Am 16. Oktober hatte die Schlacht um Leipzig begonnen. Da schreibt Blücher an seine Frau: den 16. habe ich dem Feind vor Leipzig bei dem Dorf Möckern wieder eine Schlacht geliefert, 4.000 Gefangene gemacht, 45 Kanonen, ein Adler und verschiedene Fahnen erobert. Die Schlacht ist noch lange nicht zu Ende. Napoleon, der eines Tages sagen wird Ich wollte der Welt den Frieden geben; aber sie haben mich zu einem Dämon des Krieges gemacht ist noch nicht geschlagen.
Am Morgen des 18. Oktober reitet ein Kriegsfreiwilliger zum Hauptquartier Blüchers: In dem Dorfe Mockau hatte das Blüchersche Hauptquartier übernachtet. Wie ich hinkam, schliefen noch alle. Man würde sich irren, wenn man glaubte, daß in Blüchers Umgebung an diesem Morgen irgendeine Unruhe oder große Eile wahrzunehmen war. Obgleich ein so großer Kampf vor kurzem stattgefunden, obgleich man voraussah, daß dieser Tag ein entscheidender für den ganzen Krieg werden müßte, so war doch davon in der Umgebung des Feldherrn nichts zu spüren. Man stand auf, kleidete sich langsam und bedächtig an, die wenigen Gefäße, die man aufbringen konnte, wanderten nach dem Brunnen, um, von einem zur Reinigung benutzt, schnell von dem Bedienten eines andern ergriffen zu werden; die Fenster wurden geöffnet und an die Wand gelehnt, um als Spiegel zu dienen; der Kaffee wurde in wenigen Tassen herumgereicht; einer trank aus der Unter-, der andere aus der Obertasse. Verwirrungen und Störungen, die manchmal vorkamen, wurden benutzt, um den Gesprächen eine heitere Wendung zu geben, und diese berührten fast gar nicht den großen Gegenstand, der uns so nahe lag. Man unterhielt sich mit vollkommen gleichgültigen, wohl auch lustigen Erinnerungen; ein witziger Einfall ward mit Freuden begrüßt; man konnte glauben, hier eine Anzahl Männer zu sehen, die auf einer belustigenden Reise sich an den mancherlei Verlegenheiten eines zufälligen dürftigen Nachtquartiers ergötzen.
Der Kriegsfreiwillige ist eigentlich ein wenig zu alt, um Soldat zu spielen. Er ist vierzig Jahre alt, er hat auch keinerlei militärische Vorbildung, von Beruf ist er Professor für Philosophie und Naturwissenschaften. Blücher wird ihn immer mit Herr Professor anreden und ihn nicht wie einen einfachen Leutnant behandeln. Der Professor, der am 8. Februar des Jahres seine Studenten in Breslau zum Widerstand gegen Napoleon aufgerufen hatte, geht mit gutem Beispiel voran. Er wird den Freiheitskrieg bis zur Einnahme von Paris mitmachen. Dabei ist es gar nicht seine Freiheit, die hier verteidigt wird: der Mann ist gebürtiger Norweger. Er heißt Henrich Steffens, er wird seine ➱Lebenserinnerungen Was ich erlebte in zehn Bänden zwischen 1840 und 1844 veröffentlichen. Ein Ausschnitt daraus, Adventures on the road to Paris, during the campaigns of 1813-1814, erschien 1848 in London bei John Murray.
Es ist ein langer Weg von Leipzig nach Paris, eine Reise mit dem Heer, angefüllt mit Erlebnissen. Einmal trifft er auf Joseph Görres: Ich war überrascht, als er mich tadelte, daß ich den Krieg mitmachte. »Der Gelehrte«, meinte er, »wäre verpflichtet, sich für sein geistiges Werk zu erhalten.« Mir aber ward unsere Verschiedenheit eben durch diese Ansicht klar. Die Feder war seine Waffe, weniger die meinige; als Kind der Anschauung mußte ich redend und kämpfend mich unmittelbar darstellen und mit meiner Person zahlen. Diese Stelle charakterisiert Steffens eigentlich sehr schön.
Seine Autobiographie glänzt immer wieder durch subtile Beobachtungen, die sich sonst nicht in nüchternen Kriegsbeschreibungen finden. Steffens reitet als Verbindungsoffizier Blüchers (und Gneisenaus, den er wegen seiner intellektuellen Fähigkeiten schätzt) zu einer Vielzahl von Stäben. Einmal soll er im Auftrag von Gneisenau, dem ständig zaudernden schwedischen Kronprinzen eine Nachricht zutragen: Es kostete mich viele Mühe, ihn zu finden, keiner wußte, wo er war; erst in der Nacht fand ich ihn in Landsberg, in einem ziemlich schlechten Hause, von schwedischen Offizieren umgeben, und ward zu ihm geführt. In einer wüsten, fast leeren Stube lag er auf Matratzen, die auf den Fußboden hingelegt waren; das dunkle Gesicht des Gascogners mit der mächtigen Nase und das stark zurückgehende Kinn stachen ab gegen die weiße Bettwäsche und die mit Spitzen besetzte Nachtmütze. Die Sache mit der spitzenbesetzen Nachtmütze auf dem Kopf von Bernadotte finde ich sehr witzig, Blücher hat nach ➱Waterloo den weichen Hut von Napoleon als Kopfkissen benutzt. Kann man sich Blücher mit einer spitzenbesetzten Nachtmütze vorstellen? Und seine Meinung über Bernadotte, die so ähnlich wie lautet wie wenn dieser Hund von Zigeuner nicht gleich erscheint, dann mag das Himmelkreuzdonner, was auch immer da dreinschlagen, die hätte Steffens wohl auch nicht so formuliert.
Am Ende von Professor Steffens militärischer Karriere steht der feierliche Einzug der Alliierten in Paris: Ich war in einem Hause mit General Gneisenau einquartiert, und gegen Mittag erschien er mit seiner liebenswürdigen Verlegenheit in meiner Stube; ich sah es ihm an, daß er mir etwas zu sagen hatte, was, wie er befürchtete, mir unangenehm sein würde. Erst sprach er von manchem hin und her, von Szenen aus dem Feldzuge, mit Anerkennung von dem wenigen, was ich geleistet hatte, und suchte mich offenbar in eine heitere Stimmung zu versetzen. Endlich konnte er mir doch das Unangenehme nicht verbergen. »Lieber Steffens«, sagte er, »heute nachmittag findet der feierliche Einzug des Kaisers und des Königs von Preußen in Paris statt; die Truppen, die am wenigsten durch den Feldzug gelitten haben, werden sie begleiten, und die Offiziere erscheinen sämtlich in Paradeuniform.« Ich unterbrach ihn schnell und zwar laut auflachend: »Ich kann«, sagte ich, »freilich nicht dabei sein; zur Parade bin ich nicht eingerichtet.« Ich versicherte ihn, daß ich diesen Übelstand nicht einmal bereuen könnte. Ich würde mich still in Paris einschleichen, um nicht als ein Schmutzfleck der stattlichen Garde zu erscheinen. Und so wird er sich Paris nicht in Uniform, sondern als Zivilist erobern.
Wo er zu seinem Erstaunen erkannt wird: Die Richtung, die wir nahmen, war eine durchaus absichtslose; wir hatten aber eben die Gegend und das Théâtre italien erreicht, als ein bescheidener junger Mann uns deutsch anredete. »Darf ich wohl fragen«, sagte er, »ob Professor Steffens der Armee nach Paris gefolgt ist?« »Siehst du«, sagte ich zu meinem Freunde, der doch zu glauben anfing, daß dieses abenteuerliche Hineinreiten in Paris uns in Verlegenheit setzen werde, »daß ich recht hatte?« Der junge Mann war ein Leipziger Kandidat oder Doktor der Medizin, der sich in Paris aufhielt, um unter Cuvier die komparative Anatomie zu studieren. Er folgte uns, verschaffte uns eine wenigstens provisorische Nachtherberge in irgendeinem nahen Hotel und blieb bei uns. Durch den jungen Mann erfuhr ich nun, daß Cuvier seinen Zuhörern erzählte, ich hätte die Wissenschaft und alle Studien aufgegeben und wäre Soldat geworden. Cuvier gehörte zu den ersten, die ich besuchte. Jetzt hat die Wissenschaft den Leutnant Henrich Steffens wieder. Obgleich den das Kriegserlebnis nie verlassen wird. Auf dieser Lithographie nach einer Zeichnung von ➱Franz Krüger trägt er voller Stolz sein Eisernes Kreuz. Und der schwedische Dichter Per Daniel Amadeus Atterbom erinnert sich in ➱Menschen und Städte an Steffens: Steffens ist ein göttlicher Mann; eine unauslöschliche Begeisterung glüht in seiner Brust und leuchtet aus seinen Blicken; unter Locken, die zu erbleichen beginnen (infolge von Mühen und Kümmernissen!), besitzt er die ganze Rührigkeit und das Lebhafte eines Jünglings. Er hat ein sehr edles Aussehen und mehr den Charakter eines Offiziers als den eines Professors; er trägt das Eiserne Kreuz auf der Brust und erinnert sich gern der verflossenen Kriegszeit.
Auch wenn am 16. Oktober die Zeitungen voll von Artikeln über die Schlacht bei Leipzig vor zweihundert Jahren waren und Sie vergeblich etwas dazu in diesem Blog suchten, kann ich versichern: dieser Blogger hat das Ereignis nicht vergessen. Morgen gibt es hier noch einen langen Post. Ich hatte mir zuerst überlegt, ob ich über unsere deutschen freiheitsbewegten Dichter und ihre Kriegsrhetorik schreiben sollte, habe es dann aber gelassen. Zu viele Artikel des Feuilletons behandeln schon diesen Aspekt.
Die Geburtsstunde des deutschen Nationalismus bringt uns ein schwieriges Erbe. Wir wissen alle, was Goebbels aus der ersten Zeile (Das Volk steht auf, der Sturm bricht los) von Körners Gedicht Männer und Buben gemacht hat. Bei der Recherche im Internet bin ich auf etwas ganz ➱Seltsames gestoßen. Da wird über den Dichter, der Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte schrieb, gesagt: Dichter, die damals zum Kampf gegen die Franzosen aufriefen, werden von linken Antifanten heute verteufelt. So wollten die Roten schon immer den patriotischen Dichter und Freiheitskämpfer Ernst Moritz Arndt als Namensgeber der Uni Greifswald auslöschen, wie die kommunistenfreundliche ZEIT bereits vor Jahren anmahnte. Derartige Versuche der verblödeten Presse und Studentenschaft gehen bis heute weiter! Aber hallo, was ist denn hier los? Die Klatschenkallis laufen offenbar frei herum. Der Blog heißt ➱Politically Incorrect und hat angeblich jeden Tag beinahe 100.000 Besucher. Das Netteste, was ich über so etwas sagen kann, ist die Hoffnung, dass es ein Satire Blog ist.
Es ist ein langer Weg von Leipzig nach Paris, eine Reise mit dem Heer, angefüllt mit Erlebnissen. Einmal trifft er auf Joseph Görres: Ich war überrascht, als er mich tadelte, daß ich den Krieg mitmachte. »Der Gelehrte«, meinte er, »wäre verpflichtet, sich für sein geistiges Werk zu erhalten.« Mir aber ward unsere Verschiedenheit eben durch diese Ansicht klar. Die Feder war seine Waffe, weniger die meinige; als Kind der Anschauung mußte ich redend und kämpfend mich unmittelbar darstellen und mit meiner Person zahlen. Diese Stelle charakterisiert Steffens eigentlich sehr schön.
Seine Autobiographie glänzt immer wieder durch subtile Beobachtungen, die sich sonst nicht in nüchternen Kriegsbeschreibungen finden. Steffens reitet als Verbindungsoffizier Blüchers (und Gneisenaus, den er wegen seiner intellektuellen Fähigkeiten schätzt) zu einer Vielzahl von Stäben. Einmal soll er im Auftrag von Gneisenau, dem ständig zaudernden schwedischen Kronprinzen eine Nachricht zutragen: Es kostete mich viele Mühe, ihn zu finden, keiner wußte, wo er war; erst in der Nacht fand ich ihn in Landsberg, in einem ziemlich schlechten Hause, von schwedischen Offizieren umgeben, und ward zu ihm geführt. In einer wüsten, fast leeren Stube lag er auf Matratzen, die auf den Fußboden hingelegt waren; das dunkle Gesicht des Gascogners mit der mächtigen Nase und das stark zurückgehende Kinn stachen ab gegen die weiße Bettwäsche und die mit Spitzen besetzte Nachtmütze. Die Sache mit der spitzenbesetzen Nachtmütze auf dem Kopf von Bernadotte finde ich sehr witzig, Blücher hat nach ➱Waterloo den weichen Hut von Napoleon als Kopfkissen benutzt. Kann man sich Blücher mit einer spitzenbesetzten Nachtmütze vorstellen? Und seine Meinung über Bernadotte, die so ähnlich wie lautet wie wenn dieser Hund von Zigeuner nicht gleich erscheint, dann mag das Himmelkreuzdonner, was auch immer da dreinschlagen, die hätte Steffens wohl auch nicht so formuliert.
Am Ende von Professor Steffens militärischer Karriere steht der feierliche Einzug der Alliierten in Paris: Ich war in einem Hause mit General Gneisenau einquartiert, und gegen Mittag erschien er mit seiner liebenswürdigen Verlegenheit in meiner Stube; ich sah es ihm an, daß er mir etwas zu sagen hatte, was, wie er befürchtete, mir unangenehm sein würde. Erst sprach er von manchem hin und her, von Szenen aus dem Feldzuge, mit Anerkennung von dem wenigen, was ich geleistet hatte, und suchte mich offenbar in eine heitere Stimmung zu versetzen. Endlich konnte er mir doch das Unangenehme nicht verbergen. »Lieber Steffens«, sagte er, »heute nachmittag findet der feierliche Einzug des Kaisers und des Königs von Preußen in Paris statt; die Truppen, die am wenigsten durch den Feldzug gelitten haben, werden sie begleiten, und die Offiziere erscheinen sämtlich in Paradeuniform.« Ich unterbrach ihn schnell und zwar laut auflachend: »Ich kann«, sagte ich, »freilich nicht dabei sein; zur Parade bin ich nicht eingerichtet.« Ich versicherte ihn, daß ich diesen Übelstand nicht einmal bereuen könnte. Ich würde mich still in Paris einschleichen, um nicht als ein Schmutzfleck der stattlichen Garde zu erscheinen. Und so wird er sich Paris nicht in Uniform, sondern als Zivilist erobern.
Wo er zu seinem Erstaunen erkannt wird: Die Richtung, die wir nahmen, war eine durchaus absichtslose; wir hatten aber eben die Gegend und das Théâtre italien erreicht, als ein bescheidener junger Mann uns deutsch anredete. »Darf ich wohl fragen«, sagte er, »ob Professor Steffens der Armee nach Paris gefolgt ist?« »Siehst du«, sagte ich zu meinem Freunde, der doch zu glauben anfing, daß dieses abenteuerliche Hineinreiten in Paris uns in Verlegenheit setzen werde, »daß ich recht hatte?« Der junge Mann war ein Leipziger Kandidat oder Doktor der Medizin, der sich in Paris aufhielt, um unter Cuvier die komparative Anatomie zu studieren. Er folgte uns, verschaffte uns eine wenigstens provisorische Nachtherberge in irgendeinem nahen Hotel und blieb bei uns. Durch den jungen Mann erfuhr ich nun, daß Cuvier seinen Zuhörern erzählte, ich hätte die Wissenschaft und alle Studien aufgegeben und wäre Soldat geworden. Cuvier gehörte zu den ersten, die ich besuchte. Jetzt hat die Wissenschaft den Leutnant Henrich Steffens wieder. Obgleich den das Kriegserlebnis nie verlassen wird. Auf dieser Lithographie nach einer Zeichnung von ➱Franz Krüger trägt er voller Stolz sein Eisernes Kreuz. Und der schwedische Dichter Per Daniel Amadeus Atterbom erinnert sich in ➱Menschen und Städte an Steffens: Steffens ist ein göttlicher Mann; eine unauslöschliche Begeisterung glüht in seiner Brust und leuchtet aus seinen Blicken; unter Locken, die zu erbleichen beginnen (infolge von Mühen und Kümmernissen!), besitzt er die ganze Rührigkeit und das Lebhafte eines Jünglings. Er hat ein sehr edles Aussehen und mehr den Charakter eines Offiziers als den eines Professors; er trägt das Eiserne Kreuz auf der Brust und erinnert sich gern der verflossenen Kriegszeit.
Auch wenn am 16. Oktober die Zeitungen voll von Artikeln über die Schlacht bei Leipzig vor zweihundert Jahren waren und Sie vergeblich etwas dazu in diesem Blog suchten, kann ich versichern: dieser Blogger hat das Ereignis nicht vergessen. Morgen gibt es hier noch einen langen Post. Ich hatte mir zuerst überlegt, ob ich über unsere deutschen freiheitsbewegten Dichter und ihre Kriegsrhetorik schreiben sollte, habe es dann aber gelassen. Zu viele Artikel des Feuilletons behandeln schon diesen Aspekt.
Die Geburtsstunde des deutschen Nationalismus bringt uns ein schwieriges Erbe. Wir wissen alle, was Goebbels aus der ersten Zeile (Das Volk steht auf, der Sturm bricht los) von Körners Gedicht Männer und Buben gemacht hat. Bei der Recherche im Internet bin ich auf etwas ganz ➱Seltsames gestoßen. Da wird über den Dichter, der Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte schrieb, gesagt: Dichter, die damals zum Kampf gegen die Franzosen aufriefen, werden von linken Antifanten heute verteufelt. So wollten die Roten schon immer den patriotischen Dichter und Freiheitskämpfer Ernst Moritz Arndt als Namensgeber der Uni Greifswald auslöschen, wie die kommunistenfreundliche ZEIT bereits vor Jahren anmahnte. Derartige Versuche der verblödeten Presse und Studentenschaft gehen bis heute weiter! Aber hallo, was ist denn hier los? Die Klatschenkallis laufen offenbar frei herum. Der Blog heißt ➱Politically Incorrect und hat angeblich jeden Tag beinahe 100.000 Besucher. Das Netteste, was ich über so etwas sagen kann, ist die Hoffnung, dass es ein Satire Blog ist.
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