Sonntag, 18. September 2011

Christian VIII.


Als das Linienschiff, das seinen Namen trägt, in die Luft fliegt, da ist der dänische König Christian VIII. schon ein Jahr tot. Dieses ganze Unternehmen, in der Eckernförder Bucht landen zu wollen, war ja auch ein klein wenig amateurhaft. Die großen Schiffe, die Christian VIII. und die Gefion konnten in der Enge der Bucht nicht manövrieren und waren dem preußischen Artilleriefeuer ausgesetzt. Wenn auch ein gewisser Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha an dem Tag zum deutschen Nationalhelden wird, ist der eigentliche Held ein Artillerieleutnant namens Werner Siemens, der die preußischen Artilleriestellungen angelegt hat. Er wird später noch berühmt und wird eines Tages Werner von Siemens heißen. Wir sind da in einem etwas seltsamen Krieg, den Christian VIII. vermeiden wollte. Wer hier weshalb gegen wen steht, weiß keiner so genau, das Ganze heißt die Schleswig-Holsteinische Frage. Lord Palmerston soll gesagt haben: Only three people...have ever really understood the Schleswig-Holstein business—the Prince Consort, who is dead—a German professor, who has gone mad—and I, who have forgotten all about it. Und dabei wollen wir es auch mal belassen.

Wir lassen Christian VIII., der heute im Jahre 1786 geboren wurde, auch mal im dunklen Keller der Geschichte. Ich möchte aber seinen schönen Satz zitieren, der in dem Wikipedia Artikel zu Christian VIII. steht: Arm und elend sind wir sowieso. Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein. Soll er gesagt haben, als 1814 das Königreich nach dem verlorenen Kleinkrieg gegen England daniederlag. Muss ich den Grafen Schimmelmann als Vorbild für alle Finanzminister noch einmal erwähnen? Staatspleite, nicht in Griechenland, sondern im kleinen Dänemark, something is rotten in the state of Denmark. Und in dieser Situation will der König den Bildungsetat erhöhen.

Die Sache mit dem schönen Zitat hat nur einen Haken: im Jahre 1814 ist Christian VIII. gar nicht der König von Dänemark. Da hilft es auch nicht, wenn im Internet einer vom anderen abschreibt und ihm diesen Satz zuschreibt, Christian wird erst 1839 dänischer König. Da sind die englische Invasion, die Bombardierung Kopenhagens und die Staatspleite schon Geschichte. Also bleibt uns nur der König Frederik VI., und wenn irgendjemand diesen schönen Satz gesagt hat, dann war er das. 1809 hatte es unter seiner Herrschaft schon eine Reform der Gelehrtenschulen gegeben. Die hatten sich in Dänemark seit dem Mittelalter in ihrem Lehrplan nicht geändert und waren nur für die Ausbildung der Geistlichen da. Jetzt werden aus ihnen humanistische Beamtenschulen, die natürlich die antike Kultur auf dem Lehrplan haben. Weil sie die wahre Humanität fördern sollen. Aber gleichzeitig stehen auch schon Naturwissenschaften und in kleinem Maße neuere Fremdsprachen im Programm. Und fünf Jahre später, da ist Frederik gerade vom Wiener Kongress zurück (wo seine undiplomatische Sturheit Dänemark davor bewahrt hat, zerstückelt zu werden), da gibt es in Dänemark eine Reform des ganzen Schulwesens. Im Jahre 1814 wird in Dänemark per Gesetz die allgemeine Schulpflicht vom 7. Lebensjahr bis zur Konfirmation eingeführt. Der Besuch der Schule kostet nichts, das wird nun nach dem Willen des Königs aus Steuermitteln finanziert. Arm und elend sind wir sowieso. Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein.

Es ist vielleicht die letzte aus dem Geist der Aufklärung geborene liberale Maßnahme von Frederik. Nach dem Wiener Kongress wird er zunehmend konservativ. Dabei hatte er anders begonnen, als liberaler Regent während sein geisteskranker Vater regierungsunfähig war. Er war vier Jahre alt, als man Struensee hinrichtete, jenen Mann, der aus Dänemark ein Musterland der Aufklärung gemacht hatte. Vielleicht war er sogar dafür dankbar, dass der Dr. Struensee, gerade zum Grafen ernannt, aus seinem Leben verschwand. Denn die ersten Jahre seines Lebens mussten bizarr gewesen sein. Johann Friedrich Struensee, der nicht nur Dänemark regierte, hatte auch die Erziehung von Frederik übernommen. Nach dem Geiste der Schriften von Rousseau, respektive seines Émile. Dieses Buch eines Autors, der seine Kinder im Findelhaus abgab, gilt ja manchen als eine Bibel der Pädagogik. Unglücklicherweise liest der Dr. Struensee aus dem Émile Dinge heraus, die bei Rousseau wohl nicht drin stehen. Das Erstaunliche ist immer wieder, dass Kinder solchen pädagogischen Unsinn überstehen. Schlechte Lehrer sind auch eine gute Schule.

Es steckt eine Menge Vernunft in jenem Satz, der angeblich von Christian VIII. ist. Es ist ein Satz, der in einer Krisensituation ausgesprochen wird. Da wir zur Zeit beides haben (also, die Dänen mal ausgenommen, die haben keinen Euro und stehen in der letzten OECD Erhebung bildungsmäßig vor uns), Finanzkrise und Bildungskrise, schreibe ich ihn noch ganz fett hier hin. Vielleicht liest ja mal jemand, den es angeht, den Satz Arm und elend sind wir sowieso. Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein. 

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