Montag, 27. Februar 2012

Friedrich Hecker


Am 27. Februar 1848 begann in Baden die deutsche Revolution. Wir alle wissen, dass sie nicht erfolgreich war. Einer der volkstümlichsten Revolutionsführer war Friedrich Hecker, auf den sogar ein Lied gedichtet wurde, das Heckerlied. Zeitgenössische Abbildungen zeigen ihn in einem Outfit, das aus dem Fundus einer Oper stammen könnte. Immer trägt er seinen Heckerhut. Den gibt es heute noch, er wird von der SPD in Konstanz an Menschen verliehen, die sich um die soziale Demokratie verdient gemacht haben. Hecker hat diese Kopfbedeckung übrigens nicht erfunden. Sie kommt aus Italien, wie beinahe alle Mode, die nicht aus England kommt. Dort heißt er natürlich nicht Heckerhut, sondern Kalabreser.

Der Rest von Heckers Revolutionsverkleidung, der Heckerkluft, ist etwas, was man damals altdeutsch nennt. Altdeutsch ist damals modern. Es erschließt sich wohl nicht auf den ersten Blick, weshalb im Zeitalter der Eisenbahn die Kleidung von Albrecht Dürer modern sein soll, aber es hat seinen Grund. Und der liegt in den Freiheitskriegen, als man dem französischen Geist und der welschen Mode etwas entgegensetzen wollte, selbst wenn man von Napoleon Truppen überrollt worden war. Da tat es die Werthertracht nicht mehr, deren Farben blau und gelb ja auch häufig als ein politisches Bekenntnis zu den Whigs gesehen wurde. Da musste jetzt etwas wirklich deutsches her. Wie das, was der junge Hoffmann von Fallersleben hier auf dem Bild trägt. Und so wurde die ➱Altdeutsche Tracht zur Kleidung des inneren Widerstandes. Die Obrigkeit verstand das Zeichen durchaus, die Tracht wurde an vielen Universitäten verboten. Da man 1848 modisch auf die Revolution noch nicht so ganz vorbereitet war - wahrscheinlich gilt auch hier Lenins Satz Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte! - rekurrierte man auf die gute alte Altdeutsche Tracht. Auf jeden Fall Friedrich Hecker. Oder die politischen Karikaturisten.

In Frankreich sieht das natürlich ganz anders aus, wie uns Delacroix beweist. Da ist die Freiheit oben ohne. So etwas haben wir nicht. Obgleich Frauen auch etwas mit der Revolution zu tun haben, der Unmut über die spanische Tänzerin Lola Montez führt in Bayern zur Revolution. Aber das ist - wie Rudyard Kipling sagen würde - eine andere Geschichte. Und für all diejenigen, die nicht aus Baden sind (die natürlich das Heckerlied singen können), oder die, die es zuletzt auf einem Hannes Wader Konzert 1968 gehört haben, stelle ich den Text doch mal eben hier hin.

Wenn die Leute fragen,
Lebt der Hecker noch?
Könnt ihr ihnen sagen:
Ja, er lebet noch.

Fürstenblut muß fließen
Knüppelhageldick,
Und daraus ersprießen
Die freie Republik.
Ja, dreiunddreißig Jahre
Währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden
Von der Reaktion!

Schmiert die Guillotine
Mit Tyrannenfett!
Schmeißt die Konkubine
Aus des Fürsten Bett!
Ja, dreiunddreißig Jahre
Währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden
Von der Reaktion!

Und dann folgt der schöne Refrain: Er hängt an keinem Baume, Er hängt an keinem Strick. Er hängt nur an dem Traume Der deutschen Republik.

Der Mann, der die schönen Sätze sagte Ich will die Freiheit für alle, gleichviel in welcher Staatsform sie zu erreichen ist. Aber keine Freiheit nur für die Privilegierten oder für die Reichen; ich bin, wenn ich es mit einem Wort benennen soll, Sozialdemokrat, ist nach Amerika emigriert. Im amerikanischen Bürgerkrieg war er wieder dabei und kämpfte in der Armee der Nordstaaten. Im Gegensatz zu den badischen Revolutionären Carl Schurz und Franz Sigel hat er es aber nicht bis zum General gebracht, sein letzter Dienstgrad war der eines Oberstleutnants.

Seine militärischen Verdienste sind etwas umstritten. Die von ➱Franz Sigel (und der vielen political generals) sind auch nicht toll. Aber Hecker hat für die Demokratie in seiner neuen Heimat gekämpft. In der für die deutschen Truppen katastrophalen Schlacht von ➱Chancellorsville wird er verwundet, aber am letzten Tag der Schlacht von ➱Gettysburg ist er wieder bei seinem Regiment. Und wittert sofort überall Intrigen, die angeblich gegen ihn während seiner Abwesenheit gesponnen wurden. Einer seiner Untergebenen schreibt, dass ihn wieder seine Intrigenwuth befallen habe. Die Intrigenwuth befällt in dieser Zeit nicht nur Hecker, viele Offiziere sind von dieser Krankheit befallen. Bei Hecker ist das Ganze nur etwas pathologisch, resultiert wahrscheinlich aus der Enttäuschung, dass er, der geborene Anführer, nicht zum Brigadegeneral gemacht wird. Am 12. Februar 1864 reicht er sein Entlassungsgesuch ein, er gibt gesundheitliche Gründe an. In Wirklichkeit will er zurück auf seine Farm.

Sie haben richtig gelesen, der studierte Jurist ist in Amerika Farmer geworden. Und er baut Wein an, wenn man aus Baden kommt, dann macht man das. Das mag jetzt wie eine liebenswerte Marotte erscheinen, aber es ist mehr, es ist schon richtige Wissenschaft. Denn Hecker steht in ständiger brieflicher Verbindung mit dem Professor ➱Adolph Blankenhorn in Freiburg, der an der Züchtung von reblausresistenten Weinreben arbeitet. Und als die ganz Europa befallende Reblausepidemie auch den badischen Weinbau bedroht, wodurch wird der badische Wein gerettet? Sie ahnen es: durch die reblausresistenten Hybridreben von Friedrich Hecker aus Amerika. Einen Heckerwein kann man noch heute kaufen. Wenn Sie irgendwann einmal eine Flasche badischen Weins aufmachen, dann denken Sie einmal an unseren deutschen Revolutionär aus Baden, dem wir das Heckerlied, den Heckerhut und den Heckerwein verdanken. Und vielleicht auch ein wenig sozialdemokratische Demokratie.

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