Der elegante Herr rechts neben O.W. Fischer ist der Schriftsteller Gregor von Rezzori. In einem Film, der El Hakim hieß und den wir am besten vergessen. Vergessen können wir wohl auch einen Film, der zuerst Die Lady hieß und dann später in der Hoffnung auf größere Zuschauerzahlen in Gräfin Porno von Ekstasien umgetauft wurde. Nicht vergessen werden wir Rezzori in seinen Filmrollen in Viva Maria (➱hier ganz zu sehen) und Vie Privée. In Vie Privée fährt er Brigitte Bardot in seinem Jaguar spazieren. Auf Volker Schlöndorff hatte der Wagen einen großen Eindruck gemacht:
Louis Malle bot ihm die Rolle des Stiefvaters von Brigitte Bardot in Privatleben an, zwei Jahre später spielte er, wieder an ihrer Seite, den Zauberkünstler in 'Viva Maria'. Dabei war er natürlich kein Schauspieler, aber eine durch und durch gestylte Persönlichkeit. So fuhr er, gewandet wie aus einem Herrenmagazin der dreißiger Jahre, stets mit seinem riesigen Jaguar am Set vor; drei Gestalten in ebensolchem Tweed, wie geklont, jedoch im Knabenalter, nämlich seine Söhne Enzio, Azzo und Etzelino, purzelten aus der Limousine und richteten nachlässig ihre Einstecktüchlein.
Das Drehbuch von Privatleben wurde von Jean Paul Rappeneau geschrieben, der ➱hier natürlich schon einen Post hat. Rappeneau hatte zuvor schon mit ➱Louis Malle das Drehbuch zu Zazie geschrieben. Dieses Bild ist natürlich nicht aus Privatleben oder Viva Maria, das sind Rezzori und Johanna von Koczian in Bezaubernde Arabella. Der Jaguar von Rezzori hat Louis Malle sicherlich gefallen. Der liebte Autos, er hat auch einmal einen Dokumentarfilm über ➱Citroen gedreht (kann man ➱hier anschauen). Und der Sprößling einer reichen Familie hat einmal gesagt: Wenn man in einem Bentley fahren gelernt hat, tritt der Wunsch nach einem Rolls-Royce etwas in den Hintergrund. Der Jaguar von Rezzori war wenig später Gegenstand von Rezzoris Scheidungsprozess. Der Scheidungsrichter sprach seiner Gattin die Hälfte an dem Jaguar zu. Und der Autor der wunderbaren Maghrebinischen Geschichten machte etwas sehr Maghrebinisches. Er ließ den Jaguar zersägen und stellte seiner Ex eine Hälfte vor die Garage.
Gregor von Rezzori d'Arrezzo wurde heute vor hundert Jahren in Czernowitz (das man einst das Klein-Wien des Ostens nannte) in der Bukowina geboren: Ich kann nicht leugnen, dass ich als Österreicher im deutschen Geist erzogen worden bin. Zwar in einer Abart; und ob die in Bezug auf Menschlichkeit vorzuziehen ist, steht dahin. Es hilft, wenn man zu den Tschuschen gehört. Ich verdanke meiner Heimatstadt Czernowitz, sowenig ich auch dort gelebt habe, die Fähigkeit, mich leichtzunehmen. Czernowitz wird ihn nicht loslassen. Während der Dreharbeiten von Viva Maria schrieb er: Ich weiss nicht: Finde ich hier in Mexico City ein Echo meines verlorenen Czernowitz – oder war vielleicht jenes für mich unwirklich gewordene Czernowitz ein in die Zeit zurück- (oder voraus-?) geworfenes Echo von Mexico City?
Es kommen bedeutende Leute aus Czernowitz, wie Rose Ausländer oder Paul Celan. Und Ninon Ausländer, die Ehefrau von ➱Hermann Hesse Und natürlich Erwin Chargaff (der ➱hier einen Post hat). Man hat Rezzori einen Weltmann, einen Grandseigneur, einen Dandy, einen Bonvivant und einen Gentleman genannt. Er war eigentlich kein Filmschauspieler, er war ein Schriftsteller. Wir lassen jetzt mal die Maghrebinische Geschichten und die zahlreichen Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft beiseite. Sein erster Roman, Flamme, die sich verzehrt, war 1939 bei Propyläen erschienen. Zwanzig Jahre später zierte Rezzori das Titelbild des Spiegel (die eigentlich sehr gute Titelgeschichte - Rezzori findet sie in Mir auf der Spur natürlich nicht gut - können Sie ➱hier im Volltext lesen).
Gregor von Rezzori d'Arrezzo wurde heute vor hundert Jahren in Czernowitz (das man einst das Klein-Wien des Ostens nannte) in der Bukowina geboren: Ich kann nicht leugnen, dass ich als Österreicher im deutschen Geist erzogen worden bin. Zwar in einer Abart; und ob die in Bezug auf Menschlichkeit vorzuziehen ist, steht dahin. Es hilft, wenn man zu den Tschuschen gehört. Ich verdanke meiner Heimatstadt Czernowitz, sowenig ich auch dort gelebt habe, die Fähigkeit, mich leichtzunehmen. Czernowitz wird ihn nicht loslassen. Während der Dreharbeiten von Viva Maria schrieb er: Ich weiss nicht: Finde ich hier in Mexico City ein Echo meines verlorenen Czernowitz – oder war vielleicht jenes für mich unwirklich gewordene Czernowitz ein in die Zeit zurück- (oder voraus-?) geworfenes Echo von Mexico City?
Es kommen bedeutende Leute aus Czernowitz, wie Rose Ausländer oder Paul Celan. Und Ninon Ausländer, die Ehefrau von ➱Hermann Hesse Und natürlich Erwin Chargaff (der ➱hier einen Post hat). Man hat Rezzori einen Weltmann, einen Grandseigneur, einen Dandy, einen Bonvivant und einen Gentleman genannt. Er war eigentlich kein Filmschauspieler, er war ein Schriftsteller. Wir lassen jetzt mal die Maghrebinische Geschichten und die zahlreichen Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft beiseite. Sein erster Roman, Flamme, die sich verzehrt, war 1939 bei Propyläen erschienen. Zwanzig Jahre später zierte Rezzori das Titelbild des Spiegel (die eigentlich sehr gute Titelgeschichte - Rezzori findet sie in Mir auf der Spur natürlich nicht gut - können Sie ➱hier im Volltext lesen).
Er war vorher in Fortsetzungen in der Zeitschrift Die Dame gedruckt worden. In diesem deutschen Journal für den verwöhnten Geschmack war Rezzori bestens aufgehoben. Das Magazin, das bei Ullstein in Berlin von 1912 bis 1943 erschien, ist (auch vom Niveau des Feuilletons) Deutschlands Versuch, mit einem amerikanischen Magazin wie Apparel Arts mithalten zu können (lesen Sie ➱hier mehr zu Modemagazinen). 1980 hat Christian Ferber unter dem Titel Die Dame. Ein deutsches Journal für den verwöhnten Geschmack 1912 bis 1943 einen Reprint herausgegeben, der sich antiquarisch noch finden lässt.
In Flamme, die sich verzehrt (1978 als Greif zur Geige, Frau Vergangenheit mit neuem zwanzigseitigen Vorwort wieder aufgelegt) findet sich der Satz: Wer sich schon von aller Anfang an selbst als ein in die Gegenwart verschlepptes Stück Vergangenheit auffassen muß, bringt notwendig eine gewissermaßen in sein Schicksal eingebaute Veranlagung zum Schreiben. Ein erstaunlicher Satz für einen Fünfundzwanzigjährigen, der diesen Roman im Winter 1938 in einer Tiroler Skihütte und in Berlin schreibt. Aber die Vergangenheit - und besonders die eigene Vergangenheit - wird den Autor immer wieder beschäftigen. Vergangenheit. Die eigene Vergangenheit und die Vergangenheit des k.u.k. Reiches: ein Hauch von Joseph Roth schwebt durch das Werk von Rezzori, der wie Roth ein Chronist einer untergegangen Welt ist.
Wenn Flamme, die sich verzehrt (der Titel stammte nicht vom Autor) schon ein Stück Autobiographie ist, wird noch viel Autobiographisches folgen: Blumen im Schnee: Portraitstudien zu einer Autobiographie, die ich nie schreiben werde (1989), Greisengemurmel: Ein Rechenschaftsbericht (1994) und Mir auf der Spur (1997). Ich bitte um gütiges Verständnis. Dies ist ein Rechenschaftsbericht. Ein höchst persönliches Dokument. Dem Leser steht es frei darin auch ein Stück Literatur in der Fortentwicklung der Konfessionen des Kollegen Jean-Jacques Rousseau zu sehen, heißt es auf Seite 78 von Greisengemurmel: Ein Rechenschaftsbericht.
Es hätte auch auf der ersten Seite stehen können. Ich zitiere aus dem Buch noch einen zweiten Satz: Wer mich für das Deutsch lobt das ich schreibe hat in der Stimme das Tremolo der Erinnerung an versunkene alte Zeiten. Das ist es, der Mann hat nicht nur Stil, er schreibt auch gutes Deutsch. Allerdings ohne Kommata, die hat er in einem Anfall von Gereiztheit alle getilgt. Man fügt sich als Leser drein. Ich kann so leicht aus dem Buch zitieren, da ich es zufälligerweise gerade gelesen habe.
Ich habe da noch ein schönes Zitat, eine kleine Vignette über seinen Schriftstellerkollegen Günter Grass: Günter Grass habe ich nach Jahren wiedergesehen. In Frankfurt anlässlich der Buchmesse im Hotel »Hessischer Hof«. Er trug was man in Vorkriegsjahren einen Stresemann nannte (schwarzes Jackett mit vielknopfiger grauer Weste zu grauschwarz gestreiften Hosen und Silberselbstbinder) und trippelte so emsig die Hallentreppe hinunter dass ich meinte es handle sich um den Empfangschef der herbeieilte um Lord Weidenfeld zu begrüßen. Nur am Schnauzbart erkannte ich ihn. Als ich ihn ansprechen wollte hatte er keinen Augenblick für mich: er strebte zu einem Empfang des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Weltgeschichtlich eingerastet. Ich kann die Lektüre von Greisengemurmel unbedingt empfehlen.
In Flamme, die sich verzehrt (1978 als Greif zur Geige, Frau Vergangenheit mit neuem zwanzigseitigen Vorwort wieder aufgelegt) findet sich der Satz: Wer sich schon von aller Anfang an selbst als ein in die Gegenwart verschlepptes Stück Vergangenheit auffassen muß, bringt notwendig eine gewissermaßen in sein Schicksal eingebaute Veranlagung zum Schreiben. Ein erstaunlicher Satz für einen Fünfundzwanzigjährigen, der diesen Roman im Winter 1938 in einer Tiroler Skihütte und in Berlin schreibt. Aber die Vergangenheit - und besonders die eigene Vergangenheit - wird den Autor immer wieder beschäftigen. Vergangenheit. Die eigene Vergangenheit und die Vergangenheit des k.u.k. Reiches: ein Hauch von Joseph Roth schwebt durch das Werk von Rezzori, der wie Roth ein Chronist einer untergegangen Welt ist.
Wenn Flamme, die sich verzehrt (der Titel stammte nicht vom Autor) schon ein Stück Autobiographie ist, wird noch viel Autobiographisches folgen: Blumen im Schnee: Portraitstudien zu einer Autobiographie, die ich nie schreiben werde (1989), Greisengemurmel: Ein Rechenschaftsbericht (1994) und Mir auf der Spur (1997). Ich bitte um gütiges Verständnis. Dies ist ein Rechenschaftsbericht. Ein höchst persönliches Dokument. Dem Leser steht es frei darin auch ein Stück Literatur in der Fortentwicklung der Konfessionen des Kollegen Jean-Jacques Rousseau zu sehen, heißt es auf Seite 78 von Greisengemurmel: Ein Rechenschaftsbericht.
Es hätte auch auf der ersten Seite stehen können. Ich zitiere aus dem Buch noch einen zweiten Satz: Wer mich für das Deutsch lobt das ich schreibe hat in der Stimme das Tremolo der Erinnerung an versunkene alte Zeiten. Das ist es, der Mann hat nicht nur Stil, er schreibt auch gutes Deutsch. Allerdings ohne Kommata, die hat er in einem Anfall von Gereiztheit alle getilgt. Man fügt sich als Leser drein. Ich kann so leicht aus dem Buch zitieren, da ich es zufälligerweise gerade gelesen habe.
Ich habe da noch ein schönes Zitat, eine kleine Vignette über seinen Schriftstellerkollegen Günter Grass: Günter Grass habe ich nach Jahren wiedergesehen. In Frankfurt anlässlich der Buchmesse im Hotel »Hessischer Hof«. Er trug was man in Vorkriegsjahren einen Stresemann nannte (schwarzes Jackett mit vielknopfiger grauer Weste zu grauschwarz gestreiften Hosen und Silberselbstbinder) und trippelte so emsig die Hallentreppe hinunter dass ich meinte es handle sich um den Empfangschef der herbeieilte um Lord Weidenfeld zu begrüßen. Nur am Schnauzbart erkannte ich ihn. Als ich ihn ansprechen wollte hatte er keinen Augenblick für mich: er strebte zu einem Empfang des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Weltgeschichtlich eingerastet. Ich kann die Lektüre von Greisengemurmel unbedingt empfehlen.
Was sonst noch lesen? Alles aus Maghrebinien, das ist klar. Und natürlich Ödipus siegt bei Stalingrad. Über den Roman schrieb die Zeit bei seinem Erscheinen: Es ist, wie gesagt, ein verflixtes Buch, ärgerlich, skandalös – und von hinreißender Unverfrorenheit. Auf die Frage Why wasn’t 'Oedipus siegt bei Stalingrad' ever translated into English? hat Rezzori die wunderbare Antwort gegeben: It can’t really be translated, because it’s written in sort of German slang as if Ernst Junger were a drunken Prussian officer telling a story in a bar. It’s about German snobbism, about somebody who comes to Berlin in ’38 in order to conquer the world, a sort of Berlin Rastignac. It pokes fun in a most atrocious way. Der Roman ging damals ein wenig unter, weil wir in dem Jahr ➱Fußballweltmeister wurden. Und wenn man etwas lesen wollte, dann las man ➱Hemingway, weil der gerade den ➱Nobelpreis bekommen hatte. Man mochte in den fünfziger Jahren sowieso nicht alles gerne lesen, ➱Rudolf Lorenzen hat das mit seinem Roman Alles andere als ein Held erfahren müssen.
Man kann beinahe alles von Gregor von Rezzori antiquarisch leicht finden. Von Flamme, die sich verzehrt bis zu dem posthum erschienenen Kain. Viele seine Schriften (na ja, bis auf Ödipus siegt bei Stalingrad) sind ins ➱Englische übersetzt worden. Bei richtig großen Verlagen, mit großem Erfolg. Wie The Death of My Brother Abel bei Viking Penguin. Manches ist auch aus dem Englischen zu uns zurückgekommen, wie der Essay Ein Fremder in Lolitaland, der ursprünglich in Vanity Fair veröffentlicht wurde. Übrigens sehr lesenswert. Mit Lolita sollte Rezzori sich auskennen, schließlich war er an der deutschen ➱Übersetzung des Romans beteiligt. Rezzori hatte keine Schwierigkeit für Vanity Fair zu schreiben, er sprach mehrere Sprachen: Ich schreibe (unter anderem, aber hauptsächlich) auf Deutsch, weil das die Sprache ist, die ich liebe und am besten beherrsche. Ich weiß, dass ich mich ihrer bediene wie einer Fremdsprache. Meine Mentalität ist undeutsch. Aus mir wird niemals ein populärer deutscher Autor werden. Nur in den Maghrebinischen Geschichten habe ich den Ton getroffen, den man von mir erwartet.
Es ist schade, dass er immer nur mit den Maghrebinischen Geschichten assoziiert wird. Er war, wenn wir an Oedipus siegt bei Stalingrad und Der Tod meines Bruders Abel denken, ein bedeutender Romancier. Sein Lieblingsspruch, den er gerne zitierte, war Gilbert Keith Chestertons Satz Angels can fly because they take themselves lightly. Vielleicht war er auch ein Engel.
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