Ich hatte in dem Post ➱Tränenregen versprochen, dass da noch mehr zu Schuberts Schöner Müllerin kommt. Ich hätte das heute natürlich auch Vorbemerkungen nennen können, aber mir gefiel dieses schöne Wort Prolegomena so gut. Manche Wörter verschwinden ja aus dem Sprachgebrauch, nur weil sie nicht häufig genug gebraucht werden. Für meine Prolegomena springen wir einmal ein halbes Jahrhundert zurück, in die Zeit der Adenauer Republik, die Zeit des Wirtschaftswunders. Als das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte, aber Radio für die Bildung noch eine große Rolle spielte. Und man sehr viel klassische Musik im Radio hören konnte. Dafür hat man heute sogenannte Spartensender, die Klassik Radio oder ähnlich heißen. Damals gab es noch so schöne Sendungen, die Herr Sanders öffnet seinen Schallplattenschrank hießen, und Karl-Heinz Wocker tat beim NWDR und später beim WDR viel für die musikalische Bildung. Und den Chefdirigenten des NDR Symphonieorchesters Hans Schmidt-Isserstedt kannte jeder im Norden.
Damals hatte man noch Musiktruhen, ein Möbel, das heute nicht mehr so verbreitet ist, das aber in der Wirtschaftswunderzeit in beinahe jedem Haushalt war. Truhen bergen bekanntlich Schätze, und sicher war die Musik ein Schatz, den es zu entdecken galt. Unsere Musiktruhe zuhause hatte nicht nur einen Plattenspieler, sondern einen Plattenwechsler. Bei diesem Wort wenden sich HiFi- und High End Freaks heute mit Schaudern ab. Dann war da noch das Grundig Radio mit dem magischen Auge. Das grüne Licht diente zur Feineinstellung für die Sender. Das war sozusagen state of the art. Heute lächelt man darüber.
Heute kann man sich mit einem Klick bei Amazon beinahe alle Aufnahmen der Schönen Müllerin kaufen - nur die von ➱Hans Peter Blochwitz nicht. In den fünfziger Jahren gab es natürlich noch keine Personal Computer und kein Amazon oder jpc, aber es gab noch richtige Fachgeschäfte mit fachkundigen Verkäufern. Und schalldichte Hörkabinen zum Probehören, der Kauf einer Langspielplatte wollte sorgfältig überlegt sein. Viele Verkäufer kannten den Bielefelder Katalog auswendig (gut, das ist jetzt etwas übertrieben), man folgte als Kunde in der Zeit der geschmacksunsicheren Adenauer Republik gerne ihren Vorschlägen. Im Zweifelsfall kaufte man die Aufnahmen der Deutschen Grammophon oder orientierte sich an Christoph Eckes Ewiger Vorrat klassischer Musik auf Langspielplatten (in drei Bänden bei Rowohlt erschienen). Wo damals Petre Munteanu (mit Franz Holetschek), Ernst Haefliger (mit Yvonne Jacqueline Bonneau) und Peter Pears (mit ➱Benjamin Britten) empfohlen wurden. Die Musiklehrer der Schule spielten (auf jeden Fall für mich. Ich habe meine Musiklehrer in dem Post ➱Die Harmonie der Welt sicherlich nicht unfair beschrieben) bei der Geschmacksbildung in der klassischen Musik so gut wie keine Rolle. Das ist eigentlich eine erstaunliche Sache. Es war auch nicht daran zu denken, dass Schuberts Liederzyklen im Unterricht behandelt wurden. Was wieder einmal Senecas Satz Non vitae, sed scholae discimus bestätigte.
Es gab damals noch nicht so viele Aufnahmen der Schönen Müllerin auf dem Markt. Vielleicht ist ein Blick auf die Statistik auf der Seite von ➱Huib Spoorenberg ganz aufschlussreich, aus der man die ständig wachsenden Zahlen der Aufnahmen ablesen kann:
1950-1959: 16
1960-1969: 11
1970-1979: 25
1980-1989: 29
1990-1999: 56
2000-2009: 56
In dem Jahrzehnt von 2000 bis 2009 gibt es also mehr Aufnahmen von der Schönen Müllerin als in den dreißig Jahren von 1950 bis 1980. Das ist eine erstaunliche Entwicklung! Ist uns der Liedzyklus plötzlich so ans Herz gewachsen?
Kaum hatte ich meinen ersten eigenen Plattenspieler (dem habe ich schon in dem Post ➱Schneewittchensarg ein kleines Denkmal gesetzt), da besaß ich Aufnahmen von Der Winterreise und der Schönen Müllerin. Natürlich beide von Fischer-Dieskau mit Gerald Moore am Klavier. Dies waren die fünfziger Jahre, da hörte man nichts anderes. Auch wenn bei mir manchmal ein etwas ironischer Ton mitschwingt, wenn ich ➱Fischer-Dieskau erwähne, er hat meinen großen Respekt. Ich besitze auch viel von ihm, auch diesen dicken Packen Salzburger Liederabende von Orfeo d'Or. Dass ich seine Othmar Schoeck Aufnahmen schätze, habe ich ➱hier schon einmal gesagt. Fischer-Dieskaus Aufnahme von 1961 war bei der EMI erschienen und war in Stereo aufgenommen. Das war schön zu wissen, aber mein Braun Schneewittchensarg war eh nur für Mono gut. Was eine wirklich gute High-End Anlage eines Tages an Klang bieten würde, das konnte damals niemand ahnen. Das gilt jetzt nicht nur für Compact Discs. Auch Schallplatten (die ja irgendwie wieder im Kommen sind) bieten auf einer guten Anlage viel.
Die Platte mit Fritz Wunderlichs Aufnahme von 1957 (das Label hieß Baccarola oder ähnlich, die Platte ist längst entsorgt, wurde zu häufig gespielt) bekam ich von einem Freund geschenkt, der schon früh dem Wunderlich Kult huldigte. Ein Kult, der durch Wunderlichs unzeitigen Tod nur noch mehr Anhänger gewann. Denen man allerdings niemals mit Liedern wie Es steht ein Soldat am Wolgastrand oder Tiritomba kommen durfte, die Wunderlich (offensichtlich mit großem Genuss) auch im Repertoire hatte. In den letzten Jahren ist der Wunderlich Mythos auch aus kommerziellen Interessen weiter geschürt worden. Die Deutsche Grammophon, Haenssler und Orfeo d'or finden immer noch eine vergessene Aufnahme. Nicht alles, was noch auf den Bändern war, hätte man auf CD pressen müssen. Aber sei's drum, die beiden Aufnahmen der Schönen Müllerin von ihm kommen immer auf meine Bestenliste. Es gibt im Netz eine sehr interessante Wunderlich ➱Seite mit mehreren englischen Rezensionen der Aufnahme von 1957 (die ja nicht unter idealen Bedingungen entstanden ist), die einen leicht bewegen können, die erste Aufnahme zu kaufen. Zumal die Sony CD keine fünf Euro kostet.
Ich bekam dann irgendwann in den frühen sechziger Jahren von Verwandten eine Aufnahme von ➱Rudolf Schock geschenkt (bei der Electrola erschienen, mit Gerald Moore am Klavier), die mich aber nicht begeisterte, weil ich eine Antipathie gegen ihn hatte. Jedermann mochte damals Rudolf Schock, ich wollte nicht jedermann sein. Ich habe etwas gebraucht, um die Qualitäten dieses deutschen Tenors zu erkennen, ich hoffe, ich habe das inzwischen in dem Post ➱Rudolf Schock deutlich gemacht. Dass dieser Post von tausenden von Lesern angeklickt wurde, zeigt, dass Rudolf Schock heute immer noch seine Verehrer hat. Ich habe die Platte gerade noch einmal auf meinen alten Rotel RP 855 aufgelegt. Dafür dass sie vor einem halben Jahrhundert aufgenommen wurde (immerhin schon in Stereo), sind Klang und Aussteuerung hervorragend. Man kann diese Müllerin durchaus hören, aber man merkt auch, dassdies nicht wirklich seine Sache ist. Hier ist ein Opern- und Operettensänger, der viel zu viel Stimme für den romantischen liebeskranken Müllerburschen hat. Vielleicht haben das die Hörer damals anders empfunden, zu diesem Punkt hätte ich ➱hier (in dem hervorragenden holländischen Rudolf Schock Blog) eine Seite mit Publikumsreaktionen. Dennoch ist es eine respektable Aufnahme. Man hat das Gefühl, als wolle Schock der Welt von Schmalz, Schnulze, Film und Operette entkommen und zeigen, dass er auch ein seriöser Liedsänger kein kann. Sie können ➱hier eine Probe davon hören.
Ich hätte jetzt beinahe eine Aufnahme vergessen. Doch ein Blick ins Schallplattenregal belehrte mich, dass ich doch noch eine LP aus den sechziger Jahren besitze. Ich habe die Platte damals gut weggepackt und nicht so häufig gespielt. Damit sie sich nicht abnutzt. Denn eigentlich ist sie ein Juwel. Sieht nach nichts aus. Sastruphon (eine Unterabteilung von Da Camera), das klingt nach Billiglabel. Sieht auch so aus, quietschegelb, grauenhaftes Design. Was das Bild von Goya mit der deutschen Romantik zu tun hat, weiß ich bis heute nicht. Stereo - auch Mono abspielbar steht auf dem Cover. Man glaubt es nicht, das ist wirklich wahr, der Klang ist erstklassig.
Die Interpreten - der Tenor Werner Krenn und der Pianist Rudolf Buchbinder - sind es auch. Sie sind beide noch sehr jung, Buchbinder ist einundzwanzig, Krenn vierundzwanzig (mit neunzehn hatte er die Müllerin angeblich schon einmal für das deutsche Fernsehen aufgenommen). Was ist das nur für eine schöne Stimme! Kein Wunder, dass er für einen kurzen Augenblick als Nachfolger Fritz Wunderlichs gehandelt wurde. Aus der Hand seines Idols hatte Krenn 1966 beim Internationalen Opernwettbewerb im Wiener Konzerthaus den Preis für den Drittplazierten in Empfang nehmen können. Wenig später hat ihn Herbert von Karajan verpflichtet. Der sagte ihm beim Vorsingen: Singen Sie so laut und so leise, wie Sie können! und engagierte ihn nach wenigen Minuten. Im Internet findet sich nicht so viel zu Werner Krenn. Es sei denn, man liest im Blog Silvae den Post ➱La clemenza di Tito. Der englische Musikkritiker Alan Blyth schrieb über Krenns Schöne Müllerin: Werner Krenn's 1967 record is certainly simple, unforced and musical with 6 beautifully sung, the questionings at the end of 12 very eloquent, and 18 touchingly plangent, but 11 is an anaemic affirmation of loving possession and in general the approach is withdrawn to the point of anonymity. Die Engländer, die für Gramophone schreiben, sind ja immer so zurückhaltend. Ein wenig mehr Begeisterung wäre angebracht gewesen. Leider ist die Aufnahme nie von der Schallplatte (die man mit Glück noch finden kann) auf die CD gewandert. Ist natürlich nicht bei YouTube, aber wenn sie wollen, können Sie ➱hier ein Schubert Lied von ihm hören.
Die Platte mit Fritz Wunderlichs Aufnahme von 1957 (das Label hieß Baccarola oder ähnlich, die Platte ist längst entsorgt, wurde zu häufig gespielt) bekam ich von einem Freund geschenkt, der schon früh dem Wunderlich Kult huldigte. Ein Kult, der durch Wunderlichs unzeitigen Tod nur noch mehr Anhänger gewann. Denen man allerdings niemals mit Liedern wie Es steht ein Soldat am Wolgastrand oder Tiritomba kommen durfte, die Wunderlich (offensichtlich mit großem Genuss) auch im Repertoire hatte. In den letzten Jahren ist der Wunderlich Mythos auch aus kommerziellen Interessen weiter geschürt worden. Die Deutsche Grammophon, Haenssler und Orfeo d'or finden immer noch eine vergessene Aufnahme. Nicht alles, was noch auf den Bändern war, hätte man auf CD pressen müssen. Aber sei's drum, die beiden Aufnahmen der Schönen Müllerin von ihm kommen immer auf meine Bestenliste. Es gibt im Netz eine sehr interessante Wunderlich ➱Seite mit mehreren englischen Rezensionen der Aufnahme von 1957 (die ja nicht unter idealen Bedingungen entstanden ist), die einen leicht bewegen können, die erste Aufnahme zu kaufen. Zumal die Sony CD keine fünf Euro kostet.
Ich bekam dann irgendwann in den frühen sechziger Jahren von Verwandten eine Aufnahme von ➱Rudolf Schock geschenkt (bei der Electrola erschienen, mit Gerald Moore am Klavier), die mich aber nicht begeisterte, weil ich eine Antipathie gegen ihn hatte. Jedermann mochte damals Rudolf Schock, ich wollte nicht jedermann sein. Ich habe etwas gebraucht, um die Qualitäten dieses deutschen Tenors zu erkennen, ich hoffe, ich habe das inzwischen in dem Post ➱Rudolf Schock deutlich gemacht. Dass dieser Post von tausenden von Lesern angeklickt wurde, zeigt, dass Rudolf Schock heute immer noch seine Verehrer hat. Ich habe die Platte gerade noch einmal auf meinen alten Rotel RP 855 aufgelegt. Dafür dass sie vor einem halben Jahrhundert aufgenommen wurde (immerhin schon in Stereo), sind Klang und Aussteuerung hervorragend. Man kann diese Müllerin durchaus hören, aber man merkt auch, dassdies nicht wirklich seine Sache ist. Hier ist ein Opern- und Operettensänger, der viel zu viel Stimme für den romantischen liebeskranken Müllerburschen hat. Vielleicht haben das die Hörer damals anders empfunden, zu diesem Punkt hätte ich ➱hier (in dem hervorragenden holländischen Rudolf Schock Blog) eine Seite mit Publikumsreaktionen. Dennoch ist es eine respektable Aufnahme. Man hat das Gefühl, als wolle Schock der Welt von Schmalz, Schnulze, Film und Operette entkommen und zeigen, dass er auch ein seriöser Liedsänger kein kann. Sie können ➱hier eine Probe davon hören.
Ich hätte jetzt beinahe eine Aufnahme vergessen. Doch ein Blick ins Schallplattenregal belehrte mich, dass ich doch noch eine LP aus den sechziger Jahren besitze. Ich habe die Platte damals gut weggepackt und nicht so häufig gespielt. Damit sie sich nicht abnutzt. Denn eigentlich ist sie ein Juwel. Sieht nach nichts aus. Sastruphon (eine Unterabteilung von Da Camera), das klingt nach Billiglabel. Sieht auch so aus, quietschegelb, grauenhaftes Design. Was das Bild von Goya mit der deutschen Romantik zu tun hat, weiß ich bis heute nicht. Stereo - auch Mono abspielbar steht auf dem Cover. Man glaubt es nicht, das ist wirklich wahr, der Klang ist erstklassig.
Die Interpreten - der Tenor Werner Krenn und der Pianist Rudolf Buchbinder - sind es auch. Sie sind beide noch sehr jung, Buchbinder ist einundzwanzig, Krenn vierundzwanzig (mit neunzehn hatte er die Müllerin angeblich schon einmal für das deutsche Fernsehen aufgenommen). Was ist das nur für eine schöne Stimme! Kein Wunder, dass er für einen kurzen Augenblick als Nachfolger Fritz Wunderlichs gehandelt wurde. Aus der Hand seines Idols hatte Krenn 1966 beim Internationalen Opernwettbewerb im Wiener Konzerthaus den Preis für den Drittplazierten in Empfang nehmen können. Wenig später hat ihn Herbert von Karajan verpflichtet. Der sagte ihm beim Vorsingen: Singen Sie so laut und so leise, wie Sie können! und engagierte ihn nach wenigen Minuten. Im Internet findet sich nicht so viel zu Werner Krenn. Es sei denn, man liest im Blog Silvae den Post ➱La clemenza di Tito. Der englische Musikkritiker Alan Blyth schrieb über Krenns Schöne Müllerin: Werner Krenn's 1967 record is certainly simple, unforced and musical with 6 beautifully sung, the questionings at the end of 12 very eloquent, and 18 touchingly plangent, but 11 is an anaemic affirmation of loving possession and in general the approach is withdrawn to the point of anonymity. Die Engländer, die für Gramophone schreiben, sind ja immer so zurückhaltend. Ein wenig mehr Begeisterung wäre angebracht gewesen. Leider ist die Aufnahme nie von der Schallplatte (die man mit Glück noch finden kann) auf die CD gewandert. Ist natürlich nicht bei YouTube, aber wenn sie wollen, können Sie ➱hier ein Schubert Lied von ihm hören.
Dieser Herr ist Österreicher wie Werner Krenn. Er ist aber nicht als Sänger der Schönen Müllerin berühmt geworden. Das ist Viktor Lederer, der jahrelang in unserer Fußballmannschaft mitgespielt hat. Er war kein Anglist wie wir anderen, er sang an der Kieler Oper. Er hatte einen Doktortitel (juris) und den Titel Kammersänger und brachte das gesamte Opernrepertoire mit auf den Platz: Wie konntest Du mich foulen, Du weißt doch, dass ich heute Abend noch den Cavaradossi singen muss! Ich erwähne Viktor aus dem Grunde, weil er vor Jahren auf einer Feier (bei der natürlich die halbe alte Fußballmannschaft zugegen war) ein Lied von Schubert gesungen hat. Er war vom Gastgeber dazu genötigt worden und sang den Lindenbaum aus der Winterreise. A capella. Sein Bariton war schon ein wenig brüchig, wir waren alle nicht mehr jung. Viktor hat in fünfunddreißig Jahren über dreitausend Mal auf der Bühne gestanden, jetzt war er Pensionär wie wir alle. Und dennoch, da war plötzlich diese Magie von Schubert, die einen packte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er in der Nacht die ganze Winterreise singen können, während draußen in der Nacht die Schiffe auf der dunklen Förde vorüberglitten.
Wer soll die Schubertschen Liedzyklen singen? Schubert hat die Müllerin einem Carl Freiherr von Schönstein gewidmet. Der war kein professioneller Sänger, der Tenor-Bariton war ein begabter Amateur. Franz Liszt hat Schönstein 1838 gehört und schrieb: In den Salons hörte ich mit lebhafter Freude und oft bis zu Tränen gerührt einen Kunstliebhaber, den Baron von Schönstein, die Lieder von Schubert vortragen und sprach von der Musik Schuberts, des poetischsten Musikers, der je gelebt hat. Im französischen Original heißt es: Le baron Schönstein les diclame avec la science d'un grand artiste et les chante avec la sensibiliti simple d'un amateur, qui se laisse aller à ses émotions, sans se preoccuper du public. Kann man aus dieser Zueignung Schuberts folgern, dass der Komponist nicht wollte, dass Opernsänger seine Liedzyklen singen? Den ganzen Zyklus wird Schubert nicht aufgeführt gesehen haben, erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind einzelne Aufführungen (alle von Baritonen) belegt. Es ist aber anzunehmen, dass neben dem Widmungsträger Carl von Schönstein Schuberts Freund und Lieblingssänger Johann Michael Vogl Teile der Müllerin zu Lebzeiten Schuberts dargeboten hat.
In dem Booklet zu seiner CD An Dich hab ich gedacht: Hannes Wader singt Schubert sagt Hannes Wader einige interessante Dinge zu Schuberts Liedern: Seine Lieder üben auf mich einen Zauber aus, den ich nicht erklären kann. Und zwar nicht wegen, sondern trotz der herkömmlichen Art, in der die Sänger - so sehr ich ihr Können bewundere - Schuberts Lieder interpretiert haben. Ich meine sogar: Schuberts Lieder sind auf eine ebenfalls unerklärliche und so zauberische Weise unsingbar... Vielleicht, weil die Lieder für den Interpreten voller Fallen stecken. Sie sind musikalisch äußerst anspruchsvoll gebaut. Bei oft opulenter Klavierbegleitung täuschen sie gleichzeitig eine Bescheidenheit in der Melodieführung vor, die den schon erwähnten schlichten, volksliedhaften Ton fordert. Den der Profi gerade aufgrund seiner Ausbildung nicht mehr zur Verfügung hat. Ideal, so könnte ich mir denken, wären Stimmen, wie die der evangelischen Pastoren, die ich in meiner Kindheit in der Kirche habe singen hören. Klar und kräftig, aber nicht groß....
An diesem Gedanken ist etwas daran. Er trifft sich vielleicht mit der sensibiliti simple d'un amateur, qui se laisse aller à ses émotions, von der Liszt sprach. Hannes Wader hat sich seine Gedanken gemacht, die gar nicht so dumm sind. Das geht aber nicht so weit wie Fischer-Dieskau, der neben seiner Tätigkeit als Sänger auch immer Schriftsteller gewesen ist. 1974 veröffentlichte er sein Buch Auf den Spuren der Schubert-Lieder: Werden, Wesen, Wirkung. Das mit dem Wort Wesen im Titel muss wohl sein, wir sind deutsch. Fischer-Dieskau nennt das der Schönen Müllerin gewidmete Kapitel Die Liedernovelle, das ist ein Titel, der mir gefällt.
Hannes Wader, der die Stimmen von Fritz Wunderlich und Joseph Schmidt liebt, hat für seine Schubert Aufnahme sogar ein Jahr lang Unterricht genommen. Aber er wollte keine professionellen Liedsänger nachahmen: Ich habe nur versucht, die Stücke nicht wie Schubert-Lieder zu singen, sondern so wie meine eigenen. Das hört sich leichter an, als es in Wirklichkeit war. Ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um mich vom Vorbild der anerkannten Schubert-Interpreten zu lösen. Es gab ja keine anderen Muster... Die Einfachheit, mit der Wader an die auf unerklärliche und so zauberische Weise unsingbaren Lieder herangeht, ist also eine studierte Einfachheit. Schubert einfach zu singen, geht offensichtlich nicht mehr. Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist, heißt es in Heinrich von Kleists Marionettentheater
Aber das Beispiel von Hannes Wader (hören Sie zum Schluss einmal ➱hier hinein) sollte Mut machen, dass andere Sänger das auch hinbekommen. Noch immer hat er unter den Liedermachern die schönste Stimme – mit leisem Belcanto-Zittern. Ach, wenn er doch auch Schubertlieder sänge. (Bei Freunden, ganz privat, kann es schon mal vorkommen, daß er plötzlich singt „Fremd bin ich eingezogen/ fremd zieh ich wieder aus“), schrieb Elke Heidenreich 1985 in der Zeit. Manchmal wünschte ich, er hätte den ganzen Zyklus gesungen. Gleichgültig, wie man zu Wader steht, wird man aber zugestehen müssen, dass er Schuberts Lieder einem großem Publikum vermittelt hat, die sonst niemals auf die Idee gekommen wären, diese Lieder der deutschen Romantik zu hören. Und die mit der Schönen Müllerin vielleicht nur diesen deutschen Heimatfilm verbanden.
Dies geht irgendwann, wie schon einmal gesagt, mit Die schöne Müllerin (Helle Stimmen) und Die schöne Müllerin (Fremde Zungen) weiter.
Wer soll die Schubertschen Liedzyklen singen? Schubert hat die Müllerin einem Carl Freiherr von Schönstein gewidmet. Der war kein professioneller Sänger, der Tenor-Bariton war ein begabter Amateur. Franz Liszt hat Schönstein 1838 gehört und schrieb: In den Salons hörte ich mit lebhafter Freude und oft bis zu Tränen gerührt einen Kunstliebhaber, den Baron von Schönstein, die Lieder von Schubert vortragen und sprach von der Musik Schuberts, des poetischsten Musikers, der je gelebt hat. Im französischen Original heißt es: Le baron Schönstein les diclame avec la science d'un grand artiste et les chante avec la sensibiliti simple d'un amateur, qui se laisse aller à ses émotions, sans se preoccuper du public. Kann man aus dieser Zueignung Schuberts folgern, dass der Komponist nicht wollte, dass Opernsänger seine Liedzyklen singen? Den ganzen Zyklus wird Schubert nicht aufgeführt gesehen haben, erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind einzelne Aufführungen (alle von Baritonen) belegt. Es ist aber anzunehmen, dass neben dem Widmungsträger Carl von Schönstein Schuberts Freund und Lieblingssänger Johann Michael Vogl Teile der Müllerin zu Lebzeiten Schuberts dargeboten hat.
In dem Booklet zu seiner CD An Dich hab ich gedacht: Hannes Wader singt Schubert sagt Hannes Wader einige interessante Dinge zu Schuberts Liedern: Seine Lieder üben auf mich einen Zauber aus, den ich nicht erklären kann. Und zwar nicht wegen, sondern trotz der herkömmlichen Art, in der die Sänger - so sehr ich ihr Können bewundere - Schuberts Lieder interpretiert haben. Ich meine sogar: Schuberts Lieder sind auf eine ebenfalls unerklärliche und so zauberische Weise unsingbar... Vielleicht, weil die Lieder für den Interpreten voller Fallen stecken. Sie sind musikalisch äußerst anspruchsvoll gebaut. Bei oft opulenter Klavierbegleitung täuschen sie gleichzeitig eine Bescheidenheit in der Melodieführung vor, die den schon erwähnten schlichten, volksliedhaften Ton fordert. Den der Profi gerade aufgrund seiner Ausbildung nicht mehr zur Verfügung hat. Ideal, so könnte ich mir denken, wären Stimmen, wie die der evangelischen Pastoren, die ich in meiner Kindheit in der Kirche habe singen hören. Klar und kräftig, aber nicht groß....
An diesem Gedanken ist etwas daran. Er trifft sich vielleicht mit der sensibiliti simple d'un amateur, qui se laisse aller à ses émotions, von der Liszt sprach. Hannes Wader hat sich seine Gedanken gemacht, die gar nicht so dumm sind. Das geht aber nicht so weit wie Fischer-Dieskau, der neben seiner Tätigkeit als Sänger auch immer Schriftsteller gewesen ist. 1974 veröffentlichte er sein Buch Auf den Spuren der Schubert-Lieder: Werden, Wesen, Wirkung. Das mit dem Wort Wesen im Titel muss wohl sein, wir sind deutsch. Fischer-Dieskau nennt das der Schönen Müllerin gewidmete Kapitel Die Liedernovelle, das ist ein Titel, der mir gefällt.
Hannes Wader, der die Stimmen von Fritz Wunderlich und Joseph Schmidt liebt, hat für seine Schubert Aufnahme sogar ein Jahr lang Unterricht genommen. Aber er wollte keine professionellen Liedsänger nachahmen: Ich habe nur versucht, die Stücke nicht wie Schubert-Lieder zu singen, sondern so wie meine eigenen. Das hört sich leichter an, als es in Wirklichkeit war. Ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um mich vom Vorbild der anerkannten Schubert-Interpreten zu lösen. Es gab ja keine anderen Muster... Die Einfachheit, mit der Wader an die auf unerklärliche und so zauberische Weise unsingbaren Lieder herangeht, ist also eine studierte Einfachheit. Schubert einfach zu singen, geht offensichtlich nicht mehr. Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist, heißt es in Heinrich von Kleists Marionettentheater
Aber das Beispiel von Hannes Wader (hören Sie zum Schluss einmal ➱hier hinein) sollte Mut machen, dass andere Sänger das auch hinbekommen. Noch immer hat er unter den Liedermachern die schönste Stimme – mit leisem Belcanto-Zittern. Ach, wenn er doch auch Schubertlieder sänge. (Bei Freunden, ganz privat, kann es schon mal vorkommen, daß er plötzlich singt „Fremd bin ich eingezogen/ fremd zieh ich wieder aus“), schrieb Elke Heidenreich 1985 in der Zeit. Manchmal wünschte ich, er hätte den ganzen Zyklus gesungen. Gleichgültig, wie man zu Wader steht, wird man aber zugestehen müssen, dass er Schuberts Lieder einem großem Publikum vermittelt hat, die sonst niemals auf die Idee gekommen wären, diese Lieder der deutschen Romantik zu hören. Und die mit der Schönen Müllerin vielleicht nur diesen deutschen Heimatfilm verbanden.
Dies geht irgendwann, wie schon einmal gesagt, mit Die schöne Müllerin (Helle Stimmen) und Die schöne Müllerin (Fremde Zungen) weiter.
So ein Beitrag macht einem deutlich, wie alt man schon ist. Vor Jahrzehnten beim Plattenhändler gesessen und Platten probegehört. Alles weg: die Läden, das kundige Personal und.. die meisten Platten ( Vinyfreaks gibts natürlich).
AntwortenLöschenDanke für die schönen Beitrag. Die lyrischen Stimmen, ich habe das hoffentlich richtig verstanden kommen noch, also Behle, Kobow Güra, vielleicht auch noch Protschka?
Bei aller Kunst von Souzay oder Fischer Dieskau höre ich diesen Zyklus lieber von einem Tenor.Und dann nicht so gerne von Wunderlich, der eine herrliche Stimme hatte,aber zuviel Metall für Schubert,jedenfalls die schöne Müllerin. Die Weh-mut, Melancholie in Baches Wiegenlied braucht eine voix mixte, etwas, das Wunderlich nicht zur Verfügung stand.
Auf die Fortsetzung bin sehr gespannt!
Ja, das ist mein Plan, dass Behle, Güra, Protschka, Schade et.al. in dem Post 'Helle Stimmen' kommen. Und Souzay, Pears und Aksel Schiotz dann in 'Fremde Zungen'.
AntwortenLöschenIch habe noch einen Plattenspieler und der wird auch benutzt. Oma hatte noch eine "Musiktruhe" von R.F.T. Staßfurt, der ich auch nachtrauerte als Oma starb. Aber ich hatte einfach keinen Platz in der kleinen Wohnung mehr. Allerdings habe ich auch angefangen, meine Platten zu "sichern".
AntwortenLöschenGanz besonders danke ich für den Tipp mit Wader. Wader singt Schubert. Auf eine solche Sucheingabe wäre ich nie gekommen. Aber nun werde ich fleißig reinhören.