Dienstag, 12. August 2025

verschwindende Bäder

Der Schönebecker Sand mit seinem schönen Sandstrand hat nicht immer Schönebecker Sand geheißen. Der Name taucht erst Ende des 16. Jahrhunderts in einem jahrzehntelangen Rechtsstreit der Familien Steding (Stedinck) und der Adelsfamilie von Schönebeck auf. Vorher heißt er Vegesacker Sand oder etwas unspezifisch ole und nie Werder. Werder heißt hier ja alles, was über dem Wasserspiegel liegt. Bis zu einem Verein namens Werder Bremen ist es noch ein langer Weg. Diese umstrittene Halbinsel zwischen Weser und Lesum ist ödes Land, mit Pappeln, Weiden und dichtem Gebüsch bestanden: dass man wohl einen halben Tag nach einem dazwischen weidenden Pferd hat suchen müssen. Kleinere Wasserläufe, die erste und die zweite Slugge und die Balge (ursprünglich die Hauptmündung der Lesum) schneiden sich in die Halbinsel ein. Offensichtlich kann man hier Lachse fangen, wie ein langer Rechtsstreit der von Schönebeck mit dem Bremer Rat um Fischereirechte belegt. Die zivilisierte Welt beginnt weiter hinten, beim Lesmer Bruch (Lesumbrook) und Stedings Haus (das älteste Haus Bremens), und da, wo seit dem 15. Jahrhundert die Moorlose Kirche ist.

Man kann auf der Karte, die der Vegesacker Lehrer Lüder Halenbeck im 19. Jahrhundert sorgfältig abgezeichnet hat (und deren Original seit dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist), die Größe der Halbinsel nicht so recht erkennen. Das liegt nicht an Halenbeck, sondern eher an dem Bremer Maler Cornelius Rützen; auf seiner Tuschzeichnung von 1573 kann man nicht erkennen, was was ist. Aber eins der beiden Schiffe auf der Weser soll einen Vorläufer der Bremer Speckflagge am Mast gehabt haben. 

Nach mehr als dreißigjährigem Rechtsstreit zwischen den Bremer Ratsherren Steding und den von Schönebeck wird entschieden, dass der vordere Teil (die Einöde) an das Haus Schönebeck geht und die Gegend fortan Schönebecker Sand heißt (man kann die Landzunge auf dieser Karte besser sehen). Die →Schönebecks haben davon nicht mehr so viel. Wenn der Junker Franz Wilken von Schönebeck 1661 stirbt, ist die Familie pleite. Gutsbesitz und Gerichtsbarkeit werden 1662 an einen Obristen Jacob von Schlebusch verkauft, seine Witwe wird es zwanzig Jahre später (nachdem sie zuvor einen geheimen Kaufvertrag mit der Stadt Bremen auflösen muss) an die Familie von der Borch verkaufen. 

Der Obrist Friedrich von der Borch wird 1686 das heutige Schönebecker Schloss bauen lassen. Ein Wasserschloss, um das herum man im Winter Schlittschuhlaufen konnte. Friedrich von der Borchs Nachfolger werden Generäle in Hannovers Diensten sein. Die hannöverschen Obristen und General-Lieutenants liegen in Lesum begraben. Und in der Hand der zwischen Holzhausen und Schönebeck verzweigten Familie werden das Gut und die umliegenden Meiereien für die nächsten Jahrhunderte bleiben. Ein von der Borch ist in den dreißiger Jahren Hitlerjugend Stammführer. Einer der letzten von der Borchs, die da noch gewohnt haben, wird als der Nuttenmörder von Frankfurt (so die Bild Zeitung) berühmt werden. Die Sache ist völlig aus dem Internet verschwunden, nur im Spiegel kann man noch lesen: Ein Gericht in Frankfurt hatte gegen den Freiherrn von der Borch zu verhandeln. In dessen Badewanne hatte sich die bereits stark verweste Leiche seiner Sekretärin gefunden, und der Freiherr war der alarmierten Streife mit einer Schärpe um den nackten Oberleib, einem Schlapphut auf dem Kopf und einem Degen in der Hand entgegengetreten. Die von der Borchs auf dem Stammsitz Gut Holzhausen betreiben heute ökologischen Landbau.

Aber die bremische Geschichte interessierte uns in den fünfziger Jahren an den Sommertagen nicht so sehr, wir wollten zum Baden. Seit 1936 ist auf dem Schönebecker Sand eine Badeanstalt (das kann man an der Flagge mit dem Hakenkreuz auf dieser alten Postkarte erkennen). Mit Umkleidekabinen und Duschen, mit einem Bademeister und in der Weser schwimmenden Holzplanken, die den Raum begrenzen, in dem man schwimmen durfte. Hinter dem Strand, zur Lesumseite hin, gibt es weißen Sand (wahrscheinlich die letzten Ausläufer der Bremer Düne), Dünengras und große Grasflächen, wo man Fußball spielen kann. Ende der fünfziger Jahre werden die ersten Mädchen im Bikini im weißen Sand in der Sonne liegen. Mit denen ist man zur Volksschule gegangen, jetzt sind es schon junge Frauen. Die Schönheiten, die zum Gymnasium gegangen sind, tragen keine Bikinis. Das erlauben ihre Eltern nicht, obgleich man die eine oder andere schon ganz gerne im Bikini sehen möchte. 

Man erreichte den Schönebecker Sand mit einer kleinen Fähre, die Hol Ober heißt (1925 bei Lürssen gebaut) und ihren Anleger neben dem großen Anleger der Lemwerderfähre hatte (die Fähre ist auf diesem Bild links unten zu sehen). Sie hatte keine festen Abfahrtszeiten, sie fährt, wenn sie voll ist. Oder der Käpt'n am gegenüberliegenden Anleger genügend Leute entdeckt. Die Fahrt, die hin und zurück einen Groschen kostet, dauerte nur wenige Minuten, am Hafen und der Auemündung vorbei und dann mit einer Schleife zum Anleger an der Spitze der Landzunge. Danach muss man noch fünfhundert Meter auf großen, rechteckigen Betonplatten gehen (die im Sommer glühend heiß werden und aus der Zeit stammen, als das hier eine Flakstellung war), und schon ist man da. Auf Hin- und Rückfahrt tuckert die Hol Ober einmal an der ganzen Heringsfangflotte der Vegesacker Fischereigesellschaft vorbei, der größten in Europa. Auf die waren wir im Ort stolz.

Der Schönebecker Sand war das Reich des Bademeisters Hermann Plebanski, von dem das Gerücht umging, dass er gar nicht schwimmen konnte. Ich sollte bei ihm das Schwimmen lernen und schwamm lustlos neben seinem Ruderboot her, aber richtig gelernt habe ich das bei ihm nicht. Das hat mir meine Mutter beigebracht, die in ihrer Jugend davon träumte, über den Ärmelkanal zu schwimmen und zum Training von Vegesack nach Bremerhaven die Weser entlang schwamm. Wenn man bei Google heute Bademeister Plebanski eingibt, erhält man dank des Google AI Overview die Sätze: Der Begriff 'Bademeister Plebanski' ist vermutlich eine Kombination aus dem Beruf des Bademeisters und einem möglichen Nachnamen. Es könnte sich um eine fiktive Figur handeln, wie zum Beispiel aus dem Buch 'Der Bademeister ohne Himmel' von Petra Pellini, in dem ein Bademeister namens Hubert eine Rolle spielt. Es ist auch möglich, dass es sich um eine scherzhafte oder informelle Bezeichnung für einen Bademeister handelt. Ich bin immer fasziniert davon, welchen Unsinn die KI produzieren kann. Den Bademeister Hermann Plebanski, der eine örtliche Institution war, kann man hier auf dem Photo sehen. Seine Tochter Gisela Arckel hat ihm in dem Buch Sehnsucht nach Meer ein kleines Kapitel gewidmet.

Von dem schönen Strandbad sind nur alte Photos und die Erinnerung geblieben, die Weser ist begradigt und verdreckt, den Hol Ober gibt es nicht mehr. Die Logger der Vegesacker Fischereigesellschaft auch nicht. Die Moorlose Kirche liegt nicht mehr in einer einsamen Landschaft, in der man ein Pferd einen halben Tag hätte suchen müssen, die Klöcknerhütte hat sich bis in ihre Nachbarschaft gefressen.

1951 hatte man den ehemaligen Mühlenteich der Heidbergmühle an der Ihle (einem Nebenfluss der Lesum) zu einem neuen Freibad ausgebaut, das den Namen Heidbergbad bekam. Als das Bad in Lesum eröffnet wurde, verlor der Schönebecker Sand für uns seinen Reiz. War zwar teurer als der Groschen für den Hol Ober, aber hier war das Wasser sauberer als in der Weser. Man konnte in Bahnen schwimmen, und es gab einen Sprungturm und Sprungbretter. Hier fanden auch die Schwimmwettbewerbe für das Sportabzeichen statt, die der lange Roder, der sonst vollkommen unsportlich war, auf allen Bahnen gewann.

Wir gaben den Schönebecker Sand auf und radelten an schönen Sommertagen mit unserer Clique nach Lesum. Das waren unsere Sommer in Lesmona. Zurück ging es immer unten an der Lesum entlang, das ist landschaftlich schöner. Und es fährt sich auch besser als auf dem rubbeligen Pflaster der Bremer Heerstraße. Ist natürlich für Radfahrer verboten, für Dreizehnjährige ist damals beinahe alles verboten. Einmal fahren wir beinahe in einen dicken Polizisten hinein, der hinter einer Kurve des Weges steht. Und uns alle aufschreibt. Er fängt mit Michael Stamatelatos an. Fremdländische Namen sind damals in Bremen noch nicht so verbreitet, und Stammi muss dem Polizisten das buchstabieren. Der will das immer noch nicht so recht glauben. Und als ihm dann Michael Ix beteuert, dass er Michael Ix heißt, kriegt der Wachtmeister einen Tobsuchtsanfall. Wir finden uns 14 Tage später alle an einem Sonntagmorgen in der Vegesacker Polizeiwache zu einem zweistündigen Verkehrsunterricht ein. Den Weg, der heute Admiral Brommy Weg heißt, benutzen wir natürlich weiterhin. Das Risiko mit dicken Wachtmeistern muss man eingehen.

Den Freischwimmerausweis habe ich im Lesumer Heidbergbad bekommen. Fahrtenschwimmer ein Jahr später im 1952 gebauten Bremer Zentralbad, das 1985 abgerissen wurde. Die Bäder der Jugend verschwinden alle. Und ein Viertel aller Deutschen kann nicht schwimmen. Ich mochte das Bremer Zentralbad, weil Hans Kalich daneben einen kleinen Laden hatte, wo er Luxuklamotten zum halben Preis verkaufte. Aber der Laden ist weg. Wie das Zentralbad. Vom Heidbergbad ist auch nur eine Landschaftsruine übrig geblieben, ich habe dazu hier ein trauriges kleines Video. 1994 hatte man noch große Pläne für das Bad, 1999 stand es auf der Streichliste der Innen- und Sportbehörde, 2005 wurde das Heidbergbad geschlossen. Einen Schildbürgerstreich nannten das viele, die das Bad vermissten. Eine Straße Am Heidbergbad gibt es aber noch.

1963 wurde in Vegesack im Fährgrund neben dem von Ernst Becker-Sassenhof gebauten Hochhaus ein Hallenbad gebaut. Wenn ich bei Google Fährgrund und Hochhaus eingebe, bekomme ich die Information: Der 'Fährgrund' in Vegesack ist keine Adresse eines Hochhauses, sondern eine Straße, die sich in der Nähe der Grohner Düne befindet. Die Grohner Düne ist eine Großwohnanlage mit mehreren 15-geschossigen Gebäuden, die ringförmig angeordnet sind. Nun ja, nichts davon ist wahr. Das Hochhaus war 1959 das höchste Gebäude des Ortes, und die Grohner Düne liegt kilometerweit vom Fährgrund weg. Draußen gab es noch ein Freibad, das sieht heute so aus. Die Sanierung von 2006 hat offenbar nichts gebracht, ich habe hier einen kleinen Film dazu. Seit Jahren gibt es schon Diskussionen, ob man das Ganze nicht abreißen soll. Die Bremer Bädergesellschaft stand im letzten Jahr vor der Pleite, die Chefin der Gesellschaft wurde gefeuert. 

Abreißen oder Umbauen? Man kann ja aus einem Hallenbad etwas ganz anderes machen, wie man am Kasseler Hallenbad Ost oder am Kieler Lessingbad sehen kann. Das Vegesacker Bad hat nach einem Ortsamtsleiter den Namen Fritz Piaskowski Bad bekommen. Vielleicht hätte man es lieber Hermann Plebanski nennen sollen. Wenn der am Strand mit seiner Flüstertüte rumbrüllte, wusste man was Sache war. Meinen DLRG Grundschein habe ich an der Heeresoffizierschule in Hannover gemacht. Ich nehme an, dass deren kleines Hallenbad noch steht.

Sonntag, 10. August 2025

Inspector Morse und die Frauen


Ich habe das Phänomen schon in dem Post Nebenfiguren beschrieben: man sieht einen Film, sieht eine Schauspielerin und fragt sich: wer ist das? Nach jedem unbekannten Film, den ich sehe, sitze ich am Computer und befrage das IMDb. Ich bin ja froh, dass es so etwas gibt. Das IMDb wusste auch Antwort auf die Frage, wer die schöne rotblonde Frau ist, die in der Folge The Secret of Bay 5B aus der unendlichen Morse Krimisaga dem Chief Inspector Morse einen teuren schottischen Whisky anbietet. Morse ist von Oxford nach London gefahren, um eine Frau namens Camilla zu befragen, deren Name im Tagebuch des Mordopfers stand. 

Er kommt in eine vornehme Gegend, wir sehen in der Szene des Films (in der 34. Minute) einen Daimler 420 durchs Bild gleiten (ich muss den mit diesem Bild von Flickr hier mal eben abbilden). Das war der Lieblingswagen von Queen Mom, das englische Königshaus hat ja immer Daimler gefahren. Der dänische König hat sich 1970 auch solch einen Daimler mit der Karosserie von Vanden Plas gekauft und seinen großen Jaguar aufgegeben. Schöne Autos und schöne Frauen gehören zu der Welt von Morse, wir sind hier in einer anderen Welt und auf einem anderen Niveau als beim Usedom-Krimi oder Nordholm.

Auf die Frage, wie die schöne Frau das Mordopfer kennengelernt habe (How did you meet Gifford?) bekommt Morse eine überraschende Antwort: The usuaI way. Was dann auf seine Frage: Sorry? 'The usual way'? kommt, ist der überraschende Satz: For a prostitute to meet a man. Das bringt unseren Chief Inspector jetzt ein klein wenig aus der Fassung: Ah. l'm not really familiar with erm... We don't see this erm...not precisely this level of activity in Oxford.

Are you married? fragt die Luxusprostituierte unseren Inspektor. That has nothing to do... No, l'm not. --- Why? - Too choosy. Too...hesitant. Too lazy. Too busy. --- Hesitant? --- Yes. Well... Sometimes. lsn't everyone? --- l'm not. Wir können hier auf dem Bild sehen, dass Camilla nicht zögerlich ist, sie ist Morse schon sehr nahegekommen. You're hesitant because you've never found out what you're really capable of. lf you did, you'd have the confidence for anything, forever after, with any woman, sagt sie. Unser Chief Inspector widersteht den Verführungskünsten und sagt: l'd better go.

Am Anfang von The Secret of Bay 5B hatte Morse mit der  Gerichtsmedizinerin Dr Grayling Russell (Amanda Hillwood) Quickstep getanzt. Die war seit Ghost in the Machine in der Serie gewesen, unser Chefinspektor hatte immer mit ihr geflirtet, und man dachte, es wird etwas mit den beiden. Aber nach vier Folgen war Amanda Hillwood aus der Serie raus. Doch am Ende von The Secret of Bay 5B, wenn sie bei Morse im Wohnzimmer sitzt, weil sie mit ihm zu einer Aufführung von Wagners Parsifal gehen will, erinnert sie ihn daran, dass ihr gemeinsamer Tanz am Anfang unterbrochen wurde: You owe me a dance. Oh, I can dance to anything ---  Really? ---- You should try dancing to the back end of Lohengrin sometime ---- No. No. Let's have something from Parsifal since we're going to a performance.

Ich glaube, dass diese kleinen kabarettistischen Einlagen Alma Cullen, die das Drehbuch zu The Secret of Bay 5B schrieb, große Freude gemacht hat. Mit ihren eigenen Theaterstücken hatte sie nicht den Erfolg, den sie mit ihren Drehbüchern für Fernsehserien und Fernsehfilme hatte, bei denen man ihr schon mal 30.000 Pfund für ein Drehbuch zahlte. Neben dem Drehbuch für The Secret of Bay 5B hat sie für die Morse Saga in Abstimmung mit Colin Dexter noch die Drehbücher für die Episoden The Infernal SerpentFat Chance und Death of the Self geschrieben. 

Und sie hat Morse in ein Theaterstück hineingeschrieben, das sie für die BBC zu einem Hörspiel umgeschrieben hat. Und hat dann mit Into the Shallows noch ein zweites Hörspiel geliefert. Bei YouTube gibt es den Kommentar Who needs a tv when we have these wonderful dramas to listen to, und Hörspielliebhaber werden damit ihre Freude haben. Für Fat Chance und The Death of The Self  hat Cullen 1991 und 1992 die Writers’ Guild Award erhalten. In drei ihrer vier Morse Drehbücher gibt es Frauen, die dem Helden etwas bedeuten. Wie hier Frances Barber als die Opernsängerin Nicole Burgess in The Death of The Self. Wenn der Junggeselle Morse ein Liebesleben hat, dann hat er das dank Alma Cullen

Ich lasse jetzt die Gerichtsmedizinerin Laura Hobson (Clare Holman) bei der Erwähnung von Morse und den Frauen einmal weg, weil sie in dem Post Inspector Lewis schon genügend gewürdigt wird. Ihren ersten Auftritt hatte sie in The Way Through the Woods, wo ihr die Drehbuchautoren den wunderbaren ersten Satz in den Mund legten: Do you know where I might find a Detective Chief Inspector... looks like 'Mouse? Es muss noch erwähnt werden, dass Morse in der Episode Death is Now My Neighbour eine Frau findet, aber da ist die Morse Saga auch schon beinahe zu Ende.

Ich habe natürlich die Camilla aus The Secret of Bay 5B nicht vergessen. Die Schauspielerin heißt Susan Kyd, sie hat erstaunlicherweise keinen Wikipedia Artikel. Sie wurde 1957 geboren und beendete mit dreiundzwanzig Jahren ihre Ausbildung an der London Academy of Music and Dramatic Art. Wenn sie auch keinen Wiki Artikel hat, so hat sie doch eine Homepage, der man ihre erstaunliche schauspielerische Karriere entnehmen kann. 1991 hat sie noch einen Kurs an der École internationale de théâtre Jacques Lecoq belegt und 2008 einen Magistertitel an der Royal Central School of Speech and Drama (an der Laurence Olivier einmal Präsident war) erworben. Und neben ihren Auftritten auf der Bühne, in Musicals oder im Studio für Sitcoms und Fernsehserien macht sie auch noch Führungen im Sir John Soane’s Museum. Ich habe hier ein Showreel bei dem sie das komödiantische Talent der Schauspielerin entdecken können. She's a brilliant actor, funny, kind and beautiful. Why she hasn't become a massive star is beyond me, hat jemand dazu geschrieben. Eigentlich hat sie einen Wikipedia Artikel verdient. Und Alma Cullen den OBE Orden.


Dienstag, 5. August 2025

last, but not least: die Seiko Lord Quartz


Was mit einer Seiko Quarzuhr anfing, ist inzwischen zu einer kleinen Sammlung geworden. Jetzt habe ich für jeden Wochentag eine. Vielleicht sollte ich mich bei der Selbsthilfegruppe der Japan Quartz Verrückten anmelden, die es im Uhrforum gibt. Als ich die 6.400.000 Leser erreichte, erwähnte ich meine Seiko QT. Dass ich eine QZ besaß, habe ich schon in dem Post niemals nie sagen erwähnt. Die QZ mit dem Diamond Dust Zifferblatt, die ich sehr mag, blieb bei der letzten Sommer- oder Winterzeit Umstellung einfach stehen. Aber die Firma Tokei Japan, der ich meine Seiko Sammlung verdanke, wusste Rat. Die haben nämlich einen Spezialisten in Dänemark, der fünzig Jahre alte Quarzuhren servizieren und reparieren kann. Hat ein bisschen gedauert, aber ich bekam Zwischenberichte und Photos von den Fehlerquellen. Der Fachmann hat die Uhr auch neu einreguliert, das kann man ja mit den High End Quarzwerken der siebziger Jahren machen, die alle noch sieben oder neun Steine haben. Billige Quarzwerke haben heute keine Lagersteine mehr, die kann man auch nicht mehr reparieren, die wirft man einfach weg. Ali Express liefert ein neues Werk für 99 Cent. Der tolle Service von Tokei Japan hat mich übrigens keinen Pfennig gekostet, und die Uhr läuft im Augenblick synchron mit der Funkuhr.

Meine älteste Quarzuhr ist von 1972, die jüngste von 1978. Beinahe alle sind JDM Uhren (Japanese Domestic Market). Lediglich die Modelle QR, QT und QZ sind unter den Namen Seiko Quartz 2002, 3003 und 4004 nach Europa gelangt. Diese Uhr ist aus dem Jahr 1972, das kann man an der Zahl auf dem Gehäuseboden ablesen, die mit einer 2 anfängt. Die Uhr hat auch noch keinen glatten Gehäuseboden, der verschraubte Deckel vom Batteriefach steht hervor. Batteriefresser, pflegen Flohmarkthändler zu sagen, wenn sie diese Uhren sehen. Weihnachten 1969 war Seiko mit der ersten Quarzuhr auf den Markt gekommen. Hundert Exemplare in Gold zum Preis von 450.000 Yen. Dafür hätte man sich auch einen Toyota Corolla kaufen können. Der Gehäuseboden der Astron sah dem Boden dieser Uhr sehr ähnlich.

Die  Seiko Lord Quartz kam 1978 als letzte aus der Seiko Aristokratie von Grand, King und Lord auf den Markt. Obgleich sie in der Seiko Hierarchie unter der King Seiko positioniert war, war sie teurer als die King Seiko, weil sie ein ganz neues Werk hatte. Sie wurde nur zwei Jahre gebaut und ist deshalb ziemlich selten. Seiko hörte damals auf, die schweineteuren High End Quarzuhren zu bauen und ging zu Uhren über, die man bezahlen konnte. Die bekamen den Namen Type II,  die waren noch nicht wirklich billig, aber doch viel preiswerter. Und es gab sie in 95 Modellvarianten. Quarzuhren waren in den siebziger Jahren teuer, auch die erste deutsche Quarzuhr, die Junghans Astro Quarz, kostete beinahe tausend Mark. Eine japanische Seiko war noch teurer, aber sie war auch the world's standard. Damit konnte die Firma werben, die die Quarzuhr erfunden hatte. Und die wirklich an diese Uhr glaubte. Und deshalb alle Patentrechte für die ganze Welt freigegeben hatte.

Die Seiko Lord Quartz war aus HSS (hardened stainless steel); auf diesen Stahl, der eine HBW Härte von 450 auf der Brinell Skala hatte, war Seiko ganz besonders stolz. Diesen Stahl haben auch die Superior und viele Grand Seiko und King Seiko Modelle. Meine Lord Seiko hat ein sogenanntes linen dial, das von ganz feinen Linien durchzogen ist. In Zifferblättern ist Seiko ja ganz groß, man kann schon sagen, dass die Japaner Zifferblattfetischisten sind. Eine Grand Seiko mit einem Diamond Dust Zifferblatt wird von Sammlern heute immer noch gesucht. Was in den siebziger Jahren das Diamond Dust Zifferblatt war, heißt heute bei Grand Seiko (die inzwischen nicht mehr ein Modellname, sondern eine eigene Firma sind) nicht mehr Diamond Dust, sondern snowflake.

Das Quarzwerk in der Lord Seiko (zuerst Kaliber Kaliber 7143, dann das teurere Kaliber 7853) ist kein Batteriefresser mehr, es soll fünf Jahre mit einer Qualitätsbatterie laufen. Das kann ich nicht mehr testen, denn ich habe meine Lord gerade einem guten Freund geschenkt. Ich konnte sie entbehren, weil ich ja für jeden Wochentag eine High End Quarzuhr habe. Das sind die drei cuties, die mit einem Q anfangen, drei Grand Seikos (eine mit dem originalen →Stahlband) und die Superior. Die Lord war nie wirklich mein Liebling, sie war mir zu modern und zu elegant, hatte nicht mehr das scharfkantige →Tanaka Design. Und sie war mir zu flach, meine geliebte QT ist vier Millimeter höher. Und dicker. Deshalb mag ich die Dinger, weil sie so knuffig sind. Die frühen Quarzuhren von Seiko mit den ersten 38er Kalibern hatten noch keine Temperaturkompensation wie die Superior oder die Twin Quartz Uhren. Brauchen sie auch nicht, sagte mir ein Fachmann, die haben so dicke Gehäuse, da macht sich keine Temperaturänderung am Quarzwerk bemerkbar. Ich glaube das mal.


Noch mehr zu Seiko in den Posts: königlich, ein letztes Mal: Seiko, Cronos, die goldene Seiko, Quarzuhren (III), Chronometer, Quarzuhren (II), niemals nie sagen, Moeris, Quarzuhren, Weltzeituhren

Samstag, 2. August 2025

keine Lust zu schreiben


Die ersten Leser fragen nach, ob es mir gut geht. Weil hier die Woche nichts stand. Es geht mir gut, bis auf den schrecklichen Heuschnupfen, der einen auch an Regentagen quält. Und ich hatte viel Besuch in den letzten zehn Tagen. Da kommt man nicht zum Schreiben. Und deshalb gibt es  hier heute nix für meine Leser. Außer meinen Wünschen für ein schönes Wochenende. Aber damit hier wenigstens etwas steht, gibt es hier mal die Links zu den Posts, in denen der Regisseur Jean-Pierre Melville erwähnt wird, der heute vor zweiundfünfzig Jahren starb: Jean-Pierre MelvilleLino Ventura, Yves MontandAlain Delon ✝Bertrand TavernierLa Bonne AnnéeMichel Piccoli ✝la reine CatherineLouis Malle und Borsalino.

Und da heute der Geburtstag des amerikanischen Malers John French Sloan ist, möchte ich noch einmal auf diesen Maler hinweisen. Er hat zwar schon den Post John French Sloan und wird in den Posts Dächer, Armory Show und amerikanischer Kitsch erwähnt, aber viele Leser haben diese Posts nicht gefunden. Vielleicht wird das heute ja anders.

Sonntag, 27. Juli 2025

Gassenvenus


Heute vor 195 Jahren begann die Pariser Julirevolution, sie dauerte drei Tage, die man später Les Trois Glorieuses nannte. Der Marschall Marmont soll seinen König retten, aber es gelingt ihm nicht. Der König flieht nach England und Louis Philippe von Orléans, der einmal unter dem Namen Ludwig Philippe de Vries Tanzlehrer in Friedrichstadt war, wird Bürgerkönig, roi citoyen. Delacroix, der das riesige Gemälde La liberté guidant le peuple im Herbst des Jahres malte, war nicht bei den Straßenkämpfen dabei. Aber er will seinen Beitrag zur Revolution leisten, das schreibt er im Oktober 1830 seinem Bruder: Pour le spleen, il s'en va grâce au travail. J'ai entrepris un sujet moderne, une barricade, et si je n’ai pas vaincu pour la patrie, au moins peindrai-je pour elle. Cela m'a remis en belle humeur

Das englische Wort spleen, das Verärgerung, Schwermut und Melancholie bedeuten kann (Melvilles Ishmael bekämpft seinen spleen, indem er zur See fährt), ist noch nicht so gebräuchlich in der französischen Sprache. Erst wenn Baudelaire von dem spleen redet, gelangt es in die Sprache. Delacroix konnte Englisch, er war in England gewesen und bewunderte die Bilder von Turner und Constable, von daher ist es nicht verwunderlich, dass er das Wort spleen benutzt. Auch die englischen Dandies bewunderte Delacroix, sein Modeideal wird so ausgesehen haben wie der Baron Schwiter, den er ganz in Schwarz malte.

Erstaunlicherweise hat Delacroix in diesem Blog noch keinen Post, aber er wird in vielen Posts erwähnt. Zum Beispiel in dem Post Richard Parkes Bonington, in dem Sie lesen können, dass er in England das Reiten erlernt hatte und von da an Pferde in seinen Gemälden eine Rolle spielen. Wie zum Beispiel das Pferd des König Rodrigo auf dem Cover des Katalogs der Bremer Kunsthalle. Die Ausstellung konnte man 1964 zu einem großen Teil aus eigenen Beständen gestalten, wer außer Paris konnte das schon? Es war aber außer den acht Gemälden, die die Kunsthalle besaß, nur sehr viel  Graphik zu sehen, La liberté guidant le peuple lieh Paris nicht aus. Mein bleibender Eindruck von der Ausstellungseröffnung war ein hanseatischer Gentleman, der zu seinem grauen Flanellanzug ein rot-weiß gestreiftes Hemd mit einem weißen Kragen trug. Das hätte dem Dandy Delacroix gefallen, der sich über das schlechte Schuhzeug von William Turner furchtbar aufregen konnte.

Das Bild, das Delacroix im Herbst 1830 malte, wurde im Mai 1831 im Palais du Luxembourg ausgestellt, tausende von Franzosen werden es sehen. Auch Heinrich Heine ist unter den Zuschauern, er wird über das Bild schreiben: Auf keinem von allen Gemälden des Salons ist so sehr die Farbe eingeschlagen, wie auf Delacroix' Julirevolution. Indessen, eben diese Abwesenheit von Firnis und Schimmer, dabei der Pulverdampf und Staub, der die Figuren wie graues Spinnweb bedeckt, das sonnengetrocknete Kolorit, das gleichsam nach einem Wassertropfen lechzt, alles dieses gibt dem Bilde eine Wahrheit, eine Wesenheit, eine Ursprünglichkeit, und man ahnt darin die wirkliche Physiognomie der Julitage.

Aber die barbusige →Freiheitsgöttin, die sich umwendet, damit wir ihr klassisches Profil sehen können, weckt bei ihm auch noch ganz andere Gedanken: Ich kann nicht umhin, zu gestehen, diese Figur erinnert mich an jene peripatetischen Philosophinnen, an jene Schnelläuferinnen der Liebe oder Schnelliebende, die des Abends auf den Boulevards umherschwärmen; ich gestehe, daß der kleine Schornsteincupido, der, mit einer Pistole in jeder Hand, neben dieser Gassenvenus steht, vielleicht nicht allein von Ruß beschmutzt ist. Die Marianne als Gassenvenus, damit sind wir bei den Frauen, die schon in den Posts les grandes horizontales und Demimonde vorkommen. Heine ist nicht der einzige, der ein wenig Schmutz in dem Bild sieht. Es finden sich auch französische Stimmen, die ähnliches sagen: Dieu qu'elle est sale!, Dévergondée, La plus ignoble courtisane des plus sales rues de Paris! oder Est-ce qu'il n'y avait que de la canaille à ces fameuses journées-là? 

Carola Dorner hat diese Gedanken unter der Überschrift Liberté: Göttin, Hure, Mädchen aus dem Volk aufgegriffen: Wer aber ist diese zentrale Figur, die dem Bild so viel Kraft und Bewegung gibt? In der Liberté, der Allegorie der Freiheit, verdichtet sich vieles, was für das ganze Bild gilt. Als Göttin der Freiheit müsste sie eigentlich ein Ideal sein. Doch schon Heinrich Heine, der das Gemälde auf dem Pariser Salon 1831 ausgestellt sah, brachte es auf den Punkt: Er sieht sie gleichermaßen als Freiheitsgöttin und Gassenvenus, sie ist die personifizierte 'wilde Volkskraft', das Mädchen aus dem Volk und die griechische Göttin. Ihr Profil gleicht dem auf einer antiken Münze, das Kleid ist verrutscht und lässt ihren Oberkörper frei, wir sehen die staubbedeckten Brüste und die behaarte Achselhöhle. Es war ein Skandal. Und ein Triumph. Diese Göttin der Freiheit war nicht abgehoben, sauber, marmorsteril, sondern kraftstrotzend, natürlich und entschlossen. Deshalb bietet sie so viele Identifikationsmöglichkeiten. Deshalb dient sie als Abziehbild der Freiheit. Weil ihr Profil an alte Münzen erinnert, wirkt es schlüssig, dass sie ab 1978 auf dem 100-Franc-Schein abgebildet war. Die Freiheit für den Geldbeutel, das Bild der halbnackten Heldin im ständigen Umlauf.

Auf dieser Ölskizze von Delacroix sieht das Ganze noch nicht so großartig aus. Die Skizze wurde 2017 bei Christie's zur Auktion angeboten, sie wurde auf einen Preis von 700.000 Pfund bis zu einer Million geschätzt. Der französische Staat kaufte sie für 3,1 Millionen englische Pfund. Delacroix hatte für sein Bild 1831 klägliche dreitausend Franc vom Innenminister bekommen. La liberté guidant le peuple wird nicht lange im  Palais du Luxembourg bleiben, auch dem Bürgerkönig, der durch die Les Trois Glorieuses an die Macht gekommen war, ist es zu politisch. Das Bild wird zwar manchmal wieder gezeigt, verschwindet aber immer wieder im Depot. Erst seit 1874 hat es seinen festen Platz im Louvre.

Die Marianne des Jahres 1968 ist nicht barbusig, sie schwenkt die Flagge Vietnams, nicht die Frankreichs. Und sie ist auch keine Französin, sie kommt aus der englischen High Society. Als ihr Großvater das Bild sieht, enterbt er sie. Sie verliert den Anspruch auf einige Millionen Pfund Sterling. Die Analogie des gestellten Photos zu Delacroix' Bild hat jeder gesehen, auch Caroline de Bendern, die über Mademoiselle Liberté gesagt hat: I should have bared my breast. She had such awesome breasts. Caroline (zu der ich hier einen interessanten Artikel habe) lebt heute in Frankreich.

Ein Jahr nach den Maiunruhen 1968 beschlossen Frankreichs Bürgermeister, dass die Symbolfigur das Gesicht einer real existierenden Französin bekommen sollte. Die erste Marianne wurde Brigitte Bardot,, die zweite Mireille Mathieu, hier können wir die beiden nebeneinander sehen. Catherine Deneuve war dann die nächste, dann kamen Laetitia Casta, das Mannequin Inès de la Fressange und Evelyne Thomas, und ich weiß nicht wer noch alles. Wenn Sie alle sehen wollen, dann klicken Sie diese Seite an.

Die Verkörperung der Freiheit ist heller geworden, man hat Ende 2023 das Bild aufwendig restauriert. Acht Schichten von Firnis und Restaurationen hat man abgetragen. Restaurer le patrimoine que nous conservons pour le transmettre au plus grand nombre est l’une de nos missions les plus fondamentales. Grâce au patient travail accompli par Bénédicte Trémolières et Laurence Mugniot, 'La Liberté guidant le peuple' a aujourd’hui retrouvé l’éclat, la fraîcheur et la merveilleuse harmonie de couleur si propre à Delacroix. Je me réjouis que nos visiteurs puissent découvrir ou redécouvrir cet immense chef-d’œuvre de la peinture du XIXe siècle, tout à la fois icône universelle, symbole de notre pays et ambassadrice de sa culture et de son histoire, hat Laurence des Cars, der Direktor des Louvre, im April 2024. gesagt. Wir wollen mal hoffen, dass das die nächsten zweihundert Jahre so bleibt.

Donnerstag, 24. Juli 2025

Sommerausstellung


Meine Sparkasse hieß früher einmal Kieler Spar- und Leihkasse, sie hat ihren Namen in Förde Sparkasse geändert. Sparkassen sind keine Banken, die nur auf Gewinnmaximierung aus sind, sie haben ein Gemeinnützigkeitsprinzip. Und sie haben meistens auch Stiftungen, die gemeinnützige Zwecke fördern sollen. Häufig hat das auch etwas mit Kultur zu tun. Beim Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein ist dafür der promovierte Kunsthistoriker Bernd Brandes-Druba (hier links neben dem Plakat) zuständig. Und der hat mich gefragt, ob es in meinem Blog nicht einige Zeilen für eine neue Kunstausstellung geben könnte. Kann es, warum nicht, für Kultur ist in diesem Blog immer Platz. Ich habe auch schon Werbung für Ausstellungen gemacht, wie zum Beispiel für meinen ehemaligen Studenten Hansjörg Schneider. Ich liefere erst einmal die offizielle Presseerklärung; das Photo habe ich hinzugefügt, sonst wird das zu trocken:

Die Ausstellung Urban Rhythms and the City’s Pulse der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein ist vom 25. Juli 2025 bis zum 26. September 2025 in den Räumen des Sparkassen-und Giroverbandes für Schleswig-Holstein (SGVSH), Faluner Weg 6, 24109 Kiel (Mettenhof), zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. Öffentliche Führung durch die Künstlerinnen: Dienstag, 09. September 2025, 17.00 Uhr, Treffpunkt im Foyer SGVSH (Faluner Weg 6). Der Eintritt hierzu ist frei. Um Anmeldung wird gebeten. Öffnungszeiten:Mo.-Do. 9.00-16.00 Uhr, Fr. 9.00-14.00 Uhr Informationen unter: www.sparkassenstiftung-sh.de. Zur Ausstellung erscheint ab dem 24. Juli unter dem Titel Urban Rhythms and the City’s Pulse in der Katalogreihe ars borealis der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein das aktuelle Kunstheft als Band 52. Es ist in der Ausstellung und auf Anfrage kostenfrei –soweit vorrätig - erhältlich.

Der Katalog von Urban Rhythms and the City’s Pulse aus der Reihe ars borealis ist wirklich schön, schon der allein lohnt den Besuch der Ausstellung. Die Namen der Künstlerinnen Katja Flieger und Katharina Duwe waren bei dem spröden Pressetext nicht dabei. Das Photo der Künstlerinnen (links Katja Flieger, rechts Katharina Duwe) auch nicht. Es zeigt die beiden im letzten Jahr bei ihrer Ausstellung →Lebensräume in Eckernförde. Dr Brandes-Druba hat mir versichert, dass dies jetzt eine ganz andere Ausstellung mit ganz anderen Werken ist. Vor einem Jahr hieß es zu der Ausstellung: Die Künstlerinnen Katharina Duwe und Katja Flieger beschäftigen sich in ihrem Werk mit unseren zumeist architektonisch geprägten dynamischen Lebensräumen. Die Hamburger Künstlerin Katharina Duwe baut in ihren oft großformatigen farbintensiven Gemälden großstädtische Architektur, Verkehrsflüsse, nächtliche Lichterwelten, Bebauung und Natur neu zusammen. Die Kielerin Katja Flieger seziert Stadtpläne, erfindet Autobahnkreuze und nutzt schematische Darstellungen von Körperkreisläufen, baut filigrane Objekte, setzt sie mit digitalen Mitteln in einen ornamentalen Rapport und verwandelt Verkehrszeichen zu keramischen Andenkenobjekten. Aus der Gegenüberstellung der Werke ergeben sich feine inhaltliche und ästhetische Korrespondenzen. 

In diesem Text steht schon etwas mehr drin als in der Urban Rhythms and the City’s Pulse Ankündigung. Der gläserne Schaukasten zeigt Keramiken von Katja Flieger. Das muss ich mal meinem Freund Uwe erzählen, der Bremer Kunstprofessor war mal der deutsche Guru zum Thema Keramik. Sein Buch Keramik: Kultur- und Technikgeschichte eines gebrannten Werkstoffs ist im Deutschen Porzellanmuseum immer noch ein Standardwerk. Katja Flieger macht auch andere Sachen als Keramik, zum Beispiel dieses hier.

Während Katja Flieger es eher mit den kleinen Teilen hat, hat es Katharina Duwe mit dem Großstädten, das kann man an dem Bild sehen, vor dem sie steht. Die Stadtlandschaften sind seit einiger Zeit das Thema der Malerin. Katharina Duwe ist die Tochter des Malers Harald Duwe, der mit Horst JanssenVicco von Bülow und Paul Wunderlich in Hamburg Kunst studiert hatte. Er wird in diesem Blog schon in dem Post Hannelies Taschau erwähnt. Ein Schüler von ihm kommt in den Posts Erbsensuppe und Gerrit Bekker ✝ vor.

Alle Kinder von Harald Duwe und seiner Ehefrau, der Malerin Heilwig Duwe-Ploog, sind Maler geworden. Und wie ihr Vater und ihre Mutter auch ziemlich berühmt, Katharina Duwe erhielt 1986 den gerade gestifteten Élysée Preis. Fünf Maler in einer Familie sind selten, bei den Beecheys gab es das im 18. Jahrhundert schon mal. Es wäre jetzt schön, wenn es den Film Familientreffen: Die Duwes - eine Künstlerfamilie von Karl Siebig bei YouTube geben würde, dann wüssten Sie mehr über die Familie. Vielleicht kann Dr Brandes-Druba das ja mal erreichen, dass man diesen Film im Netz sehen kann. Im Netz gibt es nur Siebigs Film über Kieler Straßengangs (ein Film mit Kultstatus), da könnte ein bisschen Kultur gut dazukommen. Einen Filmschnipsel über die Malerfamilie Duwe habe ich hier aber doch.

Katharina Duwe malt Stadtlandschaften, der Wikipedia Artikel gibt zu diesem Thema überhaupt nichts her. Aber in dem englischen Artikel  Cityscape erfährt man schon etwas mehr. Die →Stadtmalerei hat sich seit den Tagen, da Vermeer Delft malte, etwas weiterentwickelt. Es sind Stadtlandschaften, und sie entwickeln sofort einen Sog. Fast automatisch taucht man ein, wird Teil der Szenerie, wird einer von jenen, die dort in der nächtlichen Großstadt herumstehen, kommen oder gehen. Und man fühlt sich irgendwie wohl dabei. So beginnt der schöneArtikel von Dr Karen Michels über die Stadtlandschaften von Katharina Duwe. Wenn Sie den lesen, wissen Sie alles zu dem Thema. Oder auf jeden Fall ganz viel. Ist auch bebildert. 

Da ich gerade Werbung für Ausstellungen mache, will ich die Sommerausstellung Kunst des Nordens: 1850 -1950 der Galerie Rieck nicht vergessen. Die Galerie Rieck wird schon in dem Post Dänische Kunst erwähnt, einem Post, der schon beinahe zehntausend Leser hat. Dieser schöne Dünenkamm in Skagen von Aage Bernhard-Frederiksen aus dem Jahre 1934 ist vielleicht gar nicht so teuer. So etwas mag ich im Wohnzimmer lieber als eine Stadtlandschaft, die habe ich, wenn ich aus dem Fenster schaue.