Montag, 8. Januar 2018

elbidabbelju


Diese Illustration aus dem Jahre 1904 zeigt eine der Regeln des Crickets, die man als leg before wicket (kurz lbw) bezeichnet, die sorgt bei jedem Spiel immer wieder für heiße Diskussionen. Der rote Cricketball könnte das wicket treffen, aber er trifft nur den Beinschutz des batsman. Der wicket keeper hinter dem batsman hat schon mit einem sehnsüchtigen Blick zum Schiedsrichter den Arm gehoben und ruft wahrscheinlich ➱Howzat. Und dann hebt der Schiedsrichter (der bei diesem Spiel nicht referee wie im Fußball, sondern umpire heißt) den Zeigefinger, und der batsman muss den Platz verlassen. Beifall für ihn gibt es immer, dies ist ein Spiel für Gentlemen:

Like rattle of dry seeds in pods
The warm crowd faintly clapped;
The boys who came to watch their gods,
The tired old men who napped.

The members sat in their strong deckchairs,
And sometimes glanced at the play,
They smoked and talked of stocks and shares,
And the bar stayed open all day.


Es ist eine komplizierte Sache, ich habe hier einen kleinen ➱Film, der die Regel illustrieren kann. Vielleicht verwirrt er aber nur. Nicht einmal alle Engländer verstehen die Regel, deshalb hat die BBC hier eine schöne Seite, auf der alles erklärt wird. Und den vollen Text der Regel 36 können Sie auf der Seite des MCC lesen. Es ist eine alte Regel. Sehr alt.

Wir müssen mal eben ins 18. Jahrhundert springen, ein Jahrhundert, zu dem es hier eine Vielzahl von Posts gibt, die alle Links in dem Post ➱Robert Walpole haben. Es ist ein Jahrhundert, in dem England die Welt erobert. Manchmal verlieren sie auch wieder etwas: Die amerikanischen Kolonien zum Beispiel. Oder Menorca. Und Gibraltar wäre auch beinahe verloren gegangen (lesen Sie mehr dazu in dem Post, der ➱Hoya heißt). Dieser Herr hier ist einer von denen, die überall für England kämpfen (er starb am 8. Januar 1787 friedlich zu Hause in Bath). Er heißt Sir William Draper. Auf diesem Bild aus dem Jahre 1765 von ➱Thomas Gainsborough trägt der General schöne hellbraune Handschuhe und den Order of the Bath auf der Brust. Drapers Freund Christopher Anstey, mit dem er in Eton war, hat das Bild Gainsboroughs (und die Büste, die Joseph Wilton von Draper angefertigt hatte) mit einem Gedicht kommentiert:

Freely I'd give ye cups of gold,
Rich with the curious works of old;
With coins and medals I'd present ye,
And send ye rings and seals in plenty;
Reward ye like the valiant Greeks,
If I, like Deard, could make antiques.
But gifts like these, my generous Friend,
Nor you expect, nor I can send.
Something to eat, I'd have you know it,
Is no small present from a Poet;
And tho' I took some little pains
In weaving my Pindaric strains,
You're welcome, if my verse displeases,
To d--n my book, and eat my cheeses;
Still will I venture to acquaint ye,
Tho' I, like Gainsborough, cou'd paint ye;
Tho' I with Wilton's art, could give
The animated stone to live;
Yet not the picture, or the busto,
Are things that heroes ought to trust to.
Good generals and statesmen too,
From verse alone, must claim their due;
And oft the friendly Muse supplies
What an ungrateful world denies:
Not the swift flight of threat'ning Lally,
Not every bold successful sally,
Under your banners from Madras,
Tho' told on marble, or on brass:
Not India's distant spoils brought home,
To grace our Henry's lofty dome;
Without the Muses just regard,
Can give the Conqueror his reward.--
--Spite of the law's unjust delay,
Your guerdon still the Muse shall pay
With faithful steps your fame attend,
And speed the wishes of your friend.


William Draper war, wie gesagt, in Eton. Und er hat in Cambridge studiert, sogar ein Examen gemacht. Er ergriff allerdings keinen geistlichen Beruf, wie alle dachten, er ging zur Armee. Eton und Cambridge sind sicherlich für die militärische Karriere gut, noch besser ist es wahrscheinlich, wenn man eine Urenkelin von Charles II heiratet. Gainsborough wird auch Lady Caroline Beauclerk malen, allerdings ist ihr Bild wesentlich kleiner als das ihres Gatten. Lady Caroline wird nicht viel von ihrem Gatten sehen, denn der ist mit dem Regiment ihres Onkels überall dabei, wo Krieg ist. Zuerst in ➱Culloden, dann in Flandern, in Indien und Amerika. Er wird Manila für die Krone gewinnen. Und ➱Menorca verlieren.

Ich könnte jetzt stundenlang über Sir William weiterschreiben, aber ich lasse das und verweise auf das Buch Pitt's Gallant Conqueror. Denn ich will auf das lbw des Posttitels zurückkommen. Damit hat unser General etwas zu tun. Im Jahre 1774, als er mal gerade nicht Krieg führt (drei Jahre später ist er in Amerika), ist Sir William der Vorsitzende eines Komitees aus Adligen und Gentlemen (ein Herzog ist auch dabei), die sich im Star and Garter in der Pall Mall treffen. Die Straße spricht man übrigens ➱pæl mæl aus, es ist das gleiche Wort wie die ➱Palmaille in Hamburg.

Die Herren haben Wichtiges zu besprechen. Es geht nicht um das Wohl der Nation, es geht um wirklich wichtige Dinge. Es geht um Cricket. Einige der Teilnehmer möchten es verbieten, dass auf Cricketspiele gewettet wird. Dieser Herr hier, der ein eigenes Cricketteam hat und sehr viel Geld beim Cricket verwettet, ist energisch dagegen. Es ist John Frederick Sackville, der dritte Duke of Dorset, gemalt von ➱Joshua Reynolds. Sackville kauft auch massenhaft Bilder von Reynolds auf, für ihn sind die Bilder ein Spekulationsobjekt. Man lässt die Sache mit dem Wettverbot erst einmal fallen und widmet sich dem nächsten Punkt der Tagesordnung: Cricketregeln. Da ist man sich schnell einig. Vor allem bei der neuen Regel, die es zuvor nicht gab: elbidabbelju. Die Regel gibt es immer noch. Und auf Cricketspiele wird immer noch gewettet.

Die Engländer erobern im 18. Jahrhundert die Welt, davon träumen Sie vielleicht noch immer. Sie bringen fremden Nationen das Cricketspiel bei, von den West Indies bis Indien und Australien. Müssen dann aber mitansehen, dass sie von denen geschlagen werden, gerade jetzt ganz furchtbar in ➱Australien (der Film fängt gleich mit einem lbw an). Theresa May, die Cricket liebt und Geoffrey Boycott schätzt, wird wahrscheinlich am Wochenende vor dem Fernseher gesessen haben, um sich den Untergang Englands anzugucken. Daraus kann man für den Brexit und die Zukunft Englands lernen.

Was ich vom Cricket verstehe, verdanke ich meinem Freund Georg. Das steht schon in dem Post ➱Fußballmannschaft. Alles, was da steht, ist wahr. Wenn Sie mehr über Cricket wissen wollen, dann kann ich den Post ➱Cricket empfehlen. Ist ein Bestseller, der fünfstellige Leserzahlen hat, da können Sie nichts falsch machen. Ich habe in dem Post ➱Vollmond auch noch eine nette kleine Geschichte über den bekannten und beliebten Schiedsrichter Dickie Bird. Und einen Film, in dem ein Cricketspiel eine große Rolle spielt, hätte ich auch anzubieten, es ist ➱The Go-Between. Harold Pinter, der eine eigene Cricketmannschaft hatte, hat das Drehbuch geschrieben. Die amerikanischen Geldgeber wollten die Cricketszene streichen. Amerikaner verstehen nichts von Cricket, deshalb spielen sie Baseball. Harold Pinter und der Regisseur Joseph Losey haben die Szene nicht gestrichen. Geht einfach nicht.

Als ➱William Wordsworth aus den Wirren der französischen Revolution nach England zurückkommt, schreibt er ein Sonnet, das Composed in the Valley near Dover, on the Day of Landing heißt. Und in diesem Sonnet fehlt das Cricket (those boys who in yon meadow-ground In white-sleeved shirts are playing) genausowenig wie in dem Roman und dem Film The Go-Between. Weil es zu England gehört:

Here, on our native soil, we breathe once more. 
The cock that crows, the smoke that curls, that sound 
Of bells; those boys who in yon meadow-ground 
In white-sleeved shirts are playing; and the roar 
Of the waves breaking on the chalky shore;-- 
All, all are English. Oft have I looked round 
With joy in Kent's green vales; but never found 
Myself so satisfied in heart before. 
Europe is yet in bonds; but let that pass, 
Thought for another moment. Thou art free, 
My Country! and 'tis joy enough and pride 
For one hour's perfect bliss, to tread the grass 
Of England once again, and hear and see, 
With such a dear Companion at my side.

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