Samstag, 20. August 2022

Die Liebe vom Zigeuner stammt


Die Oper Carmen gab es gestern bei mir vor der Tür. Der Blücherplatz war schon um sieben Uhr voll. Angenehme Temperaturen, nicht das Gewitter von vor vier Tagen. Es ist nicht das erste Mal, dass auf dem Platz eine Oper gespielt wird, Daniel Karasek ist da sehr rührig. Bevor die Oper um acht begann (sie wurde von der Aufführung auf dem Rathausmarkt hierher gestreamt), gab es für das Publkum eine kleine Einführung. Diese Hilfestellung, die wir geben, ist sehr sinnvoll, sagte Karasek. Und er sagt über die Oper, die von Liebe, Träumen, Eifersucht und Leidenschaft handelt: Sie muss tragisch und ein wenig schmutzig am Ende sein, sie muss kratzen. Die Oper ist ein Bereich, der uns konfrontiert mit den Sehnsüchten, die wir sonst nicht leben. Da ist natürlich die Musik der Träger schlechthin für diese unerfüllten Dinge, die wir in uns tragen. Nach der Vorstellung konnten die Zuschauer, wenn sie rechtzeitig zuhause waren, im ZDF noch die Carmen aus Verona sehen.

Bizets Oper ist nicht meine Lieblingsoper, ich mag sie eigentlich gar nicht. Ich habe zwar alles über die Oper gelesen, und ich lasse meine schöne Buchhändlerin unter der Dusche L'amour est un oiseau rebelle Que nul ne peut apprivoiser singen, aber damit hört es auch schon auf. Ich lasse meine schöne Buchhändlerin das natürlich auf französisch singen, nicht dieses deutsche Die Liebe vom Zigeuner stammt. Das geht nun gar nicht. Ich habe die Oper 1964 im Opernhaus Hannover gesehen. Das Erlebnis steht in dem Post NikolaustagIch erwähne die Oper nur, weil da eine Zigarettenfabrik drin vorkommt, die der berühmte Wilfried Minks (von Bremen nach Hannover ausgeliehen) Anfang der sechziger Jahre in Hannover so schön auf die Bühne gezaubert hatte. Und der Regisseur hatte den Einfall, Carmen auf der Bühne rauchen zu lassen. Und sie dann so wahnsinnig cool die Ziggi wegschnippen zu lassen, bevor sie L'amour est un oiseau rebelle singt. Der Effekt wurde aber bei der Premiere noch übertroffen. Ein junger, schlaksiger Verehrer der Sängerin der Carmen wanderte den linken Gang entlang bis zur Bühne und warf der Sängerin eine langstielige rote Rose vor die Füße, als sie mit der Habanera fertig war. Danach verließ er den Zuschauerraum. Die Krönung des Ganzen war, dass er eine rote Lederjacke trug. Wo um alles in der Welt kriegt man Anfang der sechziger Jahre eine quietscherote Lederjacke her? Roter als jeder Nikolausmantel. Ich war die ganze Aufführung lang neidisch. Auf die rote Lederjacke und auf diesen Kerl, der die Sängerin kannte.

Ich habe hier eine sehr gute Zusammenfassung und noch eine Visualisierung der Handlung für Sie. Die Habanera darf nicht fehlen, es gibt sie hier einmal von der Callas und einmal von Anna Caterina Antonacci, die etwas weniger bekleidet ist als die Callas. Das Stück ist ja zu Tode genudelt worden. André Rieu hat es nicht ausgelassen, der Jazzmusiker Rolf Kühn, der zwanzig Jahre mit Judy Winter verheiratet war, hat es auch gespielt. Wenn Ihnen das alles zuviel ist, habe ich hier noch eine Version ohne Ton. Den Ernst Lubitsch Film Gipsy Blood von 1918 habe ich auch für Sie. Und den Softporno Die nackte Carmen aus dem Jahre 1984 kann ich auch noch anbieten. Das ist nun aber genug.

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