Als der schottische Maler Sir William Allan dieses Bild malt, da ist Sir Walter Scott schon tot. Das Bild hat den Namen The Minstrel of the Scottish Border, was natürlich eine Anspielung auf The Minstrelsy of the Scottish Border ist. Eins der frühesten Werke von Scott - neben seinen Übersetzungen von deutschen Balladen. William Allan hat sich die Figur von Scott, den er hier in seinen besten Jahren irgendwo auf dem Moorland in der Nähe von Abbotsford plaziert, nicht von anderen Bildern geborgt. Er war mit Scott befreundet und hat ihn auch ein Jahr vor seinem Tod in Abbotsford noch gemalt, The author of Waverley in his study heißt das ➱Bild. Auf dem Bild ist natürlich auch ein Wauwi drauf, ohne Hunde gehen Bilder von Sir Walter ja nun gar nicht. Sir Edwin Landseer, der ja mit rührenden Bildern von Hunden (und röhrenden Hirschen) im viktorianischen England viel Geld verdiente, hat auch die ➱Hunde von Walter Scott gemalt.
Und bei der Gelegenheit auch den Schriftsteller. Diese eigentlich klitzekleine Ölskizze (29 x 24 cm) ist eins der lebendigsten Bilder, das wir von Walter Scott haben. Als Landseer zweiundzwanzig Jahre alt war, hatte er eine Schottlandreise gemacht, von da an war er von Schottland begeistert. Das sind damals in England viele, und an dieser Schottlandbegeisterung ist sicherlich Sir Walter Scott schuld. Seit er Waverley geschrieben hat, interessiert sich die ganze Welt für Schottland, indescribably sensational hat Ernest Bembaum den Erfolg der Romane genannt, die heute nur noch summarisch Waverley Novels heißen. Auch die junge Königin Victoria und ihr Prinzgemahl werden von dieser grassierenden Manie écossaise angesteckt. Die beiden kaufen sich Balmoral Castle, und ➱Albert wird als Innenarchitekt tätig und entwirft Teppiche und Tapeten im Tartanmuster.
Victoria zählt daneben zu den größten Bewunderern von Landseer. Um seinen scheußlichen Hirsch (➱The Monarch of the Glen) zu sehen, hat sie sich sogar in die Eisenbahn gesetzt und ist nach Edinburgh gefahren. Ich habe dieses Bild von Landseer, Windsor Castle in Modern Times, mal eben hier abgebildet, damit man sehen kann wie wirklich gut Landseer in dem Portrait von Scott ist, wenn er nicht diesen viktorianischen Kitsch malt.
Landseer und Scott sind noch auf eine andere Weise miteinander verbunden: 1828 hatte Walter Scott Landseer als einen der Illustratoren der Waverley Edition auserwählt. Der hat aber nur wenige Illustrationen dazu geliefert und war zum Entsetzen der Herausgeber sehr säumig mit der Ablieferung. Man setzte bei der Ausgabe auf eine Vielzahl von Illustratoren, William Turner wird die Poetical Works illustrieren. Die ganze Geschichte der Entstehung der Waverley Edition, die sich wie ein Krimi liest, kann man bei Jane Millgate in Scott's Last Edition: A Study in Publishing History nachlesen. Vielleicht hätte sich Robert Cadell besser an einen französischen Illustrator gehalten. Denn der neben Turner berühmteste Scott Illustrator ist kein Schotte, das ist der Franzose Eugene Delacroix, der in seiner Begeisterung für Walter Scott so weit geht, sich selbst als Edgar Ravenswood (oben) zu malen. Die ersten Ausgaben von Scotts Werken hatten keine Abbildungen gehabt, aber Scott hatte gesehen, dass sich bebilderte Bücher besser verkaufen. Er braucht jetzt dringend Geld (er haftet für Schulden von 120.000 Pfund von Verlag und Druckerei, an denen er beteiligt war), da ist es für ihn klar: We must try to make the new edition superior by illustrations & embellishments as a faded beauty dresses and lays on [a] prudent touch of rouge to compensate for want of her juvenile graces.
Das berühmteste der Portraits von Scott ist sicherlich dies hier von ➱Sir Henry Raeburn. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Scott Landsleute bevorzugte, wenn er einem Maler Modell sitzen musste: Sir William Allan, Andrew Geddes, Sir John Watson Gordon, Sir Francis Grant, Sir Henry Raeburn, Sir James Saxon und ➱Sir David Wilkie. Obgleich das mit Raeburn so eine Sache war. Als ihn sein Gönner Charles Montagu-Scott, der vierte Herzog von Buccleuch, 1819 bat, für Raeburn Modell zu sitzen, weil er gerne ein Portrait von Scott in seiner Bibliothek hängen haben wollte, antwortete Scott in einem Brief:
Respecting the portrait I shall be equally proud and happy to sit for it & hope it may be executed in some degree worthy of the preferment to which it is destined. But neither my late golden hue for I was coverd with jaundice nor my present silver complection looking much more like a spectre than a man will present any idea of my quondam beef-eating physiognomy. I must wait till the age of brass the true juridical bronze of my profession shall again appear on my frontal. I hesitate a little about Raeburn unless your Grace is quite determined. He has very much to do works just now chiefly for cash poor fellow as he can have but a few years to make money and has twice made a very chowderheaded person of me. I should like much (always with your approbation) to try Allan who is a man of real genius and has made one or two glorious portraits though his predilection is to the historical branch of the art.
Begeisterung klingt anders. Scott mochte das Bild nicht, das Raeburn zehn Jahre vorher von ihm gemalt hatte. Und so bringt er er zum Ende des Briefes seinen Freund William Allan ins Gespräche, a man of real genius. Das Bild von 1808, das Scotts Londoner Verleger Archibald Constable bei Raeburn in Auftrag gegeben hatte, zeigt den noch jungen Schriftsteller, der zwar Waverley schon begonnen hat, aber erst einmal beiseite gelegt hat. Auch Marmion: A Tale of Flodden Field ist noch nicht erschienen, aber Constable hat schon das Manuskript in Händen. Constable hält seinen jungen Autor für a man of destiny - und er hat Recht damit.
Raeburns Bild (hier ein Stich davon) ist allerdings auch schon eine bewusste Inszenierung. Der Dichter (nur von seinem Hund Camp begleitet) sitzt einsam vor einer abbröckelnden Ruine, er hat ein kleines Buch in der Hand, was ihn als Mann der Literatur ausweist. Was allerdings nicht jeden Kritiker überzeugte, so schrieb ein ➱Kritiker: This last of the minstrels shows how lamentably the race is degenerated, for never was a more unpoetical physiognomy delineated on canvas; we might take him for an auctioneer or a land-surveyor, a travelling dealer or chapman: in short for any character but a bard.
Im Hintergrund können wir im Abendlicht ein renovierungsbedürftiges Schloss sehen. Das ist Hermitage Castle, Scotts ➱Lieblingsschloss. Scott hatte für Raeburn aufgezeichnet, wie der Hintergrund aussehen sollte, er wollte ja in jungen Jahren auch einmal Maler werden. Auch wenn das Bild die Kunstkritiker (und den Dargestellten) zu Anfang des 19. Jahrhunderts nicht so recht begeisterte, es enthält alles, was wir mit Walter Scott verbinden. Dies ist kein reisender Hausierer, dafür ist er viel zu elegant gekleidet. Beau Brummell hätte seine Freude an so viel sartorialer Zurückhaltung. Er trägt auch diese eleganten hessian boots , die die Admiralität so ungern an den Füßen ihrer Offiziere sieht, was Admiral ➱Sir Sidney Smith nie gekümmert hat.
Indem Raeburn Scott neben einer Ruine plaziert, betont er das Element des antiquarian, das Scotts erstes Werk The Minstrelsy of the Scottish Border auszeichnet - das antiquarian element wird ihn sein ganzes Leben nicht verlassen, sein Schloss Abbotsford wird zu einem Museum schottischer Geschichte. Und die schottische Geschichte ist auf dem Bild in der goldenen Abenddämmerung, die für die Vergangenheit steht. Nach der Schlacht von Culloden ist the lion in the north gezähmt, Schottland ist zu einer englischen Kolonie geworden. Walter Scott gibt Schottland seine Geschichte und seine Kultur zurück, und es ist kein Zufall, dass wenn George IV (in einem lächerlichen Schottenkostüm) als erster englischer König seit langem Schottland besucht, er von Sir Walter Scott empfangen wird.
Dieses Bild links ist eine Wiederholung des Bildes von Raeburn, es hängt heute in ➱Abbotsford. Scott wollte Constable das Bild abkaufen, aber der wollte es partout nicht verkaufen. Es ist allerdings nicht wahr, dass Scott das Bild so schrecklich fand, dass er es kaufen wollte, um es zu vernichten. Denn immerhin hat er sich im nächsten Jahr noch einmal von Raeburn in der gleichen Pose malen lassen. Sir Henry Raeburn hat dann außer Camp auch noch Pervy mit draufgemalt. Als es mit Constables Verlag, der so schicksalhaft an Scott gebunden war, in den 1820er Jahren bergab geht, hat Archibald Constable das Bild doch noch verkauft.
Allerdings nicht an Scott sondern an den Herzog von Buccleuch. Wo es eines Tages Walter Scott entdecken wird: One thing I saw there which pleased me much, and that was my own picture, painted twenty years ago by Raeburn for Constable, and which was to have been brought to sale among the rest of the wreck, hanging quietly up in the dining-room at Dalkeith. I do not care much about these things, yet it would have been annoying to have been knocked down to the best bidder even in effigy; and I am obliged to the friendship and delicacy which placed the portrait where it now is. Was Scott hier the wreck nennt, ist die Pleite von 1826 vom Verlag Constable und vom Druckhaus Ballantyne. Der Ehrenmann Scott hat sich bereiterklärt, für alle Schulden einzustehen. Und um den Schuldenberg abzutragen schreibt er jetzt jeden Tag - wie auf diesem Bild von Sir Francis Grant - er ruiniert damit seine Gesundheit.
Es ist natürlich lästig, wenn man so berühmt geworden ist, dass einen jeder Maler malen will. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Maler so etwas wie die Paparazzi der damaligen Zeit sind. Dieses Bild zeigt den Maler James Northcote, wie er Walter Scott portraitiert. Gemalt von seinem Kollegen John Cawse. Der ist kein besonders guter Maler, das Ganze sieht schon ein wenig nach naiver Malerei aus. Der Hund zu Füssen von Sir Walter ist sicherlich kein Meisterwerk. Und doch hat das Bild etwas Rührendes. Da sitzt er der Barde und denkt sich wahrscheinlich: wann hauen die bloß ab? Er will, er muss, zurück an den Schreibtisch. Ein Sklave seines Werkes. Auf dem Bild von Raeburn 1808 war es noch ein kleines Buch, das er in der Hand halten konnte, jetzt ist es ein Werk geworden, vor dem wir nur ehrfürchtig staunen können. Ein Werk, das man dem Monarchen widmen muss, mit der Anrede Sire, die direkt aus Ivanhoe zu stammen scheint:
The Author of this collection of Works of Fiction would not have presumed to solicit for them your Majesty's august patronage, were it not that the perusal has been supposed in some instances to have succeeded in amusing hours of relaxation, or relieving those of languor, pain, or anxiety, and therefore must have so far aided the warmest wish of your Majesty's heart, by contributing in however small a degree to the happiness of your people.
They are therefore humbly dedicated to your Majesty, agreeably to your gracious permission, by
Your Majesty's Dutiful Subject,
Walter Scott.
Als Robert Cadell die Neuausgabe des Werkes von Scott vorbereitet, wird wieder ein Maler beauftragt - in alle Bände sollte das Portrait von Scott. Cadell beauftragt Sir Watson Gordon. Scott protestiert, man könne doch das schöne Bild nehmen, das ➱Sir Thomas Lawrence 1821 von ihm gemalt hat. Er ist das Modellsitzen leid. Aber Cadell besteht auf Sir Watson Gordon, und ➱das (für so ein Bild gibt es keine Abbildung, da gibt es nur einen Link) kommt dabei heraus. Da hätte man wirklich den Lawrence nehmen können (das schöne Bild von Raeburn mit der gelben Weste ist noch nicht gemalt).
Sir Walter Scott ist heute vor 180 Jahren gestorben. Er ist nur einundsechzig Jahre alt geworden. Mit einundsechzig fängt sein großer Bewunderer Theodor Fontane mal gerade an zu schreiben. Na ja, ➱Vor dem Sturm hat er schon fertig. Müssen wir erwähnen, dass dieser Roman Scott viel verdankt?
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