Samstag, 5. März 2011
Ken Adam
Herzlichen Glückwunsch zum 90. Geburtstag, Sir Kenneth! Er wurde am 5. März 1921 als Klaus Hugo Adam in Berlin geboren. Ist mit seinem Eltern nach England emigriert als die Nazis kamen. Hat in England Architektur studiert und war Pilot in der Royal Air Force. Da hatte er noch nicht einmal die englische Staatsbürgerschaft, wahrscheinlich war Heinie the tank-buster (so sein Spitzname) der einzige Deutsche, der als Flight Lieutenant in der Royal Air Force flog. Nach dem Krieg ist er in der englischen Filmindustrie gelandet. Und wenn wir seinen Namen vielleicht nicht kennen, wir alle kennen Filme, für die er das Design geliefert hat.
Das da ist von ihm, das Wunderauto aus dem Film Chitty Chitty Bang Bang. Der Film wurde nach einer Kurzgeschichte von Ian Fleming gedreht. Albert J. Broccoli hat ihn produziert. Und der hat Ken Adam auch gleich für die James Bond Filme angeheuert. Da hat er all die gadgets erfunden, die angeblich Q für James Bond bastelt. Natürlich auch all die Sachen, die der Aston Martin von James Bond kann. Das war ein Wunschtraum von ihm, sich mit solch einem Auto an anderen Autofahrern zu rächen: Der bewaffnete Aston Martin hat aber auch eine kleine Vorgeschichte. Denn ich hatte zu dieser Zeit selbst einen Sportwagen, einen Jaguar E-Type. Doch jedes Mal, wenn ich ihn in London geparkt habe, wurde er von irgendjemanden geschrammt oder gar zerbeult. Also habe ich Rache genommen. Die Gadgets wurden fortan zu einem wichtigen Bestandteil der James Bond Filme. Doch natürlich habe ich sie nicht alleine entwickelt. Ich hatte einen fantastischen Ingenieur für Spezialeffekte, der alle meine Ideen in die Wirklichkeit übersetzt hat. Manchmal hätte ich auch gerne solch ein Auto. Da könnte diese Ratte von Kommunalpolitiker (Mitglied der Grünen), der letztes Jahr mein parkendes Auto angefahren hat und es am nächsten Tag nicht mehr gewesen sein wollte, aber was erleben.
Es ist erstaunlich, wie wenig bekannt Ken Adam ist. Leute wie Roland Emmerich, die nur schrottige Katastrophenfilme drehen, die kennt beinahe jeder. Aber wer - außer den Cinéasten - kennt Ken Adam? Wenn man sich die Liste der Filme anschaut, bei denen er als Art Director oder Production Designer verantwortlich war, kann man nur staunen. Ich bin das Auge des Regisseurs, hat Ken Adam einmal gesagt, der Production Designer ist für alles verantwortlich, was Sie auf der Leinwand sehen. Wenn ihm Studio und Regisseur das erlauben. Mit einem Detailfanatiker wie Stanley Kubrick hat es immer Probleme gegeben. Der berühmte war room aus Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (auf dessen Fußboden Ken Adam sitzt) war da ja noch einfach.
Aber Barry Lyndon, für den Ken Adam einen Oscar bekam, brachte reichlich Ärger mit sich. Kubrick zwang Adam alles über das 18. Jahrhundert zu wissen, weil dies eine Art Dokumentarfilm sein sollte. Alle Gemälde der Zeit anschauen, zu wissen, welche Zahnbürsten und Präservative damals verwendet wurden. Die Zahnbürsten und die Präservative kamen dann im Film nicht vor. Adam wollte im Studio drehen, wo man bessere Bilder hinkriegte, Kubrick wollte nur on location drehen und keinerlei künstliches Licht verwenden. Dafür mussten erstmal spezielle Kameraobjektive entwickelt werden. Adam hatte natürlich Recht, man hätte das im Studio mit weniger Aufwand hinbekommen. Etwas Gutes hatte das Ganze für Ken Adam doch, als er zwanzig Jahre später der Production Designer für The Madness of King George war (sein zweiter Oscar), brauchte er sich nicht mehr besonders vorzubereiten.
Ken Adam ist ein Mann der Studios. Ein Satz wie: Das Studio erlaubt mir, meine eigene Realität zu erzeugen, ist sicherlich eine Art Credo von ihm. Art Directors und Production Designer werden gemeinhin bei der Entstehung und Beurteilung eines Filmes viel zu wenig beachtet. Es gibt einen Kult um Stars und Starlets, und manche Regisseure werden berühmt (obgleich die Leistung vielleicht weniger am Regisseur als am Kameramann oder am Cutter liegt). Dabei hat ein Production Designer häufig mehr Macht als Regisseur und Stars zusammen. Das kommt noch aus dem Studiosystem der dreißiger Jahre, als die Regisseure für ein Studio völlig nebensächlich waren. Das Studio mit seinen Production Designern und seinem Studio Style prägte den Film. Der Gedanke eines auteur cinema war Hollywood völlig fremd. Es hat lange gedauert, bis Regisseure von The Name Above the Title (so der Titel der Autobiographie von Frank Capra) träumen konnten.
Ken Adam hat die erste Serie der James Bond Verfilmungen geprägt, also die, in denen Sean Connery James Bond verkörpert. Eigentlich ist das ja noch ein unterkühltes fünfziger Jahre Design, nicht dieser Design Größenwahn, den die heutigen Bond Filme haben. Wir sollten dabei auch bedenken, dass es neben den ersten Bond-Filmen Filme gibt, die ein realistischeres Bild der Spionage zeigen. Die auch auf Literaturvorlagen beruhen, aber nicht auf der Phantasiewelt von Ian Fleming, sondern auf den Werken von Autoren wie John le Carré und Len Deighton. Auch das Design dieser Filme stammt von Ken Adam. Für The Spy Who Came in From the Cold, The Ipcress File und Funeral in Berlin hat er eine Atmosphäre geschaffen, die den kitchen sink realism der fünfziger Jahre mit der Kalten Krieg Tristesse des Berlins der frühen sechziger Jahre kombinierte.
Für viele Zuschauer weltweit, die das Berlin vor und nach dem Mauerbau nicht kannten, war Berlin das Berlin aus The Spy Who Came in From the Cold und Funeral in Berlin. Den Flughafen Tempelhof hat Ken Adam nicht im Studio nachgebaut (hätte er wahrscheinlich gerne), Funeral in Berlin besitzt eine Vielzahl von Aussenaufnahmen eines realen Berlins. Aber The Spy Who Came in From the Cold ist beinahe eine reine Studioproduktion, die in den Shepperton Studios bei London und den Ardmore Studios in Irland entstand. Checkpoint Charlie inklusive.
Ken Adam hat noch eine andere Seite. Und da ist er das Bindeglied zwischen Expressionismus und Postmoderne, zwischen Dr. Caligari und Blade Runner. In dieser unterirdischen Raketenanlage von You Only Live Twice finden sich - ebenso wie in dem war room von Dr. Strangelove, der Befehlszentrale von Dr No und der Innenarchitektur von Fort Knox in Goldfinger - Elemente des deutschen Expressionismus. Hier bei den Bauarbeiten von You Only Live Twice sieht das auch noch ein wenig nach Piranesis Carceri aus.
Dies hier links ist, zur Illustration des Gedankens, ein Bild von Piranesi, zwei Jahrhunderte vor den Filmen des deutschen Expressionismus. Diesen Einfluss hat Ken Adam nicht geleugnet. Sein älterer Bruder war mit dem Sohn von Max Reinhardt befreundet: Die beiden sind immer ausgegangen und haben mich ab und an auch mitgenommen. Das hat mich sehr beeinflusst, obwohl ich ja nur 12 Jahre alt war. Und so lernte ich Max Reinhardt und viele anderen Leute am deutschen Theater kennen. Es war eine unglaubliche Renaissance in Berlin in jenen Jahren, ob am Theater, in der Kunst, im Film, in der Literatur oder am Bauhaus. Vor allem ein Film hat mich besonders beeinflusst: „Das Kabinett des Dr.Caligari“. Der Film war ja eine Zusammenarbeit von vielen expressionistischen Künstlern, was mir schon damals sehr gelegen hat. Auch später, als ich anfing zu arbeiten, war ich mir nie ganz sicher, ob ich für den Film oder nicht doch für das Theater entwerfen möchte. Das „Kabinett des Dr.Caligari“ hat mir die Möglichkeit gegeben, einen Kompromiss zu finden zwischen beiden Disziplinen. Wenn ich Dekors wie Fort Knox für „Goldfinger“ oder den Tanker für „The Spy who loved me“ entwerfe, dann ist das ja nicht die Realität. Das ist meine Realität, eine fast theatralische Realität, die aber für das Publikum oft mehr gilt als die Wirklichkeit. Denn die Wirklichkeit kann mitunter sehr langweilig sein.
Das wollen wir natürlich nicht, dass die Wirklichkeit mitunter sehr langweilig ist. Dafür gehen wir schließlich ins Kino. Aber gegenüber den Endzeitvisionen des postmodernen Film von Alien bis zum Blade Runner, dem triumph of art direction over film direction, hat Ken Adam eins voraus. Seine imaginären Welten sind nicht am Computer entstanden.
1999 hat das Victoria & Albert Museum eine Ausstellung veranstaltet, die den Titel Ken Adam - Designing the Cold War hatte. Der Begriff Cold War Modern hat sich inzwischen für seinen Stil schon eingebürgert. Hier auf diesem Video des V&A spricht er über sein Leben und sein Werk. Die Königin hat ihn 2003 wegen seiner Verdienste um den britischen Film zum Ritter geschlagen. Es ist beruhigend, dass es in der Welt des visionären Designs noch so etwas Altertümliches wie Ritter gibt.
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