Freitag, 10. September 2021

Bräutigam


Dieses Bild findet sich in dem Wikipedia Artikel zu dem Maler Rudolf Kuntz, der am 10. September 1798 in Mannheim geboren wurde. Er war der Sohn des Landschaftsmalers Carl Kuntz, von dem er auch Zeichen- und Malunterricht erhielt. Rudolf Kuntz begann als Landschaftsmaler, spezialisierte sich dann aber auf Pferde und wurde ein berühmter Tiermaler. 1832 wurde er vom Großherzog Leopold zum Hofmaler ernannt. Das Bild hat bei Wikipedia den Titel Ein Pferd mit seinem Bräutigam im Kostüm. Was soll man dazu sagen? Seit wann haben Pferde einen Bräutigam? Der noch dazu ein Kostüm trägt? Will dieses Internet Lexikon ernstgenommen werden? Liest da niemand Korrektur? Es ist natürlich wieder einmal einer dieser bescheuerten Übersetzungsfehler einer Computerübersetzung, die ich schon in den Posts wie Gartenkarre und pfanni denglish erwähnt habe. Wikipedia hat das Bild offenbar aus einer englischen Quelle, und da heißt das Bild Horse with Groom in Fancy Dress. Ein groom kann ein Bräutigam sein (als Verkürzung des Wortes bridegroom), aber erstmal ist ein Bediensteter. Ein Stallknecht, ein Pferdepfleger, ein Bereiter. 

Auf diesem Bild von George Stubbs sehen wir einen groom, der ein Rennpferd hält. Wir wissen, dass das Pferd Lustre heißt und dem zweiten Viscount Bolingbroke gehört. Sein Onkel ist der Bolingbroke, den Gustav Gründgens in Das Glas Wasser spielt. Dieser Bolingbroke züchtet Pferde und lässt sie von George Stubbs malen, mindestens achtmal hat Stubbs die Pferde des Viscounts gemalt. Der groom trägt einen eleganten Mantel, der Adel achtet darauf, wie seine Bediensteten gekleidet sind. Der Viscount wird im Lauf seiner Karriere siebzig Pferde besitzen, das berühmteste ist wahrscheinlich Gimcrack (natürlich auch von Stubbs gemalt). Er wird seine Pferde verkaufen müssen, um seine Schulden zu bezahlen. Spielsucht, Nutten und Suff fordern ihren Tribut.

Seine Ehefrau läßt sich von ihm scheiden, sie verkehrt jetzt in anderer Gesellschaft, ist befreundet mit der Herzogin von Devonshire. Die kennen Sie, weil Sie den Film The Duchess mit Keira Knightley gesehen haben. Oder weil Sie den Post Herzoginnen gelesen haben. Ihre Freunde nennen sie Lady Di. Mit der Lady Di des 20. Jahrhunderts hat sie gemein, dass sie auch aus der Familie der Spencer kommt, der MDuke of Marlborough ist ihr Großvater. Lady Di ist übrigens Malerin, sie hat in ihrer Jugend Unterricht bei Joshua Reynolds gehabt.

Mit Pferden hat Lady Di wenig zu tun. Sie hat sie manchmal gemalt. Wie hier die sagenumwobene englische Heerführerin Boadicea zu Pferde. Der Viscount hatte übrigens ihr zu Ehren eins seiner Pferde Lady Bolingbroke genannt. Man muss aber dazu sagen, dass zwei seiner Pferde Kitty und Polly heißen, benannt nach den notorisch bekannten Courtisanen Kitty Fisher und Polly Jones. Beide Damen sind übrigens (wie Lady Di auch) von Reynolds gemalt worden. Es ist eine seltsame Zeit, ich überlege mir noch immer, ob der groom, der Lustre am Zügel hält, seinen eleganten Mantel behalten darf, wenn der Viscount pleite ist. Viele der grooms und stable lads auf den Bildern von George Stubbs sind mit sehr guten Reitmänteln bekleidet.

Das hier ist kein Bräutigam im Kostüm mit seinem Pferd. Das ist der württembergische König Wilhelm I. auf seinem Lieblingspferd Bairactar. Wenn das Ganze etwas unproportioniert aussieht, dann liegt es daran, dass Bairactar nicht sehr groß, der König aber beinahe zwei Meter groß ist. Der König züchtet Araber. Diese Pferde hatte er kennengelernt, als er gezwungen war, mit Napoleons Armee zu kooperieren. Und mit Napoleon nach Rußland zu ziehen, er hat es damals noch nicht mit der Pferdezucht, er ist froh, wenn er ein Pferd hat und über die Beresina zurückkommt. Von den 15.800 württembergischen Soldaten kommen knapp tausend zurück. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig wechselte Württemberg auf die Seite der Allianz gegen Napoleon und reitet am 31. März 1814 zusammen mit Zar Alexander und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen in Paris ein. Leider war Pferde-Krüger nicht dabei, der hätte ein schönes Bild davon gemalt. So etwas wie die Parade auf dem Opernplatz.  

Das Bild des Monarchen auf seinem Lieblingspferd ist nicht von Rudolf Kuntz, es wurde von dem Schlachtenmaler Albrecht Adam gemalt, der hier schon in dem Post Beresina 1812 erwähnt wird. Ab 1829 arbeitete der Maler (der sich in München ein ebenerdiges Stall-Studio hatte bauen lassen, in das die Kundschaft ihre Pferde führen konnte) auch für den württembergischen König, dies Bild von Wilhelms Pferden ist von ihm. Die württembergische Beteiligung an dem Rußlandfestzug ist durch den Militärmaler Christian Wilhelm von Faber du Faur, der später noch Generalmajor wird, sehr genau in Wort und Bild dokumentiert.

Hier noch einmal ein Stubbs, das Pferd hier heißt Tristram Shandy. Und wir können sehen, dass der groom den gleichen Mantel trägt, wie der groom auf dem Bild mit dem Hengst Lustre, es ist offenbar eine Livree, die die Bediensteten von Viscount Bolingbroke tragen. Interessant sind hier die schräge Tasche und die langen Rückenschlitze. Aber es ist noch kein riding coat, der Mantel ähnelt in Farbe und Schnitt eher dem Covert Coat. Und das bringt mich zurück zu dem Bräutigam im Kostüm, denn auf dem Bild von Kuntz sehen wir einen ganz anderen Typ von Mantel.

Dies ist auch ein Bild von Rudolf Kuntz. Es zeigt das Pferd Sultan Mahmud vor dem Schlösschen Weil bei Esslingen, wo das Gestüt des Königs beheimatet ist; darüber können Sie alles auf dieser Seite des ehemaligen Stuttgarter Museumsdirektors Christian von Holst lesen. Für Pferdeliebhaber unverzichtbar, mit hunderten von Abbildungen. Dieser groom trägt auch eine Livree, eine Kleidung, die der eines Jockeys ähnelt. Etwas irritierend ist der hohe Zylinder. Der König Wilhelm wird sich durch die Zucht von Arabern nicht ruinieren, wenn er 1864 nach beinahe fünfzigjähriger Regierungszeit stirbt, hinterläßt er ein geordnetes Reich. Als der schwerkranke König ahnt, dass er nicht mehr lange zu leben hat, lässt er sich von seinem Oberstallmeister Graf Wilhelm von Taubenheim noch einmal zu seinem geliebten Gestüt bei Esslingen kutschieren. Es schmerzt sehr, von einem so schönen und guten Lande scheiden zu müssen, hat er gesagt. Zwei Tage später ist er tot. Die Württemberger Pferdezucht wird weiterleben.

Den hohen Zylinder finden wir auf diesem Bild von Otto Stotz wieder, wo der Stallmeister des Gestüts des Königs auch solch einen Zylinder trägt. Und einen langen Mantel. Wie der angebliche Bräutigam im ersten Bild ganz oben. Das schöne Bild von Rudolf Kuntz ist noch nicht so lange im Netz, A Horse with his Groom in Fancy Dress wurde 2018 bei Doyle in New York verkauft. Es brachte 5.625 Dollar. Das mehrbändige Werk von Kuntz, Abbildungen königlich-württembergischer Gestütspferde von orientalischen Racen, wird beim ZVAB für 48.000 Euro angeboten.

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