Sonntag, 16. August 2015

Le grand blond


Pierre Richard hat heute Geburtstag. Eigentlich ist Pierre Richard sein Künstlername, in Wirklichkeit heißt er Pierre Richard Maurice Charles Léopold Defays. Er kommt - wie so viele im französischen Film: Louis Malle, Brigitte Bardot, Catherine Deneuve - aus der französischen Bourgeoisie. Die Familie hat in der Stahlindustrie ihr Geld gemacht, für ein kleines Schloss und einen Park hat es gereicht. Aber das war nicht das, was Pierre Richard wollte. Seine Stationen nach dem Abitur hießen Cabaret, Oper, Theater und Film.

Wir kennen ihn als liebenswerten Tollpatsch. Aber wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir sagen, dass wir Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh eigentlich nur deshalb gesehen haben, weil Mireille Darc da dieses dunkle Kleid trug. Das in der Rückenpartie ein klein wenig ausgeschnitten war. Ich hatte das Bild schon in dem Post, der Mireille Darc heißt. Es ist ein Post, der viel gelesen wurde. Sehr viel häufiger als der über Brigitte Bardot.

Wenn man als Tollpatsch berühmt wird (und le grand blond schon eine Art Markenzeichen ist), dann ist es für einen ➱Schauspieler nicht so leicht, aus der Rolle jemals herauszukommen. Der Komiker Bourvil, der als Clown begonnen hat, hat das geschafft, das können wir in Melvilles Film Vier im roten Kreis sehen. Und Pierre Richard hat später auch viele Rollen gespielt, in denen er nicht der etwas bescheuerte Tollpatsch war, die Filme (wie hier Mes Hérossind aber in Deutschland nicht so bekannt geworden.

Weil wir ihn natürlich so sehen wollen, mit Mireille Darc an seiner Seite. Und weil wir diesen Satz Mach mir den Hengst! von Mireille hören wollen (wenn Sie den auch hören wollen, klicken Sie hier). Mach mir den Hengst! ist auf jeden Fall besser als Heiaha! Die Stute stösst mir der Hengst! Der Satz findet sich in Wagners Walküre. Wenn Sie hier ein wenig vom Text der Walküre lesen, werden Sie feststellen, dass Wagner ebenso komisch sein kann wie ein Pierre Richard Film.

Dass der Film so erfolgreich wurde, verdankt er übrigens einem Deutschen namens Rainer Brandt, der den Film für den Tobis Verleih ein klein wenig umschnitt und völlig neu synchronisierte: Ich weiß nur soviel, dass meine deutsche Fassung sehr vom französischen Original abwich. Der Verleiher wollte es komischer haben, als es im Original war. - Soweit ich mich recht erinnern kann, habe ich von den Bildern nichts rausgeschnitten, sondern nur umgeschnitten. Ich habe also die Bilderfolge in einer oder zwei Sequenzen umgestellt, weil es für die Komik in der Dramaturgie von Vorteil war. Angeblich soll der französische Produzent diese Schnitte übernommen haben. Ob das stimmt, vermag ich nicht zu sagen. Der Film (und seine Nachfolger) wurde ein Welterfolg, irgendwann drehte Hollywood sogar Remakes von diesen Filmen.

Als die Süddeutsche ihn im Interview fragte: Ihr Komiker-Kollege Louis de Funès war privat ein ziemlich ernsthafter Mensch. Ein anderer, Jacques Villeret, war depressiv und beging Selbstmord. Sind Sie auch manchmal trübsinnig? antwortete Richard: Ich kannte Jacques gut, er war ziemlich unglücklich in seinem Leben. Er hatte Depressionen und soff. Aber ich bin anders. Ich bin nicht sehr melancholisch, im Gegenteil. Ich habe ein Händchen für das Glück. Es schmeckt mir. Ich liebe das Leben. Natürlich kenne ich Anflüge von Tristesse, wenn ich ein Chanson von Barbara höre. Aber die dauern nur wenige Minuten, ich vertreibe sie schnell. Ich bin eher ein Träumer. Auf diesem Bild sehen wir ihn in dem Film Paris, Paris - Monsieur Pigoil auf dem Weg zum Glück.

Wenn französische Schauspieler Erfolg haben, kaufen sie sich Rennpferde (wie Philippe Noiret und Eddie Constantine) oder ein Weingut. Wie Depardieu und Pierre Richard. 1986 hat er bei einem Besuch im Languedoc das heruntergekommene Weingut Château Bel Évêque gekauft, das im Weinbaugebiet Corbières liegt. Jetzt  besitzt er 20 Hektar Weinberge, und sein Spitzenwein Cuvée Cardinal verkauft sich besonders gut.

Er hat sich gut gehalten, Depardieu, mit dem er mehrfach zusammen spielte, sieht älter aus. Obgleich er viel jünger ist. Pierre Richard wird heute einundachtzig. Letztes Jahre hat er noch im Olympia gefeiert, ich weiß nicht, was er heute macht. Vielleicht sitzt er in seiner eigenen Kneipe. Denn neben dem Weingut hat er noch ein Restaurant in Paris. Und eine Weinbar, die Le P'tit comptoir du Grand Blond heißt. Seine beiden Söhne sind Musiker geworden; und Pierre Richard, der 2006 einen César d'Honneur und in diesem Jahre den Magritte d'Honneur erhielt, ist stolz auf seine Enkelkinder: Ich habe sechs Enkel, alle unterschiedlich alt. Bei meinen Enkeln hole ich ein bisschen nach, was ich als Vater versäumt habe. Damals hatte ich kaum Zeit, habe immer gearbeitet, bin um die Welt gereist. Das bedaure ich. Mittlerweile drehe ich weniger, habe mehr Freizeit. Die verbringe ich am liebsten mit ihnen.

Er war lange verheiratet, aber er ist auch schon mehrfach geschieden. Er weiß, dass es für Frauen nicht leicht ist, mit ihm zu leben. Den liebenswerten Tölpel spielt er wohl nur im Film: Ich glaube, für die Frauen war es nicht immer leicht, mit mir zu leben. Ich war eigensinnig. Ich mag keinen Alltag. Ich möchte überrascht werden. Das Leben zu zweit ist anstrengend, aber das darf man natürlich nicht spüren. Er ist jetzt gerade frisch verheiratet, mit Ceyla Lacerda, einem Mannequin aus Brasilien. In dem Land ist er häufig, weil er da seit zwanzig Jahren eine kleine Konfektionsfabrik hat (wir wollen mal hoffen, dass da faire Löhne bezahlt werden). Er kann sich auch vorstellen, dort zu leben: Si le cinéma revient, très bien. Sinon, j'irai vivre au Brésil. Ich weiß nicht, ob wir ihm die Schuhe durchgehen lassen können. Einen braunen und einen schwarzen Schuh (wie in Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh) zu tragen, das geht ja noch an, aber dies hier geht definitiv nicht.

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