Donnerstag, 8. Oktober 2015

Easybox


Da brauchen Sie überhaupt nichts zu machen. Sie schließen die Easybox an, und die saugt sich alle Daten runter, sagt die junge Frau mit der netten Stimme am Telephon. Die klingen immer nett am Telephon, auf den Werbephotos haben sie auch immer ganz weiße Zähne. Ich glaubte ihr kein Wort. Vodafone hat meinen Tarif umgestellt (und den von Millionen anderer Kunden). Hat irgendetwas mit der Telekom und Glasfaserkabeln zu tun. Und man bekommt dann einen wahnsinnig schnellen Anschluss, aber von den ganzen Kilobits, Upstream und Downstream verstehe ich eh nichts. Wahrscheinlich kann man zweistündige Filme in einer Stunde sehen, und ich blogge dann doppelt so schnell. Ich habe mir die telephonischen Sirenengesänge angehört, der jungen Dame aber am Schluss des Gesprächs gesagt, ich würde kein Wort davon glauben, was sie mir da erzählt hat.

Früher war ich bei Arcor, jetzt bin ich bei Vodafone. Da frisst ja heute einer den anderen, und hinterher heißt es: Raider heißt jetzt Twix. Vodafone hatte vor Jahren schon Mannesmann geschluckt. Mit einem Kaufpreis von 172 Milliarden US-Dollar eine der größten Übernahmen des Marktes. Das hostile takeover war irgendwie auch ein klein wenig kriminell, denn im Zusammenhang mit dieser Übernahme landete eines Tages dieser Herr vor Gericht. Um dort das berühmt gewordene Zeichen zu machen, das vor ihm schon ➱Winston Churchill und Michael Jackson gemacht hatten. Und um zu sagen: Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen.

Man könnte diesen Worten die Zeilen eines ➱Größeren entgegenhalten, der da dichtete:

O dieses gräßliche Gesindel,
Das Börsenspekulanten heißt!
Spitzbuben mit dem Diebwerksbündel,
Auswurf von eklem Höllengeist!
Es überkommt uns schon ein Schwindel,
Wenn man auf ihre Namen weist.


Mit Mannesmann kaufte Vodafone auch die Uhrenfabrik IWC Schaffhausen. Die hat nun eigentlich gar nichts mit Telephonen zu tun, und dass sie zu Mannesmann gehörte, war das Resultat von dem Monopoly Spiel der Konzernübernahmen. Denn die IWC war in den siebziger Jahren zusammen mit Jaeger LeCoultre und Favre-Leuba (seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz) von der deutschen VDO Adolf Schindling gekauft worden. Die Zeit der privaten Eigentümer war vorbei. Favre-Leuba war acht Generationen im Familienbesitz gewesen, die IWC seit 1905 in der Hand der Hombergers. Jetzt kommen die großen Konzerne. Die Fabriken waren billig zu haben, es ging der Schweizer Industrie damals schlecht. Die Quarzkrise veränderte die Uhrenwelt. LeCoultre baute Instrumente für das Auto (in dem Geschäft waren sie, ähnlich wie die englische Firma ➱Smiths, schon lange), mein alter Peugeot hatte Tacho und Uhr von LeCoultre. Und Patek war damals froh, wenn sie elektrische ➱Mutteruhren verkaufen konnten.

Als meine Yacht Club 1 gebaut wurde, war die IWC noch nicht in deutscher Hand, das Modell wurde aber noch gebaut, als VDO die Firma kaufte. Es war ein Bestseller der IWC, was bedeutet, dass in zehn Jahren nicht einmal 50.000 davon gebaut wurden. Das Edelstahlband ist übrigens von der Firma Gay Frères (das gleiche ist auch an der alten IWC Ingenieur). Am Beispiel der renommierten Firma Gay Frères, die Schmuck und ➱Armbänder herstellt (und neuerdings ➱Rolex) gehört), habe ich einmal gesehen, was eine Übersetzungsmaschine anrichten kann. Sie ahnen schon, was dabei herauskommt, wenn man diesen Firmennamen ins Deutsche übersetzt. Richtig: schwule Brüder.

Der vom Pferdesport begeisterte Adolf Schindling war bei der Übernahme der Schweizer Uhrenfirmen schon lange tot, die Firma wurde jetzt von seiner Tochter geführt. Einer Frau, die damals jedermann kannte, denn Liselott Linsenhoff hatte in München mit ihrem Hengst Piaff eine Goldmedaille in der Dressur gewonnen. Die Alleinerbin hat 1991 die ganze Firma an Mannesmann verkauft. Zehn Jahre später kam dann Vodafone, und bei der Filetierung des Mannesmann Konzerns landete die IWC im Richemont Konzern des Südafrikaners Johann Rupert. Und nach diesem kleinen Exkurs durch die Geschichte des neueren Kapitalismus, komme ich mal wieder auf meine Internet- und Telephonverbindung und die neue weiße Easybox zurück, die mir die Firma Vodafone inzwischen zugeschickt hatte. Kinderleicht anzuschließen. Saugt sich alle Daten selbsttätig runter.

Glücklicherweise war Matthias im Lande. Der ist eigentlich studierter Meeresgeologe, arbeitet aber jetzt für das Fernsehen und dreht und schneidet Filme von allen möglichen Ereignissen in der Welt. Wenn der FC Bayern in Katar ist oder irgendwo eine Fußball- oder Handball Weltmeisterschaft oder etwas Ähnliches ist, dann wissen Wanda und ➱Carlo, dass sie Papa jetzt längere Zeit nicht sehen. Für den Matthias ist das Anschließen einer Easybox anstelle meiner alten Arcor DSL Starterbox ein Klacks. Also kam er vorgestern, als ich kein Telephon und kein Internet mehr hatte, freundlicherweise vorbei, wie wir das verabredet hatten.

Wir stöpselten den weißen Zauberkasten korrekt ein, und nach einer kurzen Phase blinkte alles, was blinken sollte. Aber das Teil saugte natürlich keinerlei Daten runter. Wie das fleischfressende Monster in ➱Little Shop of Horrors sagte es: Feed me! Es wollte mit einem Modem Installations Code (MIC) gefüttert werden. Haben wir getan. Alle mir zugeschickten Passwörter und Kennwörter hatte ich gut leserlich auf dem Schreibtisch liegen. Matthias war überrascht, dass wir schon im Internet waren. Das hatte ich schon eine Minute vorher gemerkt, weil man im Dock sehen konnte, dass die ersten E-Mails eingetrudelt waren. Ich sagte ihm, dass das wahrscheinlich daran läge, weil ich schon nach dem Frühstück in den internetmäßig toten Computer den neuen Account Namen und das neue Kennwort bei der Systemeinstellung Netzwerk des Mac eingegeben hatte.

Aber da war noch diese eine Vodafone Seite, die ausgefüllt werden wollte. Mit dem Kennwort. Wir tippten das zugeschickte Kennwort ein. Fehlermeldung. Wir probierten alle übersandten Kennwörter. Zehn Minuten Fehlermeldungen. An dieser Stelle würde das HB-Männchen an die Decke gehen. Ich rief die Vodafone Hotline an. Fünf Minuten diese fiese Musik, die einen beruhigen soll, aber einen garantiert noch nervöser macht. Dann aufgelegt. Nächster Versuch. Diesmal bekamen wir eine nett klingende junge Frau, sie sind ja immer so nett. Matthias schilderte ihr das Problem. Sie hatte sofort eine Lösung, wir sollten in die erste Spalte root und in die nächste Spalte 123456 eintippen. Wir bedankten uns. Beide. Und Matthias tippte die neuen Kennwörter ein. Fehlermeldung. Ich überlegte, ob jetzt der Moment sei, um beruhigende Musik einzulegen. Also zum Beispiel den Gesang der ➱Buckelwale.

Die mitgelieferte Bedienungsanleitung war eigentlich durchaus verständlich. Da stand kein Fachchinesisch wie bei der Telekom: An Ihrem Speedport W 502V sind eine individuelle SSID und die Verschlüsselung WPA/WPA2 mit Preshared Key voreingestellt. Die Daten finden Sie auf dem Typenschild auf der Unterseite des Gerätes (SSID und Pre-Shared Key (PSK)). Alles klar. Was uns fehlte, war das ominöse Kennwort. Diese Anleitung zur Installation hört da auf, wo es interessant wird. Wir beschlossen die Seite einfach nicht auszufüllen, Internet und E-Mail funktionierten ja. Matthias wollte noch das WLAN abschalten und suchte an der Easybox nach dem Schalter. Und las dann auf dem kleinen Typenschild auf der Rückseite der Easybox ein Kennwort. Tipp das mal ein, sagte er. Ich tippte. Es war das Zauberwort: Sesam Öffne Dich. Warum kann die Firma das nicht klar und deutlich sagen? Warum erzählen sie einem nicht, dass das hier gebrauchte Kennwort nicht das übersandte Kennwort ist?

Bei meinen E-Mails liegt seit Wochen eine Mail, die Ihre Meinung ist uns wichtig betitelt ist: Lieber Vodafone-Kunde, wir von Vodafone sind staendig bemueht, die Wuensche und Beduerfnisse unserer Kunden zu erfuellen. Damit uns dies auch zukuenftig gelingt, moechten wir gerne wissen, ob Sie mit Ihrem letzten Kontakt mit Vodafone zufrieden sind. Wir wuerden uns freuen, wenn Sie uns ueber den nachfolgenden, kostenlosen Link Ihre Meinung mitteilen. Was soll ich da bloß schreiben?

Bei YouTube gibt es übrigens ein ➱Video zu Installation der Easybox 804, da ist alles richtig. Auch die Sache mit dem Kennwort. Geht doch. Natürlich nicht, wenn man gerade kein Internet hat.

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