Der junge Herr Baron hatte am Wochenende keinen Ausgang und durfte den Rasen vor dem Dienstzimmer des Kompaniefeldwebels mit der Nagelschere schneiden.
In Oxford hat man Blücher zum doctor juris gemacht, was er in seiner ihm üblichen Art kommentierte: Na, Gott straf mir! Soll ich Doktor werden, so müssen sie den Gneisenau wenigstens zu meinem Apotheker machen; denn wir zwei gehören nun einmal zusammen. Beim Festbankett im Christ Church College hat er sich natürlich wieder besoffen (strong beer and cognac) und war unfähig, den auf ihn ausgebrachten Toast zu erwidern. Was dann der Prinzregent (in der scharlachroten Robe eines Doktors der Rechte der Universität Oxford) für ihn übernahm, manchmal kann der ja auch charmant sein.
Lawrence kriegt das Portrait in vier Sitzungen hin. Und natürlich sind alle Orden korrekt, das muss auf solchen Bildern sein. Das brillantenbesetzte Miniaturbildnis über der roten Schärpe, das ihm der Prinzregent gerade verliehen hat, wird prononciert in die Bildmitte gerückt. Also, hier ist es noch heil, Varnhagen weiß zu berichten, dass es ihm an der Brust von der Menge zerdrückt worden sei. Blücher trägt natürlich das preußische Eiserne Kreuz, das Großkreuz des russischen Georgsorden (das Kutusow und Wellington auch haben) und den Maria Theresia Orden. Der preußische Schwarze Adlerorden wird ein wenig von der Schärpe verdeckt, den hat er selbstverständlich auch. Er hat natürlich keinen Blücherorden. Den hat die DDR in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfunden. Für die NVA Soldaten, die in einem Krieg als erste den Rhein erreichen. Haben sie nie geschafft, der Orden wurde auch nie verliehen.
Lawrence soll mit dem Porträt sehr zufrieden gewesen sein, ihm gefiel auch die Gesamtkomposition und der Hintergrund. Mir nicht so sehr. Ob es Blücher gefallen hat, wissen wir nicht. Lawrence hat den Hintergrund wahrscheinlich nicht gemalt. Dafür hat er seine Assistenten. Einen Bildhintergrund malen wie Reynolds und Gainsborough kann Lawrence auch nicht. Nach seinem Tode finden sich in seinem Studio noch 150 Gemälde, die nie fertig gestellt wurden (sie werden aber, von anderen Händen zu Ende gemalt, noch Käufer finden). Immer nur der Kopf des Portraitierten, darin ist Lawrence gut. Ansonsten bestenfalls noch die Hände, den Rest macht das Studio. Manche seiner Assistenten werden noch berühmt, William Etty zum Beispiel. Pferde malt er kaum, kann er auch nicht. Aber für das Bild des Herzogs von Wellington malt er dessen Pferd Copenhagen doch. Und den Herzog in der gleichen Kleidung, die er bei Waterloo getragen hat. Ich habe hier ja schon mehrfach darauf hingewiesen, dass alle Darstellungen von Wellington bei Waterloo in roter Generalsuniform eine Erfindung der Maler sind. Hier können wir Wellington in den Originalklamotten sehen.
Lawrence ist der Oberflächlichkeit geziehen worden, sein Konkurrent Robert Northcote sagte über ihn: a man-milliner sort of painter, a meteor of fashion. Aber er sollte vorsichtig sein, er macht letztlich nichts anderes als Lawrence. Wie man auf seinem Portrait von Isambard Kingdom Brunel sehen kann, ist auch nichts anderes als elegant gemalte als Herrenmode. Selten zuvor ging es in der Malerei so sehr um Mode wie in der Malerei der Regency Zeit. Alles wird Inszenierung. Lord Byron als einsam verzweifelter romantischer Dichter, Beau Brummell als schon beinahe asketischer Dandy. Warum hat der sich nicht von Lawrence, dem visual stage-manager of Regency society malen lassen? Wahrscheinlich mal wieder kein Geld. Und braucht ein Dandy sein Portrait? Nein, sagt Baudelaire, der Dandy schläft vor dem Spiegel.
In der Londoner National Portrait Gallery ist gerade die Thomas Lawrence Ausstellung Thomas Lawrence: Regency Power & Brilliance zu Ende gegangen. Der Katalog ist groß, bunt, teuer und ein klein wenig oberflächlich. Wie Thomas Lawrence.
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