Dienstag, 23. April 2013
Nick Drake
Als ich das Gedicht ➱Falklands, 1982 am Tag der Beerdigung von Margaret Thatcher aus den Collected Poems von ➱P.J. Kavanagh abtippte, musste ich an den Beginn dieses völlig überflüssigen Krieges denken. An die Inseln weit weg von England, 1.800 Einwohner, 400.000 Schafe. Teile der britischen ➱Presse drehten damals völlig durch. Wie die Sun mit ihrer berühmt und berüchtigt gewordenen Schlagzeile Gotcha. Aber es wurden auch andere Stimmen zitiert, die von coolness und indifference sprachen: It is wonderful with what coolness and indifference the greater part of mankind see war commenced. Those that hear of it at a distance, or read of it in books, but have never presented its evils to their minds, consider it as little more than a splendid game. Man musste allerdings bei diesem Zitat erklären, dass es schon über zweihundert Jahre alt war. Es findet sich in Dr Samuel Johnsons ➱Thoughts on the late Transactions Respecting the Falkland Islands aus dem Jahre 1770.
Ich verbinde mit dem Krieg immer den melancholischen englischen Sänger ➱Nick Drake. Ich war mit Freunden im Skiurlaub, obgleich ich so etwas eigentlich hasse. In der Pension war ich vom ersten Tag an unbeliebt. Die Wirtin hatte in der Nacht zur Begrüßung der Gäste die Geschichte von einem holländischen Ehepaar erzählt, die auch in der Nacht angekommen seien. Und als die Ehefrau am nächsten Morgen die Fenster öffnete und sich von Bergen umgeben sah, hätte sie sich so erschrocken, dass sie mittags wieder abgereist seien. Vielleicht war es nicht sehr diplomatisch, dass ich in diesem Augenblick laut mein volles Verständnis für die Holländer äußerte. Ich stehe noch immer zu dem Satz. ➱John Donne bezeichnete Berge als warts and pock-holes in the face of the earth, der gedankliche Sprung von Mountain Gloom zu Mountain Glory (um ➱Marjorie Hope Nicolsons Buch zu zitieren) hat bei mir nie stattgefunden.
Und während der Rest der Gruppe auf ihren am Vorabend frisch gewachsten Brettern die Berge herunterglitten, streifte ich durch die Bergwelt. Irgendwann hatte ich Halt gemacht, was ich aus dem Autoradio hörte, faszinierte mich. Ich stand auf einem kleinen Parkplatz neben einer Gebirgsstraße, hatte den Motor abgestellt und hörte gebannt zu. Es war ein Schweizer Sender, den mir ein Freund empfohlen hatte. Der sendete beinahe den ganzen Tag Jazz. Aber dies war kein Jazz, dies war ein Sänger, von dem ich noch nie gehört hatte. Es war ein junger Engländer, er war offensichtlich schon einige Jahre tot. Den Falkland Krieg, der jenseits der schneebedeckten Berge, weit am anderen Ende der Welt, gerade begonnen hatte, hat er nicht mehr erlebt. Der Krieg interessierte hier in Tirol niemanden. Dass der Harti Weirather aus Reutte Skiweltmeister geworden war, das interessierte hier jeden.
Ich verzichtete an diesem Morgen, auf irgendeinen Berg zu kraxeln und hörte mir das ganze ➱Nick Drake Programm an. Umgeben von einer Postkartenlandschaft, einer Touristenwerbung für Tirol. Die interessierte mich eh nicht, ich habe es in den letzten Jahren wohl schon mehrfach deutlich gemacht, dass die ➱Alpen nichts für mich sind. Und wenn ich irgendetwas aus dem Urlaub mitgenommen habe - außer dem Beginn des Falkland Kriegs - dann war das dieser kleine Parkplatz, die Gebirgsstraße vor mir, das Tal unter mir. Und überall Schnee. Und Nick Drake im Autoradio. Hans Castorp hat in Der Zauberberg andere Gebirgs- und Schneeerlebnisse als ich, meins war Nick Drake. Als ich der Bergwelt entkommen war, kaufte ich alle seine Platten. Ich habe sie immer noch. Es ist eine seltsame, faszinierende Musik.
Man kann sie nicht immer hören. Man kann ➱Johnny Cash immer hören, aber nicht Nick Drake. Das zieht einen runter. Wie die Alpen. Nick Drake hat zu seinen Lebzeiten leider keinen großen Erfolg gehabt. Seinen größten Erfolg hatte er ironischerweise lange nach seinem Tod, als Volkswagen seinen Song Pink Moon für ein ➱Commercial für das Golf Cabrio verwendete. Das wurde schnell zum Commercial of the Decade, und von Pink Moon wurden in kürzester Zeit mehr CDs verkauft als zu Lebzeiten von Nick Drake.
Ich könnte ja nun als Gedicht des Tages einen Text von Nick Drake nehmen. Das frühe ➱Old Black Mountain, wo er wie ein schwarzer Bluessänger aus dem Delta singt oder Voice from the mountain. Aber dann dachte ich mir, wenn ich schon mit den Alpen angefangen habe, will ich auch mit ihnen aufhören. Ich hätte ja ➱Albert von Hallers Die Alpen nehmen können, aber die kamen hier schon einmal vor. So zaubere ich mal einen englischen Dichter der Romantik aus dem Hut, den heute kaum noch jemand kennt.
Er heißt Samuel Rogers (hier eine Zeichnung von ➱Thomas Lawrence), war zu seinen Lebzeiten sehr berühmt. War mit vielen Dichtern (und auch Malern) befreundet. Hat manche durchgefüttert, weil er steinreich war. Er hat alle anderen Dichter der Romantik überlebt. Als Wordsworth starb, hat man ihm den Posten des poet laureate angeboten. Er hat abgelehnt und der Königin empfohlen, Tennyson zu nehmen. Ein dichtender Bankier, davon gibt es in der Geschichte der Literatur nicht so viele. In der dichterischen Verarbeitung seiner Italienreise, ➱Italy: A Poem (die von ➱Turner ➱illustriert wurde), findet sich natürlich auch ein Gedicht, das The Alps heißt:
Who first beholds those everlasting clouds,
Seed-time and harvest, morning, noon and night,
Still where they were, steadfast, immovable;
Those mighty hills, so shadowy, so sublime,
As rather to belong to Heaven than Earth--
But instantly receives into his soul
A sense, a feeling that he loses not,
A something that informs him 'tis an hour,
Whence he may date henceforth and for ever?
To me they seemed the barriers of a World,
Saying, Thus far, no further! and as o'er
The level plain I travelled silently,
Nearing them more and more, day after day,
My wandering thoughts my only company,
And they before me still -- oft as I looked,
A strange delight was mine, mingled with fear,
A wonder as at things I had not heard of!
And still and still I felt as if I gazed
For the first time! -- Great was the tumult there,
Deafening the din, when in barbaric pomp
The Carthaginian on his march to Rome
Entered their fastnesses. Trampling the snows,
The war-horse reared; and the towered elephant
Upturned his trunk into the murky sky,
Then tumbled headlong, swallowed up and lost,
He and his rider. -- Now the scene is changed;
And o'er the Simplon, o'er the Splungen winds
A path of pleasure. Like a silver zone
Flung about carelessly, it shines afar,
Catching the eye in many a broken link,
In many a turn and traverse as it glides;
And oft above and oft below appears,
Seen o'er the wall by him who journeys up,
As if it were another, through the wild
Leading along he knows not whence or whither.
Yet through its fairy course, go where it will,
The torrent stops it not, the rugged rock
Opens and lets it in; and on it runs,
Winning its easy way from clime to clime
Through glens locked up before.
Not such my path!
Mine but for those, who, like Jean Jacques, delight
In dizziness, gazing and shuddering on
Till fascination comes and the brain turns!
Mine, though I judge but from my ague-fits
Over the Drance, just where the Abbot fell,
The same as Hannibal's.
But now 'tis past,
That turbulent Chaos; and the promised land
Lies at my feet in all its loveliness!
To him who starts up from a terrible dream,
And lo the sun is shining, and the lark
Singing aloud for joy, to him is not
Such sudden ravishment as now I feel
At the first glimpses of fair Italy.
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