Die zwei Freunde, die Paul Sandby hier gezeichnet hat, sammeln Kunst. Links sitzt, etwas gelangweilt, der Maler Sir Peter Francis Bourgeois, rechts der Kunsthändler Noël Desenfans. Den Franzosen, der sich nach dem Studium erfolglos als Theaterautor versuchte, hatte es nach London verschlagen. Zuerst war er Sprachlehrer, dann hat er reich geheiratet und wurde Kunsthändler. Eher ein Liebhaber, der alles verkaufte, was er an den Wänden seines Hauses hängen hatte, als ein zielstrebiger Händler. Anthony Blunt hat über ihn gesagt: he became a friend of most of the leading artists, including Reynolds and Gainsborough, and he exasperated his rival dealers by his successful pose as a gentleman who only sold pictures out of consideration for his friends and not for profit.
Seine erste Wohnung in London soll Desenfans bei dem reichen schweizer Uhrmacher Isaac Emmanuel Bourgeois gehabt haben, wo er sich mit dessen Sohn Francis anfreundete. Der schweizer Uhrmacher hatte für seinen Sohn eigentlich eine andere Karriere als die eines Malers im Sinn, Soldat soll der Junge werden. Isaac Bourgeois kennt den General George Augustus Eliott, den Verteidiger von Gibraltar (hier von Reynolds gemalt), den Sie schon aus dem Post Hoya kennen (auch bei Wilhelm Raabe kommt er vor). Eliott sagt seinem Freund Bourgeois zu, dass der Junge eine Offiziersstelle bei seinen Dragonern bekommen würde, wenn er alt genug sei.
Der junge Mann schaut sich die Welt des Militärs an, ist bei jeder Militärparade dabei. Auf jeden Fall steht das so in seinen Memoiren. Und was tut er? Er fängt an zu zeichnen. Er weiß längst, dass er Maler werden will, exchanging the sword for the more peaceful pencil, wird er in seinen Memoiren schreiben. Reynolds und Gainsborough, die er durch Noël Desenfans kennengelernt hat, haben ihn in dem Wunsch bestärkt. Die Basis für das Handwerk lernt er bei Philippe-Jacques de Loutherbourg, dessen Einfluß man in seinen Landschaftsbildern immer wieder spürt.
Francis Bourgeois ist kein wirklich großer Maler, aber er weiß, was der Markt verlangt. Ich habe schon in dem Post Tiermaler gesagt, dass es ein einträgliches Geschäft sein kann, in England Tiermaler zu sein, und so verziert der junge Bourgeois seine Landschaften mit Kühen wie auf diesem Bild. Das tut Goethes Freund Hackert (der hier einen Post hat) auch, aber dessen Bilder sind viel langweiliger.
Noch einmal eine Küstenlandschaft, wir werden das Gefühl jetzt nicht los, dass die Wolken am Himmel ein bisschen aus der Retorte stammen. Dass sie Dekorationen sind, die ins Bild geschoben werden. Sie leben nicht wirklich, so wie die Wolken auf den Bildern von John Constable - Sie könnten jetzt mal eben noch die beiden Posts John Constables Wolken und limited and abstracted art lesen, denn ich will noch einen Augenblick bei den Wolken bleiben. Die sind gerade bei den Malern Mode geworden.
Loutherbourg, der auch für William Beckford und Lady Emma Hamilton Lichteffekte zauberte, war berühmt für seine Wolken, die wie hier bei der Lawine in den Alpen dramatische Bewegung in das Bild bringen. Man weiß kaum, wo die Lawine aufhört und wo die Wolken anfangen. Noch dramatischer sind die Wolken in seinem Bild Coalbrookdale at night, wir müssen an dieser Stelle einmal einflechten, dass Loutherbourg auch Theatermaler gewesen ist. Theatermaler sehen die Natur anders, man kann das auch bei Blechen beobachten. Sein Waldweg bei Spandau ist eigentlich eine reine Bühnendekoration.
Für die Hamburger Ausstellung Wolkenbilder: Die Entdeckung des Himmels hatte man in Altona etwas nachgebaut, was Loutherbourg erfunden hatte. Ein ⇨Eidophusikon, ein kleines Papiertheater mit Bewegungen und farblichen Effekten in der Landschaft, dazu gab es Harfenmusik. Das erste Lichtspieltheater war geboren. Die Kunsthistorikerin Ortrud Westheider sagt dazu: Das ist erdacht und zum ersten Mal gebaut worden von einem Maler, von Loutherbourg, der also Landschaften malte und der eben unter dem Eindruck auch (...) dieses Interesse für das Veränderliche gesagt hat, wir müssen ein Landschaftsbild hier entwickeln, was nicht statisch ist.
Und dann hat er (...) ein Theater erdacht, mit unterschiedlichen Plänen und Maschinerien für das Aufziehen von Wolken, von Gewitterstimmung, von Blitzen. Das ist natürlich noch sehr in der barocken Theatertradition, aber er hatte keine Schauspieler, er hat also rein ein Landschaftsbild in Bewegung versetzt, und das hatte eben den Effekt, das wirklich ganz wichtige Maler in der Zeit sich da auch für interessiert haben – so zum Beispiel Gainsborough ist ein ständiger Gast dieser Vorführungen gewesen, und wir haben das (...) für die Ausstellung jetzt zum ersten Mal rekonstruiert und das hatte hier auch einen Rieseneffekt. Bei diesem Bild hat Bourgeois alle Register der Natureffekte gezogen, es war 1793 sein diploma work, als er in die Royal Academy aufgenommen wurde.
Francis Bourgeois steigt auf in der Welt, 1787 wird er Associate der Royal Academy, 1793 Vollmitglied, ein Jahr später ist er der Landschaftsmaler von König Georg III. Der mag ihn nicht besonders, erlaubt ihm aber, den Adelstitel zu tragen, den Bourgeois vom polnischen König bekommen hat, den er in Warschau gemalt hatte. Als James Northcote Bourgeois 1794 malt, kann er sich Sir Francis Bourgeois, RA nennen. John Constable hat viel länger gebraucht, um als Mitglied der Royal Academy aufgenommen zu werden, aber der hatte auch keinen Noël Desenfans neben sich, der die Verbindungen knüpft. Bourgeois wohnt im Haus des Ehepaars Desenfans, und er steigt peu à peu in den Kunsthandel ein. Die beiden Herren, die auf dem Bild im ersten Absatz auf dem Sofa sitzen, werden die wichtigsten Kunstsammler ihrer Zeit werden.
Als Maler ist Francis Bourgeois heute so gut wie vergessen, als Kunstsammler nicht. 1780 hatten er und Desenfans, der auch der polnische Konsul in London war, vom polnischen König den Auftrag erhalten, eine Kunstsammlung zusammenzutragen. Sie bereisen fünf Jahre lang Europa und kaufen Kunst en masse. Aber dann gibt es Polen nicht mehr, Kriege mit Russland und Aufstände wie der von Tadeusz Kosciuszko beenden den polnischen Traum von einem polnischen Reich. Den General Tadeusz Kosciuszko (hier in London von Benjamin West gemalt) könnten Sie kennen, er hat hier schon einen Post.
Desenfans und Bourgeois haben jetzt eine Kollektion von 360 Bildern, niemand will sie haben. Desenfans bietet die Bilder 1799 der englischen Regierung an, aber die Pläne von Desenfans und Bourgeois für eine englischen Nationalgalerie stoßen auf taube Ohren. 1807 stirbt Noël Desenfans, er hinterläßt die gesamte Kollektion seinem Freund Bourgeois. Und der wird sie testamentarisch dem Dulwich College übereignen. Das ist eine alte private school, vielleicht nicht so berühmt wie Eton, aber zwei wichtige Schriftsteller des 20. Jahrhunderts sind hier Schüler gewesen: P.G. Wodehouse und Raymond Chandler. Für die Sammlung der Dulwich Picture Gallery wird Sir John Soane das Haus bauen, das hatte Bourgeois, der am 8. Januar 1811 an den Folgen eines Reitunfalls gestorben ist, so verfügt. Soanes Kunstmuseum ist zweihundert Jahre alt und sieht immer noch modern aus.
Die Dulwich Picture Gallery war die erste Kunstgalerie in England, die bewusst für die Öffentlichkeit gebaut wurde. Bis es die National Gallery und die Tate Gallery gibt, wird noch einige Zeit vergehen, die Wallace Collection öffnet erst im Jahre 1900. Die Dulwich Picture Gallery ist wahrscheinlich auch das einzige Kunstmuseum der Welt, in dem die drei Gründer begraben sind. Sir Francis Bourgeois, Noël Desenfans und seine Gattin Margaret (hier von Reynolds gemalt). Denn als man beim Bau des Museums in Geldnöte geriet, half Margaret Desenfans mit ihrem Privatvermögen aus. Sie hat auch ihre Möbelsammlung gestiftet, die immer noch im Museum zu sehen ist.
Man kann auch noch auf den Möbeln von Margaret Desenfans sitzen, nachdem man hier gerade geheiratet hat. Die Galerie vermietet ihre Räume für solche Zwecke, ein großer Saal für ein Festessen kostet 7.200 Pfund. Dass die Trauungen im Mausoleum der drei Galeriegründer vollzogen werden, finde ich ein wenig pervers, aber so bleiben die Gründer des Museums immer im Gedächtnis. Es gibt in dem Kunstmuseum nicht nur die ✺Sammlung zu sehen, es werden auch ständig Wechselausstellungen organisiert. Die Rembrandt Ausstellung im letzten Jahr wurde weltweit beachtet. Auch weil jemand zwei Rembrandts klauen wollte, was ihm aber nicht gelungen ist. Irgendwie scheinen die Sicherheitssysteme in London besser zu funktionieren als in Dresden.
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