Wir telephonierten damals nachts, weil es bei der Post einen Nachttarif gab. Also in diesem damals, als es noch gelbe Telephonzellen gab, einen Postminister und Zinsen aufs Sparbuch. Wenn wir am selben Ort waren, brauchten wir nicht zu telephonieren. Dann konnten wir das andere tun, mindestens alle drei Tage. Irgendwann über die Jahre hörten wir auf, jede Nacht zu telephonieren; wir entglitten uns, tout doucement, sans faire de bruit. Es gab keine Nachttarife mehr und auch keinen Postminister. Man brauchte keine langen Telephonkabel mehr, es gab schnurlose Telephone. Doch bei allem technischen Fortschritt fehlte mir etwas. Ihre Stimme.
Es war noch nicht so schlimm wie in Dorothy Parkers Erzählung A Telephone Call, wo es heißt: Please, God, let him telephone me now. Dear God, let him call me now. I won't ask anything else of You, truly I won't. It isn't very much to ask. It would be so little to You, God, such a little, little thing. Only let him telephone now. Please, God. Please, please, please. Nein, so schlimm war es nicht, aber ich habe dieses Harmoniebedürfnis, das zurück möchte in den Traum der Jugend. Da bin ich wie Jay Gatsby in Fitzgeralds Roman, der Can't repeat the past? Why of course you can! sagt. Sie besitzen und Sie verlieren, das heißt, einen Augenblick Glück mit einer Ewigkeit Sehnsucht erkaufen. Das ist nicht Kierkegaard, das schreibt in Les Liaisons Dangereuses der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil. Der Verbalerotiker Kierkegaard wird das Buch gekannt haben, denn sein Buch Tagebuch des Verführers erscheint wie eine Variation zu Choderlos de Laclos.
Kierkegard hat uns zum Thema der Wiederholung auch etwas zu sagen: Wiederholung ist der entscheidende Ausdruck für das, was bei den Griechen ‚Erinnerung‘ war. So wie diese damals lehrten, dass alles Erkennen ein Erinnern ist, so will die neue Philosophie lehren, dass das ganze Leben eine Wiederholung ist. Das schreibt er in Die Wiederholung, einer kleinen Erzählung, die er als einen Versuch in der experimentierenden Psychologie bezeichnet. Sie ist nichts als die philosophische Aufarbeitung seiner Liebe zu Regine Olsen, die ihn verlassen und sich neu verlobt hat.
Die Liebe der Wiederholung ist in Wahrheit die einzig glückliche, sagt Kierkegaards Erzähler Constantin Constantinus. Sie kennt ebensowenig wie die Erinnerung die Unruhe der Hoffnung, nicht die beängstigende Abenteuerlichkeit der Entdeckung, aber auch nicht die Wehmut der Erinnerung, sie hat des Augenblicks selige Sicherheit. Die Hoffnung ist ein neues Kleid, steif und stramm und glänzend, man hat es jedoch niemals angehabt, und weiß darum nicht, wie es einen kleiden wird oder wie es sitzt. Die Erinnerung ist ein abgelegtes Kleid, welches, so schön es ist, nicht mehr paßt, da man aus ihm herausgewachsen ist. Die Wiederholung ist ein unverschleißbares Kleid welches fest und zart sich anschmiegt, weder drückt noch schlottert.... Die Wiederholung ist ein geliebtes Eheweib, dessen man niemals leid wird.
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