Heute vor 290 Jahren wurde John Newton in Wapping geboren. Vielleicht haben Sie noch nie von ihm gehört, aber seine Lebensgeschichte verdient es, einmal kurz skizziert zu werden. Sein Vater war Kapitän, seit er elf Jahre alt war, war der junge John Newton auf See. Zuerst in der Handelsmarine, dann wurde er shanghait und landete in der Royal Navy. Danach war er auf einem Sklavenschiff, landete in Afrika als Sklave einer afrikanischen Prinzessin, once an infidel and libertine, a servant of slaves in Africa wird er auf seinen Grabstein schreiben lassen. Nachdem er der Prinzessin entkommen ist, wird er Sklavenhändler.
Sie vermissen etwas in dieser Geschichte? Das, was Aristoteles Peripetie genannt hat? Die wird kommen. Er wird sein Saulus-Paulus Erlebnis haben. Er gibt den Sklavenhandel auf und wird Pastor, by the rich mercy of our Lord and Saviour Jesus Christ, preserved, restored, pardoned, and appointed to preach the faith he had long labored to destroy. Ein Geistlicher, der gegen die Sklaverei zu Felde zieht und immer wieder Paulus zitiert: Uns wird von Kindesbeinen an beigebracht, jene zu bewundern, die in der Sprache der Welt große Kapitäne und Eroberer genannt werden, weil sie darauf brannten, Mord und Schrecken in jeden Teil des Globus zu tragen und durch die Entvölkerung von Ländern ihre eigenen Namen zu verherrlichen, während der Geist der Großherzigkeit des heiligen Paulus fast überhaupt keine Beachtung findet.
Es gibt im Jahre 1763 wohl kaum jemanden in England, der solche Dinge sagt. John Wilberforce, der als Gegner der Sklaverei berühmt wird, ist da erst vier Jahre alt. John Newton ist fünfzehn Jahre lang Pfarrer in Olney gewesen. Dort hat er William Cowper (der ➱hier schon einen Post hat) kennengelernt und ihn gedrängt, die Olney Hymns zu schreiben. Danach ist er nach London gezogen, um die Pfarrei der Barockkirche St Mary Woolnoth (die von ➱Nicholas Hawksmoor gebaut wurde) zu übernehmen. Für eine seiner ersten Predigten nahm er sich das Speaking the truth in love aus dem Brief an die Epheser als Motto: Surely I durst not address you from this place, if I could not, with sincerity at least, if not with equal warmth, adopt the apostle's words, and say, "Being affectionately desirous of you, we were willing to impart unto you not the Gospel of God only, but our own souls also (were it possible), because ye were dear unto us" (1 Thess. 2:8).
William Cowpers Olney Hymns (➱hier zu lesen) sind heute Bestandteil des englischen Gesangbuchs, aber eine davon, die nicht Cowper sondern John Newton geschrieben hat, hat es in die Hitparaden geschafft. Wir haben sie in unzähligen Versionen von unzähligen Interpreten, sogar von André Rieu und Andrea Bocelli. Und Elvis. Von Helene Fischer noch nicht. Sie kennen die Hymne auch, selbst wenn Sie nicht wussten, dass ein ehemaliger Sklavenhändler sie geschrieben hat. Die schöne Hymne heißt Amazing Grace. Sie können sie hier in einer Kitschversion von Hayley Westenra hören. Oder etwas ergreifender a cappella von ➱Jessye Norman. Und dann gibt es noch den amerikanischen Präsidenten, der bei der ➱Trauerfeier für Clementa Pinckney in Charleston die Hymne auch angestimmt hat, die in all den Jahrhunderten längst ein Lied der Schwarzen geworden war.
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Also doch. Ich dachte mir schon, daß Präs. Obama der Anlaß für diesen Beitrag gewesen sein könnte. Aber Sie hatten auch auf Jessye Norman verlinkt, und dafür wollte ich jedenfalls danken, denn im Anschluß fand sich einiges an Interessantem, das ich gar nicht kannte und prompt meiner amerikanisch gebürtigen Gospel-Chor-Leiterin zusandte. Also nochmals besten Dank.
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