Mittwoch, 22. April 2015

Invisible Man


"You are saved," cried Captain Delano, more and more astonished and pained; "you are saved: what has cast such a shadow upon you?" (Herman Melville, Benito Cereno) 

Harry: I tell you, it is not me you are looking at, Not me you are grinning at, not me your confidential looks Incriminate, but that other person, if person, You thought I was: let your necrophily Feed upon that carcase. . . (T. S. Eliot, Family Reunion)

Prologue

I am an invisible man. No, I am not a spook like those who haunted Edgar Allan Poe; nor am I one of your Hollywood-movie ectoplasms. I am a man of substance, of flesh and bone, fiber and liquids -- and I might even be said to possess a mind. I am invisible, understand, simply because people refuse to see me. Like the bodiless heads you see sometimes in circus sideshows, it is as though I have been surrounded by mirrors of hard, distorting glass. When they approach me they see only my surroundings, themselves, or figments of their imagination -- indeed, everything and anything except me...

Mit zwei Zitaten und einem Prolog fängt Ralph Ellisons Roman Invisible Man an, ein Roman, der zu den wichtigsten Romanen des 20. Jahrhunderts gehört. Die Modern Library führt ihn auf der Liste der hundert besten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts. Und der Literaturkritiker Harold Bloom nannte den Roman 1991 the only full scale works of fiction I have read by American blacks in this century that have survival possibilities at all. Mein Freund Hombre, der heute Geburtstag hat, ist schon lange vor Harold Bloom dieser Meinung gewesen, denn er hat seine Doktorarbeit über den Roman geschrieben.

In einem Interview mit dem ➱Paris Review hat Ralph Ellison, der eigentlich Musiker werden wollte, berichtet, wie er zum Schreiben kam: I didn’t give up music, but I became interested in writing through incessant reading. In 1935 I discovered Eliot’s 'The Waste Land', which moved and intrigued me but defied my powers of analysis—such as they were—and I wondered why I had never read anything of equal intensity and sensibility by an American Negro writer. Later on, in New York, I read a poem by Richard Wright, who, as luck would have it, came to town the next week. He was editing a magazine called 'New Challenge' and asked me to try a book review of Waters E. Turpin’s 'These Low Grounds'. On the basis of this review, Wright suggested that I try a short story, which I did. I tried to use my knowledge of riding freight trains. He liked the story well enough to accept it, and it got as far as the galley proofs when it was bumped from the issue because there was too much material. Just after that the magazine failed.

Mein Gedicht heute kommt denn auch von dem Mann, durch den Ralph Ellison zum Schreiben gekommen ist: Richard Wright. Es ist nicht nur ein Gedicht, es sind gleich fünf. Weil es nämlich kurze kleine - und das ist jetzt eine Überraschung - Haikus sind. Wir verbinden den Namen Richard Wright ja immer mit dem Roman Native Son, ebenso wie Invisible Man ein Klassiker des amerikanischen Romans, wir denken wenig an den Richard Wright, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich lebte. Zuerst war das nur eine Einladung gewesen, aber dann sah er - eine Erfahrung, die auch viele amerikanische Jazzmusiker machten (man denke an ➱Charlie Parker oder ➱Taverniers Film Round Midnight) - dass er in Frankreich als Schriftsteller ernst genommen wurde.

Er erkannte, dass er hier kein invisible man und kein nobody mehr war. Er kehrte nicht mehr in die USA zurück. Richard Wright wagte das Experiment, als Hauptdarsteller in der ➱Verfilmung seines eigenen Romans aufzutreten. Es gibt Schriftsteller, die auch Schauspieler sind. Curt Goetz wäre ein Beispiel. Gregor von Rezzori (der ➱hier einen Post hat) oder Franz Xaver Kroetz auch. Vielleicht sollte ich noch Joachim Meyerhoff nennen, weil mir gerade jemand die saukomische Geschichte mit Ministerpräsident Stoltenberg im Matsch vor der Schleswiger Psychiatrie erzählt hat, die sich in Alle Toten fliegen hoch: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war findet. Wenn wir auch die Liste von Schriftstellern, die auch Schauspieler sind (oder die Liste von schreibenden Schauspielern), verlängern können, beim Thema Autoren als Hauptdarsteller in der Verfilmung ihres eigenen Romans, da wird die Liste schon ganz klein.

Ende der fünfziger Jahre, als er schon sehr krank war, entdeckte Richard Wright die literarische Form des Haiku. Es wurde eine Art von Obsession für die letzten anderthalb Jahre seines Lebens. Er hat hat wohl mehr als 4.000 Haikus geschrieben, aus denen er 817 für das Buch Haiku: The Other World auswählte. Das Buch gibt es mittlerweile auch als Paperback, aber ich habe ➱hier auch eine Seite, die eine schöne Auswahl der Haikus von Richard Wright offeriert. Und für dieses Photo des Autors bietet sich natürlich dieses Haiku an:

My cigarette glows
Without my lips touching it, –
A steady spring breeze.


Aber nun die ersten fünf Haikus von Richard Wright aus der Sammlung Haiku: The Other World:

I am nobody:
A red sinking autumn sun
Took my name away.

I give permission
For this slow spring rain to soak
The violet beds.

With a twitching nose
A dog reads a telegram
On a wet tree trunk.

Burning autumn leaves,
I yearn to make the bonfire
Bigger and bigger.

A sleepless spring night:
Yearning for what I never had
And for what never was.

Es gibt in diesem Blog schon einen Post zum Thema ➱Haiku. Wo sich unter den Kommentaren auch ein Haiku von dem Dichter und Blogger ➱Lyriost findet, welches das hübscheste Kompliment war, das meinem Blog gemacht wurde:

Wenig Kommentar
so erkennt man Edelstein
wenn man ihn denn sieht

Der Kapitän Amasa Delano aus dem Melville Zitat ganz oben ist hier im Post ➱Bounty schon einmal aufgetaucht. Und natürlich hat ➱Ralph Ellison schon lange einen Post.

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