Samstag, 2. Oktober 2010

Graham Greene


I am my books, soll er auf die Frage Who are you, Mr. Greene? geantwortet haben. Was soll er sagen? Dass er viele Leben hat? Dass es mehrere Graham Greenes gibt? Seine Biographen sind sich da nicht so sicher. Norman Sherry zum Beispiel hat seine Spuren über die ganze Welt verfolgt, denn wo ist er nicht überall gewesen? Manchmal gibt es aber ganz klar nur einen einzigen Graham Greene. Ein indischer Autor hat mal einen Graham Greene Roman ins Indische übersetzt und dann behauptet, dass er der Autor sei. Und dann Graham Greene verklagt, dass der ohne seine Erlaubnis seinen Roman übersetzt hätte. Gut, er ist damit nicht durchgekommen, aber das ist eine Idee, die von Graham Greene selbst stammen könnte. So wie der Staubsaugervertreter Mr Wormold in Our Man in Havana, der den Geheimdiensten Blaupausen eines Staubsaugers als Geheimpläne verkauft.

Graham Greene wurde heute vor 106 Jahren geboren. Er ist ein englischer Autor gewesen, den seine Leser geliebt haben. Und der sich ständig veränderte, wenn man glaubte, man wüsste, was er schreibt. Monsieur Quixote zum Beispiel war für mich eine Überraschung. Beinahe alles von Greene ist verfilmt worden, und Filme sind ein Teil seines Lebens gewesen. Weil er bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs auch Filmkritiker war und auch Drehbücher geschrieben hat. Wie zum Beispiel das zu The Third Man (aber auch zu 21 Days Together, The Fallen Idol, Loser Takes All). Im Vorwort zu seinen gesammelten Filmkritiken sagt er: Four and a half years of watching films several times a week...I can hardly believe in that life of the distant thirties now, a way of life which I adopted quite voluntarily from a sense of fun. More than four hundred films - and I suppose there would have been many more if I had not suffered during the same period from other obsessions - four novels had to be written. Die vier Romane, die er so nebenbei schreibt, sind England Made Me, A Gun for Sale, Brighton Rock und The Confidential Agent. Das ist mit das Beste, was er geschrieben hat.

In Graham Greene on Film fehlt auf S. 176 die Besprechung von Wee Willie Winkie. Weil die zu einer Gerichtsverhandlung geführt hat, die dann auch die Zeitschrift Night and Day ruinierte. Graham Greene hatte über die achtjährige Shirley Temple geschrieben: ..watch the way she measures a man with agile studio eyes, with dimpled depravity. Adult emotions of love and grief glissade across the mask of childhood, a childhood that is only skin-deep. It is clever, but it cannot last. Her admirers – middle-aged men and clergymen – respond to her dubious coquetry, to the sight of her well-shaped and desirable little body, packed with enormous vitality, only because the safety curtain of story and dialogue drops between their intelligence and their desire. Der Roman Lolita ist noch nicht geschrieben, was hätte Sir Patrick Hastings (der teuerste Anwalt Englands, der die Filmfirma Twentieth-Century Fox vertritt) da erst gesagt? Jetzt redet er erst einmal von one of the most horrible libels that one could well imagine und von einer beastly publication. Sir Patrick, der es noch zum Generalstaatsanwalt bringen wird, sollte sich eigentlich mit kritischen Rezensionen auskennen. Ein Jahrzehnt zuvor schrieb er noch nebenbei Theaterstücke, über die er so schmeichelhafte Besprechungen wie the worst play I have ever seen oder (vom Bischof von London) scandalous and immoral erhielt.

Die Verhandlung findet nicht vor irgendeinem Richter statt, sondern vor dem Lord Chief Justice. Hollywood geht in die Vollen. Graham Greene ist abwesend, er ist in Mexiko, weil er da einen Reisebericht für die Times schreibt (The Lawless Roads). Der Lord Chief Justice sagt am Ende der Verhandlung This libel is simply a gross outrage, and I will take to see that suitable attention is directed to it. Aus der Privatsache Hollywood gegen die Zeitschrift Night and Day wird jetzt eine Strafsache. Da bleibt Graham Greene doch sicherheitshalber erstmal in Mexiko. Und schreibt The Power and the Glory. So ist vielleicht Shirley Temple dafür verantwortlich, dass er seinen, nach Meinung vieler Kritiker, besten Roman geschrieben hat.

1 Kommentar:

  1. Und wie war ich erstaunt, als ich las, dass in dem Film "Der mit dem Wolf tanzt" auch Graham Greene auftrat...

    War dann doch ein anderer.

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